Syrische Musiker in Freital: Sie sind noch da
Die Band Khebez Dawle fand sich nach der Flucht in Deutschland wieder zusammen und spielte in Freital. Doch den Syrern droht die Abschiebung.
I died a week ago, / There’s nothing left / It’s caught on video /
The very last breath
Anas Maghrebi hat gerade seinen Abschiebebescheid bekommen. Er soll nach Kroatien zurück, weil er dort die Europäische Union betreten hat. Ausgerechnet jetzt soll er gehen, wo sie das Flüchtlingsheim verlassen haben und in eine eigene Wohnung ziehen durften. Sie, die Band aus Syrien. Alle zusammen, weil sie vor den Behörden wie eine Familie behandelt werden. Und jetzt, wo Anas Linda hat, seine deutsche Freundin. Linda, die Schöne, mit den langen braunen Haaren. Mit der er immer das Händespiel spielt.
Die Hector-Peterson-Schule in Berlin-Kreuzberg hatte einen fatalen Ruf. Sie wollte sich neu erfinden. Wir haben sie ein Jahr lang beobachtet. Ob es funktioniert hat, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 7./8. Mai. Außerdem: Die SPD steckt in der Abwärtsspirale. Drei Besuche bei Menschen, die erklären, warum sie die Partei der Zukunft ist. Und: Das sächsische Freital wurde bekannt für Angriffe auf Flüchtlinge. Jetzt ist dort die syrische Band Khebez Dawle aufgetreten – gegen Rechts. Eine Reportage. Am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.
Als die Dame mit der Snackbar vorbeikommt, kauft Anas Kaffee für alle. In Freital sollen sie bei einem Konzert gegen rechts auftreten.
Freital ist einer der unangenehmeren Orte in Deutschland. Aber darüber weiß die Band nicht so viel. Eine rechtsextreme Terrororganisation soll dort über Monate Anschläge begangen haben, hören sie. Warum?, fragt einer.
Stadt und Ermittler schauen weg
Im Juni vergangenen Jahres protestierte eine wütende Menge vor einer Erstaufnahmeeinrichtung tagelang gegen Flüchtlinge. Dann wurde das Auto des Linken-Stadtrats Michael Richter in die Luft gejagt und mehrere Sprengstoffanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte verübt. Da die sächsischen Ermittler die rechte Szene unterschätzten, griff im März der Generalbundesanwalt ein. Er glaubt, dass sich in Freital eine rechtsterroristische Vereinigung gebildet hat, neun Leute wurden deswegen verhaftet.
Trotzdem hat sich die Stadtverwaltung bisher nicht eindeutig gegen Rechtsextreme positioniert. Im Gegenteil. Im Februar ließ Uwe Rumberg, der Bürgermeister, über seinen juristischen Referenten ausrichten, dass die Stadtverwaltung das Konzert gegen rechts nicht unterstützen wird.
Die Veranstaltung würde „das leider überregional bei manchen eingebürgerte Klischee, gerade in Freital gäbe es eine nennenswerte (Neo)Nazi-Szene, bestätigen.“ Als der Druck der Öffentlichkeit zu groß wurde, lenkte Uwe Rumberg ein und genehmigte das Konzert doch.
Vier Stunden später auf dem Platz des Friedens in Freital: Khebez Dawle macht Soundcheck. Der Schotterplatz vor der Bühne ist leer, am Rande stehen einige Stände von Willkommensbündnissen. Die Polizei hat die Zufahrtsstraße gesperrt.
Uwe Rumberg, der Bürgermeister, betritt den Parkplatz vor dem Festgelände und schüttelt den Polizisten die Hand. Sein Gesicht wirkt gräulich. Im Dezember hat er Morddrohungen bekommen. „Rumberg töten“, stand auf einer Wand in Freital. Vieles deutet darauf hin, dass der Schriftzug aus der rechten Szene kam. Die Journalisten warten schon auf ihn. Rumberg schaut sie erschrocken an.
Warum wollten Sie das Konzert zuerst nicht unterstützen, Herr Rumberg?
„Meine oberste Aufgabe ist, dass der Stadtfrieden gewahrt bleibt. Deshalb möchte ich alle Veranstaltungen flach halten, die polarisieren.“
Welchen Zweck soll das Konzert jetzt erfüllen, Herr Rumberg?
„Dass es friedlich bleibt.“
Was noch?
„Dass sich Menschen zusammenfinden und nicht gegeneinander reden, sondern miteinander.“
Seine Referentin versucht, sich zwischen die Kameraleute zu schieben. Ein Journalist der ARD sagt: „Aber das wüsste ich schon noch gerne von Ihnen: Was kann das Konzert für Freital tun?“
Rumberg windet sich. „Dass das Negativimage, welches die Stadt unverdient bekommen hat, ein Stück weit beseitigt wird.“
Der Bürgermeister geht; er hat das Festgelände nicht einmal betreten.
Die Eritreer sind gekommen
Der Schotterplatz ist zu drei Vierteln leer, als Khebez Dawle anfangen zu spielen. Wenigstens die Eritreer sind gekommen, auf deren Unterkunft im September Sprengstoffanschläge verübt wurden. Sie wippen zur Musik. Drei blasse Jünglinge schwenken ihre schwarze Fahne und beginnen zu pogen.
Bashar Darwish greift sich das Mikrofon und dreht sich zu Anas. „Wie fühlt es sich an, diese Nazisache hier zu machen, obwohl sie dich hinauswerfen?“
„Ich hoffe, dass ich irgendwie bleiben kann“, sagt Anas ruhig.
„Es wird uns bald allen so gehen“, sagt Bashar. Alle Bandmitglieder wurden in Kroatien registriert. Sie werden wahrscheinlich demnächst Abschiebebescheide bekommen.
„Hey dude, keep on knocking doors“, singt Anas dann. „You may once get an answer.“ Sie spielen die Lieder ihres ersten Albums: Alive, A Delusion, In the streets. Sie haben es den Touristen in Griechenland in die Hand gedrückt, als sie dort im Sommer mit dem Schlauchboot angekommen waren. Als Entschuldigung dafür, dass sie illegal eingereist waren.
Besondere Energie
Jetzt sind sie einen Moment lang Rockstars. Auch noch im Bus, als sie über die Landstraße nach Dresden kurven. Linda schmiegt sich an Anas.
Rauchend warten sie in Dresden auf den Zug. Sie können die Pegida-Demonstranten hören, die vor dem Bahnhof die Deutschland-Hymne singen.
Als die Band um halb zwei nachts in einem türkischen Restaurant in Berlin sitzt und Schawarma isst, sagt Hikmat Qassar, dass er Freital schön fand. Aber dass er dort eine Energie spürte, die er nicht verstanden hat.
Vor eineinhalb Wochen gab es in der sächsischen Stadt wieder eine groß angelegte Aktion, bei das Rathaus und das Büro der Linkspartei beschmiert wurden. Außerdem wurden die Fenster in einer geplanten Flüchtlingsunterkunft eingeworfen. Wir sind noch da, lautete die Botschaft. Ob es die Rechten waren, sei ungewiss, meint der Bürgermeister.
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