: Symbolisches Kriegsgeheul
■ Die Diktatur in Nordkorea leistet Offenbarungseid
Wer mit dem Teufel ein Bündnis eingeht und meint, daraus Vorteile zu ziehen, wird am Ende selbst vom Teufel geritten – so märchenhaft einfach erscheint die Schlußfolgerung aus der jüngsten Provokation des nordkoreanischen Verbrecherregimes für den Westen. Das letzte Mal hatte Pjöngjang ein eigenes Atomwaffenprogramm in Aussicht gestellt und für die Einstellung des wahrscheinlich nie existenten Programms den Gratisaufbau von zwei westlichen Atomkraftwerken ertrotzt. Mußte es sich da nicht geradezu anbieten, erneut das Maßlose zu betreiben, um sich anschließend handfeste Vorteile zu erhandeln? Tatsächlich sieht bei der eher symbolischen Aktion Pjöngjangs vieles nach Wiederholung aus. Wieder möchte das nordkoreanische Regime die US-Amerikaner zu direkten Verhandlungen zwingen, um einen Keil zwischen Washington und Seoul zu treiben. Als US-Präsident Clinton überraschend einen Südkoreabesuch für nächste Woche ankündigte, war die Zeit für eine unüberhörbare Antwort Pjöngjangs reif.
Doch der spektakuläre Waffenstillstandsbruch darf nicht als nordkoreanische Kriegssignal interpretiert werden. Dem stalinistischen Regime in Nordkorea bleiben nämlich paradoxerweise keine andere Mittel als die Drohung mit roher Gewalt, um die eigene Isolation zu durchbrechen. Längst ist Nordkorea auch in Asien ein Paria unter den Nationen. Jede weitere Drohgebärde kann deshalb nur als Offenbarungseid einer Diktatur gewertet werden, die in der Not keine Freunde mehr hat.
Wie groß die Not in Nordkorea wirklich ist, weiß niemand. Doch nach allen Erfahrungen mit ähnlich abgekapselten Diktaturen unterschätzen wir die Lage. Es ist nicht ausgeschlossen, daß sich hinter den undurchdringbaren Mauern Nordkoreas ein unerkannter Massen-Gulag verbirgt. Vor diesem Hintergrund hatte Amerikas Friedensbotschafter Jimmy Carter Pjöngjang vor zwei Jahren aus der diplomatischen Isolation befreit. Daß sich die nordkoreanischen Herrscher daraufhin bessern würden, hatte niemand erwartet. Dem Gulag müssen die Nordkoreaner eines Tages selbst ein Ende setzen. Bis dahin bleibt dem Westen keine Alternative zum Dialog mit Pjöngjang – auch auf die Gefahr hin, den Teufel damit länger als nötig am Leben zu halten. Georg Blume
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