: Superman am Boden
Differenz, Macht und Erniedrigung gegen Poesie, Clownerie, Maskerade und sardonischen Witz: Der US-amerikanische Künstler William Pope L. richtet der Kunsthalle Wien einen „Trophy Room“ ein
VON JAQUELINE RUGO
Superman ist zurück. Nicht nur in der kineastischen Wiederauflage des fliegenden Helden in der aktuelle Verfilmung „Superman Returns“. Auch das Wiener Museumsquartier wirbt in einer reißerischen Plakatserie mit dem Idol der Dreißigerjahre. Ein bisher Unbekannter kämpft für das kulturelle Angebot im Allgemeinen und das des Museumquartiers im Besonderen. Der „MQ-Man“ ringt mit mozartperückten Gegnern, wechselt hinter Verschlägen heimlich seine Jeans gegen Latex oder gefällt sich, unbeeindruckt von der schlafenden Schönheit neben ihm, in der Rolle eines ausdauernden Vorlesers.
Bereits vor vier Jahren erkannte William Pope L. die Zeichen der Zeit und schlüpfte im Auftrag der Biennale des Whitney-Museums in das Kostüm des unverwundbaren Helden. Doch anstatt durch die Lüfte zu sausen, wo man den überlegenen Blick hat auf all das, was schlecht ist in der Welt, kroch er über das Trottoir, über den Schmutz der Straßen, vorbei an staunenden und schimpfenden Passanten. Sein in ein enges Trikot eingeschweißter Körper wand sich über den Asphalt, er krabbelte auf allen Vieren und kam nur mühsam voran.
Die Inkarnation des Unbesiegbaren war vom Himmel gestürzt und machte sich auf den langen Weg von der Freiheitsstatue über den Broadway bis hoch in die Bronx, vorbei auch am Ground Zero, dem Ort des Grauens, des Zusammenbruchs und der Helden. „The Great White Way (22 miles, 7 years, 1 street)“, ist eine der längsten der sogenannten „crawls“, mit denen der 1955 in Newark, New Jersey geborene Künstler zu provozieren weiß: Schleppt sich da einer alias Jesus Christus/alias Superman durch den Staub? Beschmutzt er das Bild vom „American Heroe“? Oder belebt er das Epos vom Helden, der sich selbstlos unwürdigen Strapazen aussetzt?
Die Wiener Kunsthalle zeigt zurzeit in ihrem „project space“ am Karlsplatz Werke des Künstlers. William Pope L., der sich selbst als „The Friendliest Black Artist in America“ bezeichnet, bewegt sich mit seinen Installationen und Performances in einem Umfeld von Allegorie und Illusion, von paradoxer Intervention und der Unmöglichkeit, Widersprüche aufzulösen. Im Versuch, schwarze Identität zu umschreiben, überzeichnet er bestehende Bilder und Vorstellungen. Ähnlich wie ihn die Verwandlung des weißen, übermenschlichen Heroen in eine schwarzhäutige, auf dem Boden kriechende Figur interessiert, thematisiert er in seinem 1998/2004 entstandenen Video „A Negro Sleeps Beneath the Susquehanna“ das Bild des „wilden“ Schwarzen.
Hier präsentiert sich Pope L. in klischeehafter Verkleidung mit Lendenschurz und Gummistiefeln und tanzt einen scheinbar rituellen Tanz. Er hält einen Tisch in der Hand, der mit Mehl bedeckt ist. In langsamen Bewegungen verschüttet er das Mehl und bestäubt sich dabei selbst. Die groteske Handlung provoziert die Erinnerung an eine rituell-alchemistische Handlung, die die Verwandlung von Schwarz in Weiß zum Gegenstand haben könnte. Das Video ist eine von vier in der Ausstellung dokumentierten Performances von William Pope L.. Im „project space“ der Kunsthalle werden die Filme in kleinen Fernsehern zwischen Sesseln, Sofakissen in einer Art Wohnzimmeratmosphäre präsentiert.
Die zentrale Installation der Ausstellung ist jedoch „Trophy Room“, ein Raum, den Pope L. speziell für die Wiener Schau kreiert hat. Es ist ein rechteckiger Holzverschlag, der an zwei Seiten durch niedrige Eingänge betreten werden kann. Nach außen wird groß in roten Lettern auf Gelb angekündigt, was es angeblich im Inneren zu sehen gibt: Trophies, Trophäen. Die Kuratorin Sabine Folie bezeichnet den Raum im begleitenden Katalog als eine „Spielhölle“ und ein „Kuriositätenkabinett“. In Wirklichkeit betritt der Besucher jedoch einen Verschlag, dessen Boden mit Abfallmaterialien, Farbeimern, mit Erdnussbutter gefüllten Trögen und entleerten Schraubgläsern übersät ist.
Von den Wänden hängen zerstückelte Stofftiere, Elefanten und Giraffen, deren Watteinnereien aus den zerfetzten Körpern quillen und vom Pope mit einer Mischung aus Erdnussbutter und Öl beschmiert wurden. Durch den Gärungsprozess wird der Raum von einem unangenehm süßlichen, modrigen Gestank erfüllt. Gänzlich ratlos macht der über eine gesamte Raumlänge auf die Wand geschriebene Satz: „Franz Josef liebte es zu jagen, Georg Bush liebte es zu jagen, alle lieben zu jagen, aber niemand will gefressen werden.“
Pope L.’s pseudomilitärische Robbübungen im Superman-Anzug waren Spiegel seiner Gesellschaftstheorie, die auf dem Kontrast von Vertikalität und Horizontalität der Machtverhältnisse beruht, und waren damit in einem Spannungsfeld zu lesen, das sowohl Differenz, Macht und Erniedrigung thematisiert, wie deren Gegenstrategien: Poesie, Clownerie, Maskerade und sardonischer Witz. Dagegen wirkt „Trophy Room“ einfach abgeschmackt und weit entfernt von Pope L.’s Anspruch, das „Dilemma der schwarzen Identität zu beschreiben“.
Bis 5. Oktober