: Sushi zum Frühstück
Die 80er-Jahre sind wieder in. Zumindest bei RTL und Pro 7, die samstags je eine Show ins Rennen schicken, um an die vergessene Dekade zu erinnern
von JENNI ZYLKA
Angeblich konnte man früher bei großen TV-Ereignissen ungehindert sämtliche Banken, Läden und Gemäldegalerien der Stadt ausräubern. Die Straßenfeger bannten die Leute vor die Glotze, und zwar in kollektiver Begeisterung. Aber diese Sendungen sind so vorbei wie Pumphosen. Heute gibt es auf jedem Sender Shows, die anscheinend jeder moderieren darf. Hin und wieder kommen sogar Pumphosen drin vor.
Der RTL-Grinsekäfer Oliver Geissen, der sich als Talker für die niveauvolle Samstagabendunterhaltung qualifiziert hat, empfängt seit einiger Zeit Gäste in seiner „80er Show“, einer merkwürdigen Mischung aus überkandideltem, seltsam unchoreografiertem Gekicher und Show-Elementen wie Gesprächen, Acts und 80er-Archiv-Einspielern. Die No Angels sitzen bei ihm auf dem Sofa und haben sich als Bananarama, Cindy Lauper und so weiter verkleidet: Es geht um das Jahr 1984, in dem die stetig gickernden Grazien gerade mal drei bis fünf waren. Darum hat Geissen noch Atze Schröder eingeladen, denn der ist immerhin in einem Alter, das ihn die 80er so schmerzhaft wie bewusst miterleben ließ, und darum sozusagen Fachmann.
Weil in jeder Show ein anderes Jahr im hohlen Schnelldurchlauf Revue passieren darf, braucht man sich keine Sorgen zu machen, dass es nie zu Ende gehen wird: Spätestens bei 1989 müssen sich die RTL-Produzenten schwer überlegen, ob sie noch eine Staffel „90er-Show“ mit „typischen 90er-Accessoires“ vollbekommen. Alles hat eben ein Ende, auch die 80er-Nostalgie.
Noch ein No Angel
Mehr in die 70er, und damit eine Zielgruppe drunter versucht Thomas Hermanns seit Samstag mit seinem Popquiz „Popclub“ auf Pro 7 zu reisen. Obwohl er mit seiner Gästeauswahl wahrscheinlich sogar auch die umschwärmten 14- bis 29-Jährigen kriegen könnte: Schon wieder sitzt ein No Angel da, Sandy, das ist die Blonde, Element Wasser (aber über die Element-Idee redet ja keiner mehr), neben ihr der „Blondes Gift“-Host Barbara Schöneberger, die in Interviews so viel und über so viel lacht, dass man sich manchmal Sorgen macht, ihr Gebiss könne herausfallen oder irgendwelche Äderchen könnten platzen.
Sonya Kraus, nach Pro-7-Definition ebenfalls Moderatorin (und nach dem Popclub mit ihrer eigenen „Sendung“, „TalkTalkTalk“, dran), schließt die Blondengruppe, das „Team Barbara“ ab. Die Gegenspieler, das „Team Dirk“ besteht aus Dirk Bach, Ingo Appelt und Nils Bokelberg. Die Idee mit den Popfragen ist charmant und erinnert außer an das eingestellte „Haste Töne?“ auf Vox, bei dem die KandidatInnen eingespielte Songs erkennen mussten, an das in Großbritannien schon seit Jahren erfolgreiche Popquiz mit Suggs, dem Sänger von Madness in der Runde.
Genau wie bei der 80er-Show fällt auf, dass die Gäste bzw. KandidatInnen dermaßen gut gelaunt und überkandidelt agieren, als ob man ihnen vorher fünfzehn Happy-Trips eingeschmissen hätte. Was wohl vor allem daran liegt, dass alles Medienprofis sind. Die Teams müssen Bands erkennen („Edler Stoff in der U-Bahn?“ – „Velvet Underground!“), singen beim „Killer-Karaoke“ neue Texte zu alten Melodien („Suuuuuuushi zum Frühhhhhstück“ zu „Smoke on the water“) und gickern ansonsten mit dem gut meinenden Thomas Hermanns im Takt.
Eine harmlose Show, vergänglich und süß wie Marshmellows, bei der man sich allerhöchstens fragt (genau wie bei Geissens 80er-Gimmicks), wie freudlos das Leben der Menschen sein muss, die solche Sendungen als Samstagabendamüsement benutzen. Aber echte Straßenfeger – die gibt’s eben nicht mehr.
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