Suizidbegleitung: Sterbehelfer bereiten Präzedenzfall vor
Die Schweizer Organisation Dignitas will testen, ob man in Deutschland straffrei beim Suizid helfen darf. Dafür sucht sie einen Sterbewilligen, der dazu bereit ist.
Die Schweizer Sterbehilfeorganisation Dignitas will in Deutschland einen juristischen Präzedenzfall schaffen, um die rechtliche Lage bei der Suizidbegleitung zu klären. "Wir sind auf der Suche nach einem Sterbewilligen und Angehörigen, die bereit sind, das zu machen", sagte gestern Uwe-Christian Arnold, zweiter Vorsitzender von Dignitas in Deutschland, der taz. Die finanziellen Folgen einer Strafverfolgung würde seine Organisation tragen. Ziel sei es, Sterbehilfe so weit zu legalisieren, dass jeder sie für sich in Anspruch nehmen könne, sagte Arnold.
Bisher ist die Rechtslage zur Sterbehilfe in Deutschland kompliziert: Beihilfe zum Selbstmord ist zwar nicht verboten, es besteht aber die Pflicht zur Rettung. Der Helfer muss sich entfernen, sobald der Lebensmüde das Bewusstsein verliert. Sonst droht ihm eine Strafe wegen unterlassener Hilfeleistung.
Dignitas will nun austesten, wie die Richter im Ernstfall urteilen. Ideal wäre eine sterbewillige Person im Großraum Berlin, da die zuständigen Gerichte als liberal gelten, sagte Arnold. Ein Rechtsanwalt müsste dem Freiwilligen vor der Tat Urteilsfähigkeit attestieren, die notwendigen Medikamente könnte ein Hausarzt nach und nach verschreiben.
Wichtig sei, dass der Sterbewillige seinen Angehörigen schriftlich dazu auffordere, keine Hilfe zu leisten. Unter diesen Umständen dürfte der Angehörige den Kranken dann auch in den Tod begleiten, glaubt Arnold. Es sei auch denkbar, dass ein Arzt bei dem Sterbenden bleibe. Allerdings würde derjenige damit seine Approbation aufs Spiel setzen. Einige pensionierte Mediziner hätten sich bereit erklärt, das zu riskieren.
Anders als in Deutschland dürfen todkranke Menschen in der Schweiz beim Suizid begleitet werden. 120 Deutsche reisten im Jahr 2006 ins Nachbarland, um dort zu sterben. Nach Protesten von Anwohnern musste die Organisation aber ihre Wohnung in Zürich aufgeben. "Im Moment ist die Schweizer Möglichkeit ziemlich verstellt", sagte Arnold. "Deshalb müssen wir nach anderen Wegen suchen."
Das alarmiert die Kritiker: Die Deutsche Hospiz Stiftung forderte gestern, die "gewerbs- und geschäftsmäßige Vermittlung von Suizid" müsse verboten werden. Ein entsprechendes Vorhaben mehrerer Bundesländer solle endlich verwirklicht werden, sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch. Die bislang geltenden Gesetze seien "nicht besonders wasserdicht".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!