Syrien-Tagebuch Folge 2: „Drei Jahre belagert“
Die Bevölkerung hungert, in Feuerpausen verschwinden Menschen. Und es gibt keine Hilfe. Ghouta bei Damaskus ist von der syrischen Armee abgeriegelt.
Sara stammt aus Ghouta nahe der syrischen Hauptstadt Damaskus, einer heftig umkämpften Region in der Hand von oppositionellen Gruppen. Heute lebt Sara als Flüchtling im Lager Zaatari im Norden Jordaniens. Im Folgenden berichtet sie, wie es ihren Verwandten in Ghouta ergeht.
Ich bin aus Ghouta, das seit drei Jahren von der syrischen Armee belagert wird. Die Leute dort bekommen keine Lebensmittel, keine Medikamente und keinerlei medizinische Behandlung. Sie essen jetzt Gras, es gibt kein Brot, und die Preise sind sehr hoch.
Mein Bruder ist verheiratet und hat einen Sohn, mein anderer Bruder hat vor Kurzem geheiratet. Sie machen mit ihrem normalen Leben weiter, aber immer noch unter der Belagerung und mit keinerlei Hilfe. Selbst die UNO ist nicht in der Lage, Hilfe reinzubringen, weil die Armee das nicht zulässt. Die Leute können das Gebiet auch nicht verlassen. Wer geht, wird sofort erschossen.
Der Mann meiner Schwester, ein Palästinenser, war alleine in Ghouta. Seine Frau und sein Sohn sind in der Hauptstadt, und er wollte Ghouta verlassen wegen des Hungers und weil er zu seiner Familie wollte. Als es hieß, die Straßen seien offen, hat er Ghouta mit all den anderen Leuten verlassen, die das auch geglaubt hatten. Er ist jetzt seit zwei Monaten vermißt. Keiner weiß, wo er ist.
Alltag in Deir ez-Zor, Syrien
Ich hoffe, dass alle Straßen für Zivilisten geöffnet werden, damit sie kommen und gehen können und die Leute Lebensmittel und medizinische Hilfe bekommen.
Die 18-jährige Tochter eines meiner Verwandten ist gestorben, weil es keine medizinische Hilfe für die Behandlung ihrer Krankheit gab. Ihr Blutzuckerspiegel war bedrohlich gefallen und sie kommten die dringend notwendigen Medikamente nicht beschaffen. Ihr Vater versuchte, seine Tochter aus Ghouta herauszubringen, notfalls auch alleine, aber sie ließen das nicht zu. Jedes Mal, wenn sie sagen, es gäbe eine „nationale Versöhnung“ (gemeint sind lokale Feuerpausen, d. Red.), versuchen Leute, Ghouta zu verlassen – aber sie verschwinden, und niemand weiß, wo sie sind.
Die Lage in Ghouta ist wirklich sehr schlecht, und ich hoffe, dass die Welt uns hilft, diesen Zustand zu beenden.
Quelle: Oxfam
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles