piwik no script img

Swinging Bremen

■ Im Focke-Museum startet eine Reihe mit historischen Filmen über Bremen. Die Bremer Filmchronik wurde fortgesetzt

Es gibt nur wenige Filmbilder aus unserer Stadt. Die Kinofilme, die hier gemacht wurden, seit Murnaus „Nosferatu“ zwar in Bremen spielte, aber in Rostock und Lauenburg gedreht wurde, lassen sich an den Fingern einer Hand abzählen. Da kann man froh sein, wenn es ein paar historische Dokumentarfilme gibt. Unter dem Titel „Bremen in bewegten Bildern“ zeigt das Focke-Museum zusammen mit dem Landesfilmarchiv jetzt solche Raritäten.

Die einzelnen Filme werden zwar nur als Videos auf die Leinwand projiziert, und der Saal des Focke-Museums bietet alles andere als ideale Vorführbedingungen, dafür aber werden die Filme von den Museums-Mitarbeitern Diethelm Knauf und Heinz-Gerd Hofschen kompetent kommentiert. Heute Abend werden drei Städteporträts gezeigt: „Schlüssel zum Reich“ von 1938, „Irgendwann begegnen wir uns“ von 1955 und „Impressionen aus Bremen“ von 1968. Auffällig daran sei, so Knauff, dass es viel weniger Unterschiede zwischen den ersten beiden Filmen gibt als zwischen den letzten. Der im Dritten Reich gedrehte Film sei keinesfalls ein Propagandafilm, und in Motivwahl, Filmsprache und Grundton wäre eindeutig eine Kontinuität bis zum Film aus den Fünfzigern festzustellen. Hafen, Handel und Wandel, Rathaus und Roland – alles schön herausgeputzt und in Schwarzweiß. In den späten 68ern wollte man dann die Stadt modisch und in Farbe als „Swinging Bremen“ (Hofschen) verkaufen – es könnte also etwas zu lachen geben.

Die Veranstaltungsreihe ist bis zum Juni 2003 hin angelegt, und einzelne Vorführungen haben solche Titel wie „Reisen mit dem Nordeutschen Lloyd. Filme von 1930 bis 1960“oder „In Bremen wird nicht gehupt. Ein Verkehrserziehungsfilm aus den 30er Jahren“ .

Doch einige der gezeigten Bilder könnten einigen ZuschauerInnen bekannt vorkommen, denn Diethelm Knauf hat sie auch in seiner Filmchronik verwandt, die er seit einiger Zeit zusammen mit Ulrich Scholz in der Edition Temmen herausbringt. Gerade ist der dritte Teil „Vom Dritten Reich zum Wirtschaftswunder“ über die Jahre 1933-55 herausgekommen. Anders als in den vorhergehenden Teilen kann man sich darin kaum mit nostalgischen Gefühlen zurücklehnen. Gleich eine der ersten Einstellungen zeigt auf schönstem Farbfilm den sonnenbeschienenen Bahnhofsvorplatz, der kaum anders als heute aussieht – er ist nur voll ausstaffiert mit Hakenkreuzfahnen. Solche Schockeffekte gibt es in den 62 Minuten des Videos noch mehrere. Etwa in dem krassen Schnitt vom Sommervergnügen an der Weser (mit kleinem Hakenkreuzchen) zu den zerstörten Läden und brennenden Häusern der jüdischen Mitbürger in der so genannten Reichskristallnacht. Diesmal sind auch die kurzen Kommentare von Zeitzeugen wie dem Widerstandskämpfer Schorse Gumpert oder dem ehemaligen Senator Hans Stefan Seifriz prägnant und mit gutem timing eingeschnitten. Von Krieg- und Nachkriegszeit gibt es viel bisher unveröffentlichtes Material aus US-amerikanischen Archiven. Viele Luftaufnahmen vom Bombenkrieg und der fürchterlich zerbombten Stadt, die zeigen, dass kaum ein Stein noch aufrecht stand. Aber auch Bilder von G.I.s, die Donuts an die dürren Bremer Kinder verteilen. Von diesen ist es dann aber auch nur noch ein paar Sequenzen bis zu den fettigen Tellern und dicken Bäuchen der Wirtschaftwunderkinder, die scheinbar extra für die Kamera ein Wettessen zu veranstalten schienen. Es fehlen seltsamerweise der Borgward-Mythos und Elvis im Bremerhaven, aber die kennt man ja auch so schon zu genüge. Wilfried Hippen

Die Filmreihe „Bremen in bewegten Bildern“ heute Abend um 19.30 Uhr im Focke-Museum / Die Filmchronik „Bremen 1933-55“ heute um 17 Uhr und Donnerstag um 16 Uhr im Kino 46 zu sehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen