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Suizid und Recht

Wie die deutsche Gesetzgebung das Thema Sterbehilfe bewertet

Grundsätzlich war assistierter Suizid in Deutschland lange erlaubt – ohne dass man ihn so nannte. Noch aus Zeiten des Deutschen Reichs stammte die Regelung, dass die Beihilfe Dritter, etwa Angehörige oder Ärz­t:in­nen, in Anspruch genommen werden darf, wenn man sterben möchte. Die aktive Sterbehilfe war aber auch damals verboten. Das ist bis heute so, nur die Gesetzesformulierungen lauten etwas anders.

Im Jahr 2015 änderte sich die Gesetzeslage. Zuvor hatten sich Vereine wie Sterbehilfe Deutschland oder die Schweizer Dignitas gegründet, um sterbewillige Menschen beim Suizid zu begleiten. Die Kritik an diesen Organisationen: Suizidhilfe würde zu einer normalen Dienstleistung verkommen. Im Dezember 2015 trat das „Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ in Kraft. Organisationen und Einzelpersonen wie Ärzt:innen, die im wiederholten Fall handeln, konnten nun zu einer Geld- oder Haftstrafe bis zu drei Jahren verurteilt werden. Nahestehende einer suizidwilligen Person, die im Einzelfall handeln, blieben weiterhin straffrei.

Verfassungsbeschwerden führten 2020 zu einer Neubewertung der Situation. Das Bundesverfassungsgericht erklärte das Gesetz für verfassungswidrig. Diese Entscheidung ist bis heute maßgeblich. Ein neues Gesetz, das die Umsetzung der geschäftsmäßigen Selbsttötung regelt, gibt es nicht. Zwei Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Suizidhilfe scheiterten Juli 2023 im Bundestag. So ist es vorerst weiterhin den Suizidhilfe-Organisationen überlassen, wie sie den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts beim assistierten Suizid Folge leisten.

Generell unterscheidet man vier Formen von Sterbehilfe. Bei der aktiven Sterbehilfe (illegal) wird eine Substanz verabreicht, die das Leben der Sterbewilligen beendet. Bei der indirekten Sterbehilfe (legal) wird der vorzeitige Tod eines Menschen etwa durch starke Schmerzmittel in Kauf genommen, um die Schmerzen zu reduzieren. Bei der passiven Sterbehilfe (legal) wird die Behandlung eines Patienten beendet, das Ärzteteam kann zum Beispiel die Atemhilfe abschalten. Bei der Beihilfe zum Suizid beziehungsweise dem assistierten Suizid (legal) verabreicht oder injiziert sich die Sterbewillige selbst das tödliche Mittel, das von Ärz­t*in­nen oder einer anderen Person bereitgestellt wurde. Christine Leutkart

Haben Sie suizidale Gedanken? Dann sollten Sie sich unverzüglich ärztliche und psychotherapeutische Hilfe holen. Bitte wenden Sie sich an die nächste psychiatrische Klinik oder rufen Sie in akuten Fällen den Notruf an unter 112. Eine Liste mit weiteren Angeboten finden Sie unter taz.de/suizidgedanken im Internet.

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