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Superheldin Sailor MoonKämpfen wie ein Mädchen

Vor 25 Jahren lief die Anime-Serie Sailor Moon zum ersten Mal in Japan. Für ihre Fans ist sie mehr als eine niedliche Manga-Figur – und so aktuell wie nie.

Das überzeichnet feminine Outfit der Sailor-Kriegerinnen könnte für „Weiblichkeit als Waffe“ stehen Foto: imago/United Archives

„Sag das Zauberwort und du hast die Macht, halt den Mondstein fest und spür die Kraft, du kannst es tun, oh Sailor Moon“ – unter den nach 1980 geborenen Millennials gibt es wohl kaum jemanden, der das ohrwurmverdächtige Happy-Hardcore-Intro der Zeichentrickserie „Sailor Moon“ nicht kennt.

Am Dienstag vor 25 Jahren startete die Anime-Serie im japanischen Fernsehen. Drei Jahre später flimmerte Sailor Moon erstmals im ZDF durch deutsche Wohnzimmer und löste einen regelrechten Hype aus, der bis heute andauert. Zusammen mit Plateauschuhen, H. P. Baxxter und Lavalampen wurde „Sailor Moon“ zum Symbol der 1990er. Ihren Fans geht es jedoch um viel mehr als Nostalgie.

„'Sailor Moon'ist mein Leben!“, antwortet Anne Lee verständnislos auf die Fragen, warum sie auch nach 25 Jahren noch Fan ist. Die 32-jährige US-Amerikanerin führt den „Sailor Moon“-Fanblog „Shojo Power!“ und ist seit ihrer Kindheit „Moonie“, wie sich die Fans selbst bezeichnen.

Die Anime-Serie, die auf der Erzählung der japanischen Manga-Autorin Naoko Takeuchi basiert, handelt von der 14-jährigen Usagi „Bunny“ Tsukino, die eines Tages von der sprechenden Katze Luna erfährt, dass sie die auserwählte Kriegerin Sailor Moon ist und fortan mit ihren Freundinnen für Liebe und Gerechtigkeit gegen das Böse kämpfen muss.

Anne Lee faszinierte die Geschichte so sehr, dass sie im vergangenen Jahr sogar ihre Hochzeit unter einem „Sailor Moon“-Motto feierte. Auf ihrem Blog findet man Bilder von Mondsteinkrönchen, Sailor-Brautjungfern und dem Herz-Zepter der Mondprinzessin neben ihrem Brautstrauß.

Im Namen des Mondes

„Das Geheimnis von ‚Sailor Moon‘ war und ist, dass starke Mädchen im Vordergrund stehen. Man kannte im Westen bis dahin vor allem männliche Superhelden wie Batman oder Superman. ‚Sailor Moon‘ war anders, auf einmal waren Mädchen nicht mehr schwach und mussten gerettet werden, nein, sie haben andere gerettet!“, erklärt Stavros Koliantzas das Erfolgsrezept der Serie.

Der 25-jährige Österreicher gründete 2009 die Faninitiative „Sailor Moon German“, die mittlerweile mit einem Team aus dreißig Mitarbeitern zu den größten ihrer Art in Deutschland zählt. „Im Namen des Mondes informieren wir euch!“, verspricht der von ihnen geführte Newsblog in Anlehnung an „Sailor Moons“ typische Kampfansage. Sie organisieren Conventions und Fan-Treffen, ihre Reichweite liegt aktuell bei etwa 40.000 Fans im deutschsprachigen Raum.

„Jeder von uns ist Vollblutfan, wir wollen die Begeisterung für ‚Sailor Moon‘ an die nächste Generation weitergeben“, formuliert Stavros Koliantzas sein Anliegen. Wenn er über ‚Sailor Moon‘ spricht, klingt das fast ein bisschen religiös: Er beschreibt Werte wie Liebe, Freundschaft und Gerechtigkeit, die ihm von der Serie vermittelt wurden. Gleichzeitig verhandele die Serie ernsthafte Themen wie Tod und Wiedergeburt. Für ihn ist klar: „‚Sailor Moon‘ ist keine Kinderserie, da steckt viel mehr dahinter.“

Dass „Sailor Moon“ für westliche Vorstellungen tatsächlich den Rahmen einer klassischen Kinderserie sprengte, machte die prüde Adap­tion der Serie in den USA deutlich. Im japanischen Anime sind „Sailor Moons“ Freundinnen Neptun und Uranus ein lesbisches Paar – nichts Ungewöhnliches in Animes, die Homosexualität meist selbstverständlich thematisieren. In der amerikanischen Synchronisation wurden die beiden als Cousinen ausgegeben und ihre Beziehung somit „entschärft“.

Auch das Thema Transgender wird gestreift, als Sailor Moon die vermeintliche Boyband der „Sailor Starlights“ anhimmelt. Diese sind aber eigentlich Frauen und nehmen nur, sobald sie die Erde betreten, männliche Gestalt an. Als Sailor Moon dies herausfindet, hinterfragen sie und ihre Freundinnen die eigene Heterosexualität und was es bedeutet, wenn der Körper einer Person nicht mit den Erwartungen an das soziale Geschlecht übereinstimmt.

„Sie ist nicht perfekt und rettet trotzdem die Welt“

Mit solchen Themen und einer feministischen Lesart von „Sailor Moon“ beschäftigt sich Anne Lee ebenfalls auf ihrem Blog. Für Anne Lee ist Sailor Moon eine Identifikationsfigur, die für Empowerment steht. Dabei ist Sailor Moon nicht die erste weibliche Superheldin. Wonder Woman wurde von DC-Comics bereits in den 1940ern erfunden.

