TOUR DE FRANCE Lance Armstrong nähert sich dem Tross der Frankreich-Rundfahrt anlässlich eines Benefizrennens. Das gefällt aktuellen Profiradlern und Veranstaltern gar nicht: Unerwünschte Person
aus Toulouse Tom Mustroph
Der Mann ist ein Medienereignis, mehr aber auch nicht. Als Lance Armstrong am frühen Donnerstagmorgen auf einem Supermarktparkplatz am Rand von Toulouse, nahe dem Start der 13. Etappe der Tour de France, erschien, wunderten sich nur ein paar Anwohner. Nicht über Armstrong, den konnten sie gar nicht sehen inmitten der etwa 150 Journalisten um ihn herum. Die Anwohner wunderten sich nur, was die Weltpresse auf diesen Asphaltklecks vor ihrer Haustür verschlagen hatte. Kein Terrorist hatte Geiseln genommen, kein Kinderschänder war entdeckt worden, keine Giftgaswolke hatte den Horizont verdüstert. Trotzdem waren sie da, Agenturen, Fernsehsender und Tageszeitungen. Lance Armstrong und die Tour de France – das zieht immer.
Dabei hat Armstrong die Tour verpasst. Der Mann, der dank Epo und martialischer Vorbereitung, das sei an dieser Stelle auch erwähnt, gewöhnlich Minuten auf seine Rivalen herausholte, war ihnen nun sogar um einen ganzen Tag voraus. Denn die Veranstaltung, an der Armstrong auf Frankreichs Straßen teilnahm, hieß „Le Tour – One Day Ahead“. Einen Tag vor den Profis fahren Amateure die jeweilige Etappe der Tour de France ab. Events wie diesen gibt es seit Jahren. Amateursportler reizt es, die Strapazen der Profis am eigenen Leib zu verspüren. Die frühere Triathletin und frisch diplomierte Sportärztin Tessa Veen Backhuijs, die da einmal mitgefahren ist, sagt: Mit genug Training steht man das durch, wenn auch bei geringerem Tempo.
Geringeres Tempo schlug auch Armstrong an. Der Amerikaner bemerkte verblüfft, dass dieses Mal die kleine Gruppe, mit der er unterwegs war, am Verpflegungspunkt haltmachte und statt Nährstoffriegeln leckere Tartes vertilgte. Die etwa zehnköpfige Gruppe um Armstrong herum war eine besondere. Es handelte sich um Teilnehmer eines Benefizrennens, das der an Leukämie erkrankte frühere britische Fußballprofi Geoff Thomas zugunsten seiner Stiftung organisiert hatte. Armstrong wurde für zwei Etappen als prominenter Spendenakquisiteur eingeflogen. Dieses Geschäft beherrscht er ja, was er mit seiner Krebsstiftung Livestrong jahrelang bewies.
Dass er nun ausgerechnet zur Tour seine Wohltätigkeitsader wiederentdeckte, stieß bei seinen sportlichen Nachfolgern auf Ablehnung. „Sein Auftreten hier in Frankreich ist ein Non-Event“, meinte pikiert der aktuelle Gesamtführende Chris Froome – dabei unterschlagend, dass allein die Anwesenheit von Aufzeichnungsgeräten aus einem Non-Event einen Event machen kann, wenn nur die Resonanz der Likes und Dislikes groß genug ist. Dessen Teamkollege Geraint Thomas warf Armstrong vor, „unseren Sport in Misskredit gebracht“ zu haben. „Er soll sich fernhalten“, meinte der Waliser, der richtig sauer war, dass Armstrong in einem Tweet Zweifel an der Sauberkeit des Team Sky geäußert hatte. Während seiner Karriere kam es schon mal vor, dass Armstrong die Dopingjäger auf gute Kontrollzeitfenster bei der Konkurrenz hinwies.
Chris Froome, der Tour-Führende
Auch UCI-Radsportpräsident Brian Cookson ließ sich zur Causa vernehmen und beschuldigte Armstrong der Respektlosigkeit. „Ich denke, es ist völlig unangemessen und respektlos gegenüber der UCI und der Anti-Doping-Community. Lance wäre gut beraten, nicht an der Veranstaltung teilzunehmen“, meinte Cookson. Aber beraten lässt sich Armstrong nicht gern, erst recht nicht von Cookson. Der kann ihm gar nichts mehr sagen. Armstrong hat keine Profilizenz mehr. Der siebenfache Tourgewinner hat sogar lebenslanges Verbot, sich an UCI-Veranstaltungen zu beteiligen. Die Tour fällt darunter. „Le Tour – One Day Ahead“ allerdings nicht.
Die wohl zutreffendste Einschätzung lieferte David Walsh ab, der Journalist, der sehr früh in Armstrong jenen Betrüger entdeckte, als der er sich dann später herausstellte. Walsh meinte: „Armstrong hat offenbar keinen neuen Sinn in seinem Leben gefunden.“ Dem Urteil kann man sich anschließen. Zwar lassen sich mit Armstrong immer noch tolle Schlagzeilen fabrizieren. „Armstrong kehrt an den Ort seiner Verbrechen zurück“, dichtete etwa ein französisches Provinzblatt. Diese vermeintliche Rückkehr des Täters zum Tatort interessierte aber nicht einmal mehr Schaulustige, sondern nur die Medien.
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