Sven Hansen über die 39 toten Migrant*innen aus Vietnam: Traum vom schnellen Wohlstand
Vietnam trauert um 39 Migrant*innen, die vor Kurzem bei der illegalen Einreise nach Großbritannien in einem Kühlcontainer starben und wohl alle aus dem südostasiatischen Land stammen. Auch die Regierung in Hanoi zeigt sich bestürzt und geht jetzt in den beiden mutmaßlichen Herkunftsprovinzen der Opfer verstärkt gegen Menschenschmuggler vor. Zehn Personen wurden bereits festgenommen. Es ist noch zu früh, um beurteilen zu können, ob Hanoi jetzt die illegale Migration wirklich wirksam eindämmt. Wahrscheinlich ist dies nicht.
Vietnam hat sich in den letzten Jahren wirtschaftlich rasant entwickelt und ist heute ein Land mit mittlerem Einkommen auf dem Sprung zum Industriestaat. Doch die Entwicklung verlief ungleich. So liegt das Durchschnittseinkommen in den beiden Hauptherkunftsprovinzen, die sich im nördlichen Zentrum des Landes befinden, bei nur einem Drittel der Boomregionen Saigon und Hanoi.
Für ganz Vietnam hat sich die Migration wegen der Rücküberweisungen der Ausgewanderten in die Heimat zur lukrativen Einkommensquelle entwickelt. Diese Einnahmen sind längst viel höher als die gesamte Entwicklungshilfe, die das Land bekommt. Der durch die Migration entstandene Wohlstand ist in den beiden Armutsprovinzen Ha Tinh und Nghe An unübersehbar in Form schmucker Häuser und schicker Mopeds. Die Migration wurde zum Sprungbrett für den Wohlstand ganzer Familien. Diese legen denn auch oft zusammen, um bis zu 40.000 Euro an die Menschenschmuggler zu zahlen. Ganze Dörfer wetteifern so um den sozialen Aufstieg und seine Statussymbole.
Zwar gibt es auch begrenzte legale Formen der Migration wie das deutsche Anwerbe- und Ausbildungsprogramm für vietnamesische Pflegekräfte. Aber die Arbeit in Nagelstudios und vor allem in illegalen britischen Cannabisplantagen verspricht bei allen Risiken schnelleren Wohlstand. Solange dieser bei der Migration vor Sicherheit geht, werden sich Fälle wie der mit den 39 Toten im Lkw leider wiederholen.
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