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■ SurfbrettDas plötzliche Schweigen der Grünen

Auf das, was sie „Streitkultur“ nennen, sind die Grünen zu Recht stolz. Leider vergessen sie ihre größte Tugend, sobald sie sich im Internet bewegen. Ihre offizielle Website hat sich inzwischen zu einer Art Devotionalienhandelfür allerlei Dokumente, Broschüren und Regierungserklärungen gemausert. Vieles davon ist informativ, aber das heftig umstrittene Papier der 40 jungen Rebellen aus diesem Frühjahr wird man vergeblich suchen. Warum schämen sich die Günen ausgerechnet für dieses beispielhafte Dokument eines Konflikts, der weit über ihren eigenen, engen Parteirahmen hinaus bedeutsam ist? Offenbar haben die Webmaster die Order bekommen, die Strukturreform der Partei schon mal vorwegzunehmen. Wenn der Vorstand spricht, schweigen die unteren Ränge. In diesem Sinne ist Anfang des Jahres das Diskussionsforum umgebaut worden, das bislang anzeigte, dass die Grünen das Internet doch nicht ausschließlich als Propagandalautsprecher missverstehen. (www.gruene.de/ forum.htm) Es war zwar nicht sonderlich rege besucht, enthielt aber doch etliche lesbare Beiträge zu Grundsatzfragen. Natürlich ging es keineswegs immer politisch korrekt zu. Am ersten Januar meckerte einer, dass im Wahlprogramm das Wort „Frau“ viel zu oft vorkomme. Danach war das alte, allgemein zugängliche Forum geschlossen. Das neue sieht bisher nur zwei Themenbereiche vor, nämlich die Frauen- und die Europapolitik. Auch wer eigentlich nur bei Andrea Fischers Gesundheitsreform nachfragen möchte, muss sich dazwischen entscheiden – und seine Meinung wahrscheinlich für sich behalten. Kein Wunder deshalb, dass die Debatten im neuen Format einsilbiger geworden sind. Lediglich die Frauen schafften es, ein paar Briefrunden lang an einem Thema zu bleiben. Doch auch dieses Aufflackern ist erstickt. Die jüngsten Beiträge stammen aus diesem Frühjahr. Im Europaforum waren Anfang April die ersten bösen Briefe gegen den Einsatz deutscher Soldaten im Kosovo eingegangen. Antworten sind keine mehr zu lesen. Das Forum schwieg beharrlich. Erst am dritten Oktober hat sich ein einsamer Münchener wieder zu Wort gemeldet. Er schreibt, mit der Vertreibung von Roma und Sinti aus dem Kosovo sei die Glaubwürdigkeit der Grünen nun endgültig zerstört.

niklaus@taz.de

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