Neues Buch „Trotteln“: Superhelden sind so
Robert Seethaler und der Zeichner Rattelschneck haben ein Buch gemacht. Es ist gepflegter Unsinn auf jeder Seite.
Ein Star sei natürlich auch ein Held. Das stellt Robert Seethaler, der Starautor, am 29. März fest und merkt an, es sei beleidigend, das anders zu sehen. Als Held bekommt er dann von Rattelschneck ein Cape verpasst mit den Initialen R. S. Natürlich. Superhelden haben so etwas. Auch der Tranquilizer, der Superheld, der so langweilig ist, dass seine Gegner umgehend einschlafen, wenn sie ihm begegnen.
Anfang Januar hat Seethaler diesen einschläfernden Helden erfunden. „Kannst du ihn zeichnen?“, fragt er Marcus Weimer in einer Nachricht am 12. Januar um 15.38 Uhr. Um 18.10 Uhr liefert Weimer einen typischen Rattelschneck. Das ist der Name, unter dem er als einer von zwei Künstlern seine Witze veröffentlicht in der Süddeutschen Zeitung zum Beispiel, aber auch bisweilen in der taz.
Klar, kann er Tranquilizer zeichnen und liefert einen Witz: Da hält ein Typ in der bekannten Rattelschneck-Optik – Riesenschädel, der ohne Hals auf dem Körper sitzt – zwei Bälle in den Händen und denkt sich, dass das doch jetzt ganz lustig wäre, wenn der mausgraue Tranquilizer seinen Mund aufmachen würde, damit er die Bälle reinwerfen kann. Daraus wird nichts. Er schläft ein.
Was das soll? Nichts natürlich. Und das ist ja auch gut so. Und tut dem Star vielleicht mal ganz gut. Anfang Februar fragt er: „Geht es dir als zeichnend gelesene Figur auch so wie uns als schriftstellernd gelesene Personen – man wird dann doch immer irgendwie falsch gelesen?“ Auch hier folgt die zeichnerische Antwort prompt. R. S. muss mit ansehen, wie ein Leser ein Buch von ihm „auf Arabisch von hinten nach vorne“ liest.
Der Lektor mischt mit
„Trotteln“ heißt das Werk, das die beiden Künstler da aus ihrem Mailwechsel zusammengescharrt haben und das Seethalers Verleger Karsten Kredel bei Ullstein seinem literarischen Superhelden, dessen Bücher („Der Trafikant“, „Ein ganzes Leben“ oder zuletzt „Das Café ohne Namen“) in über 40 Sprachen übersetzt sind, wie es im Klappentext heißt, hat durchgehen lassen. Aber einmischen möchte sich Kredel schon, schließlich war er schon Seethalers Lektor, als der noch bei anderen Verlagen veröffentlicht hat. Seethaler kennt ihn gut.
„Mein Verleger hat keine Brille. Er hatte mal eine, hat sie aber verlegt“, schreibt er am 20. April. Davor berichtet er Weimer, dass der Verleger meinte, das Buch sei gut und müsse gemacht werden, „aber anders. Hat von Dramaturgie gesprochen. Ich meine auch ‚Struktur‘ verstanden zu haben.“ Am 21. April gibt es dann die Zeichnung zu der Anweisung Seethalers: „Marcus Weimer und Robert Seethaler machen unter den schwächlichen Augen des Lektors, was sie wollen.“ Die Verlegeraugen sind dann sehr groß und schwächeln doch.
Was das alles soll? Vielleicht gar nicht so viel. Immerhin wissen die Rezipienten am Ende, dass Seethaler mit Trotteln den österreichischen Plural von Trottel meint und Weimer jene Zierknoten, die in einzelne Fäden ausfransen und vornehmlich Vorhänge zusammenhalten. Das ist doch schon mal was.
Was dabei herauskommt, wenn Seethaler selbst zum Zeichenstift greift, ist auch zu sehen in den „Trotteln“. Weil er es schier nicht mehr auszuhalten scheint, dass ihn Weimer immer wieder beinahe haarlos darstellt, zeichnet er sich selbst „mit Frisur von Marcus Weimer“, mit dessen wuchernder Haarpracht wohl kaum ein Mensch auf Erden konkurrieren kann.
Robert Seethaler, Rattelschneck: „Trotteln“. Ullstein Verlag, München 2025,
112 Seiten, 24,99 Euro
Ist er gar eitel, der Superstar? Weit gefehlt! Am 5. Januar schickt Weimer R. S. eine Nachricht mit der Frage: „Hast du irgendwo Spiegel-Bestsellerliste als Plakat hängen wie eine Bekannte von mir auf Klo?“ Seethalers Antwort lässt nur zwei Minuten auf sich warten: „Da ich nach 35 Wochen nur mehr Nummer sieben bin, interessiert mich das nicht. Wäre ich Nummer sieben nach 350 Wochen, würde ich sie mir vielleicht aufhängen. Aber nur im Wäscheschrank.“
So ein Blödsinn, mag man sich denken. Soll man wohl auch. Ob es um Schweinchen Dick und Hähnchen Cock, „den Pornostar unserer Zeit“, geht, um Ovid und Long Ovid („einer unangenehmer als der andere“) oder den Berg, der sich auf den Weg aus dem Gebirge macht, weil er ein Date mit „Glaube“ hat; der gepflegte Unsinn schmückt jede Seite. Wie gut, dass sich die beiden mal in einer Kneipe getroffen und sich danach Nachrichten geschickt haben, einfach nur, um Unsinn zu fabrizieren!
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