Susanne Knaul über den Streit um die Grabeskirche in Jerusalem: Unbedacht Unruhe provoziert
Das Geschäft mit den Pilgern in Jerusalem boomt. Allein im Januar kamen fast 800 Gruppen aus dem Ausland in die Stadt, in der Jesus am Kreuz starb. Wer kann es Jerusalems Bürgermeister Nir Barkat verdenken, wenn er die voll besetzten kirchlichen Hospize und Cafés sieht und gern ein Stück abhätte von dem profitablen Geschäft mit den Touristen. Eigentlich gibt es keinen Grund, die Kirchen nicht zu besteuern. In anderen Ländern geschieht das auch. Dass die Pilgerstätten im Heiligen Land von den städtischen Abgaben befreit blieben, hat Barkat den osmanischen Herrschern zu verdanken. Seit über 100 Jahren schon verzichteten zuerst die Türken, dann die Briten, die Jordanier und zuletzt die Israelis darauf, die Kirchen zu besteuern. Den Status quo nach so langer Zeit und so plötzlich, ohne jede Absprache mit den Christen zu verletzen konnte nicht gutgehen.
Die Kirchen genießen – das haben sie in den vergangenen Tagen unter Beweis gestellt, als sie gemeinsam die Grabeskirche verschlossen hielten – großen politischen Einfluss. Israels Regierungschef agierte also weise, dem Protest der Christen rasch nachzugeben. Die Grabeskirche ist nicht nur für das kirchliche Geschäft mit den Pilgern von unschätzbarem Wert, sondern auch für Israel. Netanjahu wird zudem um die Beziehungen zum Vatikan bemüht gewesen sein, der über den Streit in Jerusalem sicher nicht glücklich war.
Der Gesetzentwurf ist allerdings auch nicht anders denn als haarsträubend zu bezeichnen. Die dafür zuständige Abgeordnete Rachel Asaria wünscht sich die Möglichkeit, bei seit 2010 verkauften kirchlichen Immobilien rückwirkend die neuen Eigentümer zu enteignen. Zweierlei Maß für Juden und Christen im Land: Das widerspricht dem heiligen Grundsatz der Gleichheit der Religionen. Asaria hätte klar sein müssen, dass sie mit ihrer Forderung spätestens am Obersten Gerichtshof scheitern würde. Völlig umsonst sorgte sie mit ihrem unüberlegten Gesetzentwurf bei den Christen im Heiligen Land für böses Blut.
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