TISA TTIP CETA: "Ziel ist die umfassende Liberalisierung"
Interview mit Martin Beckmann, Referent beim ver.di-Bundesvorstand, über Rekommunalisierung in die aktuellen Verhandlungen über die Marktöffnung für Dienstleistungen
Sind die Gewerkschaften an den Verhandlungen über TTiP, Tisa oder Ceta irgendwie beteiligt?
Martin Beckmann: An den Verhandlungen nicht. Was es mittlerweile gibt ist ein Beirat im Bundeswirtschaftsministerium, da wird regelmäßig informiert und diskutiert. Da sind Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen, von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden vertreten, Verdi mit Frank Bsirske. Bei diesen Informationen zeigt sich immer wieder, wie intransparent die Verhandlungen sind. Dokumente kommen nur an die Öffentlichkeit, wenn sie geleakt werden.
Da gibt es nur mündliche Auskünfte?
Mittlerweise werden mehr Informationen bereitgestellt, wichtige Dokumente aber erst, wenn sie informell bekannt wurden.
Wenn es konkrete Verhandlungstermine gibt - werden die Gewerkschaften in diesen Beirat informiert, worum es gerade geht?
Nein. Die Verhandlungen stehen auch nicht vor einem großen Durchbruch. Jetzt kommt ja erst einmal der Wahlkampf in den USA. Der Präsident kann ja nicht verhandeln ohne Rückkopplung mit dem Kongress.
In welches Verhandlungspaket würde das Thema der Müll-Rekommunalisierung?
Alle drei Abkommen haben das Ziel, umfassend zu liberalisieren. Umweltdienstleistungen wie die Abfallwirtschaft gehören dazu. Das läuft so, dass die jeweiligen Verhandlungspartner Angebote machen für Branchen, in denen sie über Liberalisierungsverpflichtungen reden wollen. Wir sind aus gewerkschaftlicher sicht dafür, dass die Bereiche der Daseinsvorsorge grundsätzlich ausgenommen werden sollten bei der Liberalisierung.
Damit steht Deutschland allein?
Zuständig für das Dienstleistungsabkommen TISA kümmert sich von gewerkschaftlicher Seite aus federführend die PSI, also die Internationale der Öffentlichen Dienste. Deren Position deckt sich mit der Position der deutschen Gewerkschaften.
Was steht in CETA zum Thema Abfallentsorgung?
Prinzipiell ist das Thema Gegenstand von Ceta, die EU hat ein entsprechendes Liberalisierungsangebot gemacht anders als bei der Wasserversorgung. Aber Deutschland hat das Recht wahrgenommen, das Thema Abfall als Ausnahme zu behandeln für die kanadischen Unternehmen im so genannten Annex II.
Kann da jedes EU-Land seine eigenen Ausnahmen festlegen?
Ja.
Ist das damit festgezurrt?
Vermutlich ja. Das Bundeswirtschaftsministerium wehrt sich zum Beispiel grundsätzlich dagegen, dass das Paket noch einmal aufgeschnürt wird.
In den TISA-Verhandlungen wird das Thema auch aufgerufen.
Im Falle von TISA wird von 24 wichtigen WTO-Mitgliederstaaten, die sich selbst „Really Good Friends of Services“ nennen, verhandelt, und es ist derzeit noch völlig offen, was dabei herauskommt. Das Liberalisierungsangebot von Seiten der EU von November 2013 ist mittlerweile öffentlich zugänglich. Trotzdem ist es extrem schwer zu sehen, wer da wie Einfluss auf die Verhandlungen nimmt. Grundtenor in den Verhandlungen ist, dass Normen und Regulierungen, die den Handel hemmen, abgebaut werden sollen. Einige Verhandlungsteilnehmer fordern etwa, dass für diese sogenannten innerstaatliche Regulierungen Erforderlichkeitsprüfungen erfolgen müssen. Das kann zur Konsequenz haben, dass staatliche Regulierungsmöglichkeiten massiv eingeschränkt werden.
Wie lange dauern die Tisa-Verhandlungen?
Die Bundesregierung hat gerade mitgeteilt, dass es da keinen Zeitplan gibt und in diesem Jahr kein Ergebnis zu erwarten ist.
Dr. Martin Beckmann, 37 Jahre alt, Studium der Politikwissenschaft in Marburg, ist Referent in der ver.di Bundesverwaltung
Links zu den beiden PSI-Studien zu Tisa:
http://www.world-psi.org/sites/default/files/documents/research/de_tisapaper_final_web.pdf
www.world-psi.org/sites/default/files/documents/research/report_tisa_ger_lr.pdf
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