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TAZ-SERIE "NEUES SOZIALES BAUEN" (2)Lebst du noch oder baust du schon

Nördlich des Bergmann-Kiezes entstehen 15 Neubauten in einem Quartier. Die Entwickler hoffen, durch Staffelung der Preise für eine soziale Mischung zu sorgen.

220 Wohnungen und 21 Gewerbeeinheiten sollen in dem Quartier, gleich um die Ecke vom Tempelhofer Feld entstehen. Bild: dpa, Tobias Kleinschmidt

Die ersten drei Baugruben sind ausgehoben. Bauarbeiter befestigen die Seitenwände und verlegen Baustromkabel. Bagger türmen die Erde auf, gefällte Bäume liegen auf einem Haufen zum Abtransport bereit. Das "Stadtquartier Friesenstraße" zwischen Columbiadamm und Schwiebusser Straße am Rande von Kreuzberg nimmt Gestalt an.

Nach jahrelangen Verhandlungen hat die Projektentwicklungsgesellschaft SQF vom Bund hier ein rund 18.000 Quadratmeter großes Grundstück erworben. Die Projektentwicklerin Barbara Rolfes-Poneß ist eine der vier Initiatoren der SQF. Sie sehen sich nicht als auswärtige Investoren: "Wir leben und arbeiten selbst seit vielen Jahren in Kreuzberg und haben mit unseren Büros zahlreiche öffentliche, private und genossenschaftliche Wohnungsbauprojekte auf den Weg gebracht." Sie selbst hatte vor Jahren das nahe gelegene Haus "Fidicin 18" mithilfe einer Genossenschaft für die BewohnerInnen gerettet. "Jetzt wollen wir hier als Erweiterung des Bergmann-Kiezes rund 220 Wohnungen und 21 Gewerbeeinheiten neu bauen." Etwas widersprüchlich zu der offensichtlichen Nähe zu Kreuzberg ist die formale Zugehörigkeit zum Bezirk Tempelhof-Schöneberg, erklärt Rolfes-Poneß, sodass "alle bau- und umweltrechtlichen Abstimmungen mit dem dortigen Bezirksamt getroffen werden".

Die Wohnungen in den insgesamt 15 Häusern sind laut Rolfes-Poneß inzwischen fast alle verkauft. Die Preise bewegen sich zwischen 2.000 Euro pro Quadratmeter für eine Wohnung im ersten Stock bis hin zu 3.050 Euro pro Quadratmeter für eine Dachgeschosswohnung im fünften und sechsten Stock. Durch diese Staffelung soll unter den Käufern ein gewisser sozialer Ausgleich erreicht werden. Denn auch einige der Familien, die sich für 200.000 Euro eine 100 Quadratmeter große Wohnung leisten, erreichen die Grenze ihrer finanziellen Belastbarkeit und könnten keine weiteren 50.000 Euro drauflegen. Hier werden allerdings innerhalb der künftigen Hausgemeinschaft die sozialen Unterschiede wie auf einem Passagierdampfer in Ober- und Unterdeck deutlich, so die Kritiker.

Neues soziales Bauen

In Berlin herrscht Wohnungsknappheit. Neubau tut not. Doch der soziale Wohnungsbau ist Geschichte. Viel zu teuer wurde in den 80er und 90er Jahren gebaut, und die Subventionen landeten meist bei den Investoren.

Wie aber kann man sozialverträglich - und also billig - bauen? Die taz erkundet in einer Serie Projekte und Modelle, die das Bauen in der Stadt verändern können. In Teil 1 (4. Mai) ging es um einen revolutionär günstigen Neubau für das Mietshäuser Syndikat.

Nur in einem Haus wird der Weg einer traditionellen Baugenossenschaft eingeschlagen. Zwölf der Gebäude sind Baugemeinschaften, in denen die Bewohner sich zusammen mit anderen und betreut von den Projektentwicklern quasi ihre Eigentumswohnung selbst bauen. Zwei Häuser werden gar von professionellen Bauträgern errichtet. Dafür sollen alle 15 Häuser möglichst energieeffizient errichtet werden, mit Blockheizkraftwerk und Solarthermie, und in ihrer Mitte über einen mehr als 5.000 Quadratmeter großen Gemeinschaftspark verfügen. Ein Gewerberiegel zum Columbiadamm soll laut Prospekt im Internet "als Lärmschutz gegenüber dem Autoverkehr und der Columbia-Halle dienen" und gleichzeitig Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe aufnehmen. Die zukünftigen BewohnerInnen "kommen zu 80 Prozent aus der Umgebung", erzählt Rolfes-Poneß stolz. "Sie sind vernetzt über Schule, Kita oder Arbeit, leben meist in Familien mit Kindern und können sich so ein Projekt gerade noch leisten."

Im Gespräch mit diesen Bauherren und -frauen werden viele private Geschichten und Beweggründe erzählt, doch im Kern gleichen sie sich. Es geht um "existenzielle Sicherheit im Bereich des Wohnens", gerade da bei vielen trotz formaler Zugehörigkeit zur Mittelschicht die Arbeits- und Einkommensverhältnisse oft recht prekär sind. Für eine Eigentumswohnungen sind auch bisher unbekannte finanzielle Reserven der Eltern beziehungsweise Großeltern mobilisierbar, um das nötige Eigenkapital gegenüber den Banken nachweisen zu können. "Und in 15 Jahren", so hoffen viele der neuen BewohnerInnen, "sind die Schulden abbezahlt, um dann das Studium der eigenen Kinder bezahlen zu können". Für Rolfes-Poneß geht es hier um SelbstnutzerInnen, die keine Spekulationsabsichten mit ihren Wohnungen haben und "sehr stabilisierend im Kiez wirken werden". Aus dem Blickfeld geraten dabei freilich schnell die Mehrheit der KreuzbergerInnen, die nicht über das notwendige Geld oder einen entsprechenden mittelständischen familiären Hintergrund verfügen.

Deswegen möchte Rolfes-Poneß zur aktuellen Verdrängungsdebatte und der Diskussion über einen neuen sozialen Wohnungsbau ihre Meinung beisteuern. Neben dem Festhalten an den alten Beständen des sozialen Wohnungsbaus sei es etwa für den Bergmann-Kiez wichtig, ein neues Zweckentfremdungsverbot durch den Senat zu erlassen. "Viele Wohnungen werden im Kiez um den Chamissoplatz in Ferienwohnungen umgewandelt oder gewerblich genutzt und stehen somit den BewohnerInnen des Stadtteils nicht mehr zur Verfügung." Ein Neubau bei einem Kaufpreis von 2.000 Euro pro Quadratmeter wiederum entspricht etwa einer Netto-Kaltmiete von 10 Euro pro Quadratmeter. "Billiger zu bauen geht nicht", meint die erfahrene Projektentwicklerin, "alles andere geht zulasten der Qualität bei Dämmung, Fenstern und Belüftung". Dann habe man am Ende eben Schimmel im Haus. Folglich könnten Bauprojekte wie das Stadtquartier Friesenstraße einen sozialen Wohnungsbau nicht ersetzen, so Rolfes-Poneß. "Aber das geht nicht ohne Subventionen".

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17 Kommentare

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  • JM
    Juergen Mueller

    Am 1 Mai feuern die neuen Bewohnen ihren neuen privaten Park, die Nachbarn sind auch eingeladen, danach wird der Park dann wieder abgeschlossen.

     

    Danke für die Einladung

  • I
    istdochsuper

    Tja, das mit der Traufhöhe die ja angeblich den hier schon Wohnenden zu liebe extra niedrig gehalten wurde scheint mir auch nicht so ganz niedrig zu sein. Im Grunde genommen sind die neugebauten Häuser bei näherer Betrachtung eher höher und machen die Schwiebusser Str. dunkler.Ain't no sunshine anymore. Nix mehr abends aus dem Haus rausgehen und den tollen Sonnenuntergang anschauen! Stattdessen Eigentumsbeton. Echt ätzend! Unter dem Motto Wohnen, Leben und Arbeiten im Bergmannkiez.

  • RB
    Rentner Bernd

    Inzwischen zeigt sich die wahre Größe (angebl. 18,85 m Traufhöhe) der Projekte. Eine Etage weniger, und es würde sich halbwegs in die Umgebung einfügen. Aber so wird mir/uns wahrscheinlich auch noch die Aussicht auf die Minarett-Spitzen der Sehetlik-Moschee zugebaut, obwohl diese sowieso schon höher sind als ursprünglich genehmigt. Hatte man im Bezirksamt Tempelhof etwa die Absicht, eine Mauer zu errichten? Es sieht fast so aus.

  • S
    stresstest

    Werter Herr "Ökobauer",

    Öko ist an ihren Bauten nichts. Es besteht aus Beton und nichts anderem. Ihre geplanten Vorgärten ersetzen bei weitem nicht das Flair was die Schwiebusser Strasse mal hatte.Hier war es ruhig und gemütlich und vor allen Dingen grün.

    Im Moment ist jede Menge Baulärm ab 7:00 morgends bis 19:00 abends alltäglich durch Kräne, Laster und das Gebrülle der Bauarbeiter.

    Die Straße wird mit zunehmender Bauhöhe ihrer ach so tollen Ökobauten immer dunkler, weil ebend keine Sonne mehr in diesen Bereich zu sehen ist. Na, ja sie haben dann ja ihren tollen Garten!

  • D
    Der Ökobauer

    Ich würde sagen, wir Baugruppenleute sind alle mehr oder weniger untere bis mittlere Mittelschicht. Wir müssen Kredite aufnehmen, um uns die Wohnungen leisten zu können. Wie jeder kleine Häuslebauer.

     

    Wir verdängen niemanden, denn vorher hat auf dem Grundstück niemand Anderes gewohnt, der jetzt in den Möckernkiez oder sonstwohin muss.

     

    Leute, macht Euch locker. Eine Stadt ist nicht statisch. Ständig entsteht irgendwo was Neues.

  • JM
    Juergen Müller

    1.) Der tolle Park der Entsteht ist nur dür die Bewohnen des Quartiers, also ein geschlossener Park.

     

    2.) Baugruppe ist nicht gleich Baugruppe, es gibt solche und solche. ICh kenne in diesem Quatier 2-3 Gruppen und würde alle als Problematisch einstufen.

     

    3.) Warum bekennnen sich denn die Bauherrinnen nicht zu Ihrer sozialen Lage, ja ihr seid die Kreizberger Oberschicht, die Unterschicht kann sich es eben nicht leisten.

    Die Familien mit wenig Geld suchen sich was anderes, evtl Landen sie bei Möckernkiez e.V. Die dürfen evtl das Wort Sozial in den Mund nehmen.

     

    Ansonsten war der Artikel mehr eine Werbeanzeige für die Projektsteuer.

  • D
    Der Ökobauer

    Ich werde in das neue Quartier einziehen und kann nur sagen: Es sieht vielleicht nach Beton aus, aber in der Tat haben wir den Boden gereinigt und entsiegelt. Vorher waren da nicht nur ein paar Schrebergärten, sondern auch viel asphaltierte Fläche und Autowerkstätten, die gerne Altöl etc. abgelassen haben. Wenn die Häuser fertig sind, gibt es vor den Häusern grüne Vorgärten und hinter den Häusern einen Park. De facto wird am Ende quadratmetermäßig mehr Boden frei atmen können als vorher, und die Schwiebusser wird auch keine Betonwüste.

     

    Die Bäume, die gefällt wurden, waren übrigens größtenteils krank. Vielleicht vom Öl? Stattdessen werden neue, gesunde Bäume gepflanzt werden. Es wird also besser, nicht schlechter.

     

    Die Alternative zu den Wohnhäusern wäre übrigens ein großes Möbelhaus gewesen, das das Grundstück ebenfalls kaufen wollte. Wäre das den Anwohnern lieber gewesen - mit großem Parkplatz und ständigen An- und Abgefahre von LKWs und PKWs?

     

    Auch wenn Veränderungen schwer fallen: Mit den neuen Häusern und den freundlichen Leuten, die da einziehen, hat es die Schwiebusser Straße echt gut getroffen.

  • N
    nixgut

    Erst sollten ja nur 3 Häuser gebaut werden. Aus der TAZ haben wir dann das ganze Ausmaß der Bebauung erfahren. Ich finde es nicht gut und gar nicht sozial. Es wurde dafür eine Kleingartensiedlung und viele alte Bäume plattgemacht. Wir hatten viele seltene Vögel, Eichhörnchen. Füchse und und und als Nachbarn. Jetzt gibts nur noch Beton wenn man die Schwiebusser Strasse betritt. Mir tun die Leute leid die ihren Balkon zur Schwiebi haben. Sozial ist anders.

  • TF
    Thomas Franzen

    hallo! liest das hier noch einer? der artikel ist ja schon was älter.

    ich bin auch fröhliches mitglied einer baugruppe. unser haus soll nächsten sommer fertig sein. ich wollte der diskussion nochmal folgendes hinzufügen:

    wenn wir nicht gemeinsam ein häuschen bauen würden, hätte sich jemand anderes das grundstück unter den nagel gerissen. das ist schonmal klar. und dann wäre dort ein aldi hingesetzt worden oder ein mietshaus, an dem sich der besitzer eine goldene nase verdient hätte. beides wäre nicht unbedingt schöner gewesen.

    was bitte ist an mietshäusern sozial? ich zahle seit jahren und jahrzehnten miete, und die steckt sich der eigentümer fett in die tasche. jetzt investiere ich meine knete in eine wohnung, die irgendwann mir gehört. find ick juut!

  • PH
    Petra Habel

    Ich bin selbst Mitglied einer Baugruppe in Berlin und kann sagen: Ein Wohnung in einer Baugruppe ist billiger als eine vergleichbare Wohnung vom freien Markt. 2.200-3.000 Euro pro Quadratmeter - wie im Artikel angegeben - sind für eine nagelneue Eigentumswohnung wirklich nicht teuer. Und wer regelmäßig arbeitet, kann den dafür nötigen Kredit auch abzahlen. Bei uns sind die Preise ähnlich und es ziehen viele Freiberufler ein, die nicht im Geld schwimmen. Warum sollen die ihre prekäre Existenz nicht durch einen Wohnungskauf ein bisschen absichern dürfen?

    Wir sind nicht "wohlhabend bis reich". Wirklich reiche Leute lachen sich über solche Quadratmeterpreise kaputt.

     

    Außerdem wird bei uns basisdemokratisch entschieden. Es ist nicht wahr, dass manche Leute mehr und manche weniger viel zu sagen haben - je nachdem wieviel Geld da ist.

     

    Wir sind ein Hausprojekt, wie es viele linke Hausprojekte in Berlin gab. Mit dem Unterschied, dass wir uns unser Haus selbst bauen und dann besitzen und also vor Räumung sicher sind. Ganz einfach. Außerdem sind wir viele kleine Leute und kein Großinvestor. Wäre der besser?

  • JM
    juergen Müller

    Mit sozialem Bauen hat das wenig zu tun, in einigen Baugruppen haben die das Sagen die das meiste Geld haben. In der zwischenzeit wird wohl schon offen diskutiert einzelne schächere Baugruppenmitglieder rauszuwerfen, da sie die mehr kosten nicht mehr trägen können.

  • KP
    Karla Pappel

    Herr Villinger hat ein persönliches Interesse an dem Thema "Baugruppe". Er möchte selber in einer einziehen. Und die "Grünen" sind ihm näher als emanzipative Ideen geworden. Er geht den Weg vieler Linker ehemals linksradikaler Menschen, die mal vorgaben die Welt zu verändern. Privatisieren. Etablieren. Anpassen. Profitieren. Verdrängt werden andere. Und um die Menschen, die dem Verdrängunsprozeß ausgeliefert sind, schert sich die Taz als Baugruppenlobbyistenzeitung sowieso nicht.

     

     

    ***Anmerkung der Red.:

    Da wissen Sie mehr als unser Autor. Er war bisher immer sehr zufrieden in seiner Wohnung. Bitte unterlassen Sie in Zukunft solche Unterstellungen.

  • DT
    DJ Tüddel

    Ich habe den kleinen "Anzeige"-Hinweis gesucht und gesucht und gesucht.... der muss hier doch irgendwo sein...

  • S
    schonwach

    Seit wann macht die "taz" sich um die Bürgerinnen und Bürger, die sich solche Wohnungen nicht leisten können, ein Kopf? Das was hier passiert, ist Politik der Grünen: Die Innenstadt gehört uns.

  • HD
    Holla die Waldfee

    Soziale Mischung durch Staffelung der Preise? Zwischen 2.000 und 3.000 Euro pro Quadratmeter?

    Das ist mir ja eine feine Mischung. Von wohlhabend bis reich. Gute Idee!

  • M
    maria_

    Nach den ersten Zeilen dachte ich, es ginge wirklich darum, Menschen aus unterschiedlichen Schichten zusammen zu bringen. Aber statt Mietwohnungen (die Berlin ja gerade braucht) gibt es mal wieder nur Luxus-Eigentumswohnungen.

  • VN
    Verena Nadorst

    Diesen Artikel übers Bauen für 2000 bis 3000 Euro den Quadratmeter unter der Überschrift "Soziales Bauen" zu platzieren, ist mal wieder ein echtes Armutszeugnis für die Taz und ein großer Schritt zurück in der Frage, um die es eigentlich gehen sollte.

    Christoph Villinger entpuppt sich mehr uns mehr als Baugruppen-Lobbyist...