piwik no script img

Syriens Opposition in ArabienAngst vor Assad auch in Beirut

Viele syrische Oppositionelle haben Zuflucht im Nachbarland gefunden. Frei äußern können sie sich auch hier nicht. Die Schergen des Regimes sind überall.

Demonstration gegen Präsident Bashar Assad vor der syrischen Botschaft in Beirut am 23. Oktober. Bild: dpa

BEIRUT taz | Auf der Straße vor der syrischen Botschaft im zentralen Beiruter Stadtteil Hamra warten täglich dutzende Syrer auf Dokumente oder Beglaubigungen. Durch das Fenster neben dem Eingang ist ein überlebensgroßes Foto des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu sehen.

Vor dem Gebäude stehen bewaffnete Männer in Zivil und beäugen die Wartenden. Die Stimmung ist gedämpft, doch sobald man mit Syrern einige Schritte beiseitetritt, gibt es für sie nur ein Thema: die Proteste in der Heimat.

"Die Nato hat Libyen geholfen, jetzt muss sie uns helfen", sagt ein junger Mann aus einer Gruppe von Studenten. "Die Nato wird das nicht tun, denn bei uns gibt es kein Öl", glaubt ein anderer. "Die Demokratie kostet Blut", sagt er düster. Ein anderer Student sagt, er sei heilfroh, im Libanon zu sein: "Wenn ich da wäre, würde ich auch auf die Straße gehen. Aber schon der Gedanke macht mir Angst."

Mit Sorge und Begeisterung werden im Libanon die andauernden Proteste gegen das Baath-Regime verfolgt. Syrische Exilanten sprechen meist von "der Revolution" und hoffen auf den baldigen Sturz von Baschar al-Assad, während andere libanesische Stimmen eine Destabilisierung des eigenen Landes fürchten.

Viele syrische Exilanten halten sich in der libanesischen Hauptstadt auf, Demonstrationen gegen Assad gab es hier trotzdem noch keine. "Jeder, der dazu aufriefe, wäre am nächsten Tag weg. Sie würden dich einfach umbringen", sagt einer der Studierenden. Der syrische Geheimdienst ist im Libanon überall präsent. Erst am vergangenen Freitag wurden drei syrische Dissidenten in Beirut entführt und verschleppt, internationale Medien haben seit Beginn der syrischen Proteste im Frühjahr insgesamt acht solcher Entführungen gezählt.

"Assad ist schlimmer als Hitler"

Eine Bäckerei außerhalb von Beirut wird von einer Gruppe von Exilanten betrieben, die alle schon vor dem Regime von Hafis al-Assad, dem Vater des derzeitigen Präsidenten, aus Syrien geflüchtet sind. "Assad ist schlimmer als Hitler", sagt einer der Bäcker, denn Assad "tötet sogar sein eigenes Volk". Sie warten auf den Moment, in dem sie endlich in ihr Land zurückkehren können, doch noch sei es zu gefährlich, noch seien die Proteste nicht stark genug. "Aber schon bald werden wir dich in einem freien Syrien begrüßen können", sagt einer.

Die Bäcker loben die türkische Regierung: Die gestattet der bislang recht kleinen Rebellenarmee "Free Syrian Army", sich auf türkischem Territorium zu formieren. Ihr Anführer, der abtrünnige syrische Offizier Riad al-Asaad, bat auf einer vom türkischen Außenministerium organisierten Pressekonferenz letzte Woche in der Türkei die internationale Gemeinschaft um Waffen. "Wir sind bereit, das syrische Regime in kurzer Zeit zu stürzen", sagte der Rebellenführer.

Im Libanon können nicht alle solchen Szenarien etwas abgewinnen. "Der Arabische Frühling hat der libanesischen Wirtschaft nicht genutzt", schreibt etwa die Beiruter Zeitung LOrient le Jour. Der Internationale Währungsfonds hat seine Wachstumsprognose für die libanesische Wirtschaft wegen der Unruhen in Syrien auf 1,5 Prozent im Jahr 2011 reduziert. 2010 lag die Rate noch bei 7,5 Prozent.

Vor allem der im Libanon überaus wichtige Finanzsektor fürchtet Kapitalflucht: "Die Unruhen in Syrien erhöhen das Risiko, dass sich Investoren zurückziehen und ihr Geld mitnehmen," so die Zeitung.

Bis 2005 hielt Syrien den Libanon als "Schutzmacht" besetzt. Bis heute übertritt das syrische Militär nach Gutdünken immer wieder die Grenze auf der Jagd nach Dissidenten, ohne dass es Konsequenzen zu fürchten bräuchte. Die mit Damaskus eng verbundene islamistische Hisbollah-Miliz ist derzeit die maßgebliche Kraft in der libanesischen Regierung.

Viele fürchten, dass der seit dem Bürgerkrieg fragile Frieden im Libanon zerbrechen könnte, wenn al-Assad stürzt. "Davor haben die Leute hier einfach Angst", sagt ein europäischer Diplomat in Beirut. Im Oktober hätte der Westen Libanon als das einzige arabische Land im UN-Sicherheitsrat gebeten, die UN-Resolution zu Syrien mitzutragen. Doch Libanon wage es nicht, sich gegen den übermächtigen Nachbarn zu positionieren. "Da war nichts zu machen", sagt der Diplomat.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • U
    umsaad

    ...wenn das der einzigste gedankengang ist?! als problemanalyse alles andere als ausreichend