Anne Lee sieht aber einen entscheidenden Unterschied: „Wonder Woman ist schön, stark und selbstbestimmt. Sailor Moon hingegen ist schusselig, schlecht in der Schule und oft ängstlich. Ich hatte als Kind oft das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Deshalb kann ich mich mit Sailor Moon identifizieren, sie ist nicht perfekt und rettet trotzdem die Welt.“

Stavros Koliantas sieht noch einen weiteren Grund, warum sich so viele unterschiedliche Menschen mit der Serie identifizieren: „Der Vorteil ist, dass man sich nicht nur mit Sailor Moon identifizieren kann, sondern mit neun weiteren Sailor-Kriegerinnen, da gibt es die Schüchterne, die Toughe, die Burschikose …“

Dieses Konzept, das sich in der Popmusik der Zeit etwa auch bei den Spice Girls wiederfindet, war für viele Mädchen identitätsbildend. Und auch wenn zugegebenermaßen die meisten Männer in der Serie Bösewichte sind, so gibt es doch zumindest auch ein männliches Vorbild.

Tuxedo Mask, Sailor Moons Freund und späterer Ehemann, ist eine zentrale Figur der Erzählung. Er unterstützt sie und hilft ihr manchmal aus der Patsche. Dennoch bleibt sie die starke Heldin, die allein die Welt rettet.

Problematisches Körperbild, Rassismus und Sexualisierung

„Tuxedo Maske nimmt die unterstützende Rolle ein, die klassischerweise der Frau in Superhelden-Geschichten zugeschrieben wird“, erklärt Anne Lee. „Was ich an ihm liebe, ist, dass er Jungs und Männern sagt: ‚Es ist okay, deine Freundin oder Frau zu unterstützen. Es ist keine Schande, auch einmal die Unterstützerrolle einzunehmen.‘“

Bei allen positiven Aspekten darf man „Sailor Moon“ jedoch auch nicht ganz unkritisch betrachten. Auf ihrem Blog „Shojo Power!“ beschäftigt sich Anne Lee daher auch mit Themen wie dem Körperbild, das die spindeldürren, stets auf ihr Äußeres bedachten Sailor-Kriegerinnen vermitteln, mit Rassismus und Vorherrschaft der Weißen, da das Böse klassischerweise als „schwarz“ oder „dunkel“ dargestellt wird, und der Sexualisierung der Heldinnen. Wenn sich diese nämlich von normalen Schulmädchen in Kriegerinnen verwandeln, schrumpfen ihre Röckchen auf ein Minimum, ihr Kampfoutfit besteht aus High Heels und Nagellack.

Auf den zweiten Blick lässt sich das überzeichnet feminine Outfit jedoch auch im Sinne von „Weiblichkeit als Waffe“ lesen: Sailor-Kriegerinnen kämpfen mit Zauberstäben und glitzernden Diademen. Sie müssen nicht mit „typisch männlichen“ Waffen kämpfen, sondern haben ihre eigenen, femininen Superkräfte, die genauso cool sind. „‚Sailor Moon‘ möchte zeigen, dass es in Ordnung ist, eine Frau zu sein, und dass Weiblichkeit nichts mit Schwäche zu tun hat“, interpretiert Anne Lee diese Darstellung.

Dass es durchaus eine Wirkung hat, wenn sich Frauen zusammentun und ihre Macht nutzen, hat der internationale Women’s March zur Vereidigung des neuen US-Präsidenten gezeigt. Auch Anne Lee ging an diesem Tag auf die Straße – selbstverständlich im „Sailor Moon“-Kostüm mit blonder Perücke und blau-weißer Matrosen-Schuluniform. Sie war nicht die Einzige. „Fight like a girl“ – kämpfe wie ein Mädchen! – stand auf den Schildern ihrer Mitstreiterinnen.

Für Anne Lee sendet „Sailor Moon“ daher auch eine politische Botschaft: „Die US-Wahl hat gezeigt, dass die US-Bürger lieber einen unerfahrenen, emotionalen Mann an der Spitze sehen wollen, als von einer kompetenten Frau regiert zu werden. ‚Sailor Moon‘ ist die mächtigste Frau des Universums und kämpft für Liebe und Gerechtigkeit. Für mich zeigt sie, dass Frauen Machtpositionen besetzen können und müssen. Deshalb ist ‚Sailor Moon‘ für mich heute aktueller als je zuvor.“

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1 Kommentar

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  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    „Die US-Wahl hat gezeigt, dass die US-Bürger lieber einen unerfahrenen, emotionalen Mann an der Spitze sehen wollen, als von einer kompetenten Frau regiert zu werden."

     

    53% der Stimmen waren für Clinton, oder?

    "Kompetent" war Clinton aber nicht, als sie den Emailverkehr des Aussenministeriums über einen Server in ihrem Badezimmer hat laufen lassen. Ganz "kompetent" hat sie einen schmutzigen internen Kampf gegen Sanders geführt. Mit Unternehmensspenden ein breit organisiertes soziales Netzwerk unterdrückt. Und ganz nebenbei Trumps Wahlkampfleiterin jede Menge Waffen gegen die eigene Partei und die eigene Kandidatur geliefert.

    Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde.