: Summklick, summklick, summklick
■ Der „Jekyll & Hyde“-Star Ethan Freeman gönnte sich und seinen VerehrerInnen ein ganz ordentliches Jazzkonzert
Wenn Ethan nicht da war, wurde im Fotoalbum geblättert! Es war schon ein besonderes Publikum, das sich jetzt im oberen Foyer des Musical-Theaters einfand, um noch einmal Ethan Freeman auf der Bühne zu erleben. Viele weibliche Fans hatten nur Augen für ihn, hingen an seinen Lippen, fotografierten ihn en masse und lautstark und wirkten etwas ratlos, wenn „nur“ die Band auf der Bühne einen soliden, neoklassizistischen Jazz spielte. Dann sah eine Dame etwas gelangweilt auf ihre „Jekyll & Hyde“-Armbanduhr. Einige waren aber wohl auch da, um Jazz zu hören: Immerhin waren mit Rolf Kühn und Till Brönner zwei der renommiertesten deutschen Musiker gekommen. Eine seltene Mischung also vor der Bühne, und genauso seltsam entwickelte sich auch das Konzert.
Ethan Freeman ist bei dem Musical Theater Bremen so wohlgelitten, dass man es ihm hier gerne ermöglichte, einen seiner Wünsche zu erfüllen und einmal ohne Verkleidung in Bremen zu singen. Man ließ sich nicht lumpen, und neben Kühn und Brönner wurde mit dem Trio des Pianisten Claes Crown eine vielseitige Rhythmusgruppe engagiert. Diese spielte dann, zuerst alleine, dann mit Kühn, mit Brönner und schließlich beiden zusammen, einen etwa eine Stunde langen, angenehm zu hörenden Set mit Standards wie „Lover Man“ und „Bye Bye Blackbird“ oder auch mal solch einem musikalischen Spaß wie das Thema von „Fred Feuerstein“ in Rekordtempo. Der Veteran Rolf Kühn spielte mit souveräner Routine und warmem Ton die Klarinette, der hippe Jungstar Till Brönner etwas verwegen, verspielter das Flügelhorn – alles sehr schön, aber wo blieb denn nun Ethan Freeman?
Der kam erst nach etwa einer Stunde auf die Bühne, summklick, summklick, summklick gingen die kleinen automatischen Taschenkameras, und musikalisch schalteten die Routiniers gleich ein paar Gänge herunter. Denn Ethan Freeman ist ein gut ausgebildeter Musicalsänger, der sicher auch viele Stunden Jazzgesang studiert hat, aber das macht noch längst keinen Jazzsänger aus. Das weiß Freeman natürlich selbst. So versuchte er erst gar nicht, durch virtuose Scat-Gesänge oder Improvisationen zu beindrucken. Er sang mit perfekter Phrasierung Balladen wie „Sunny gets Blue“ und „My foolish heart“. Interpretierte sie in schönster Musical-Tradition mit romantischem Pathos und theatralischer Mimik – und das war es dann auch. Dort wo ein Jazzsänger erst anfängt, wo das Einstudierte ins Spontane herüberschwappt, da hörte er schon wieder auf, überließ den Begleitmusikern die Soli und hielt sich zurück.
Dennoch waren die meisten ZuhörerInnen scheinbar zufrieden. Die einen hatten viel kultivierten Jazz gehört, und die anderen hatten viele neue Fotos und Autogramme.
Wilfried Hippen
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