piwik no script img

Suhrkamp-Salon in BerlinDie Miniflaschen der Bohème

Mit einem schicken Büchersalon wollte Suhrkamp in Berlin ankommen. Lesungen, Diskussionen und Filme bespielten die Stadt. Am Samstag war Ladenschluss.

Schöne, bunte Welt: die temporäre Suhrkamp-Filiale im Berliner Stadtteil Mitte. Bild: dpa

Der Möbelwagen stand schon bereit. Die Leute standen halb draußen und halb drinnen, von innen pluckerte elektronische Musik, irgendwie am falschen Ort und zur falschen Tageszeit. Thomas Meinecke, im ausladenden Polohemd, legte auf, hinter ihm stand ein Rollkoffer, die Platten fasste er an wie große Teller beim Spülen. Es war die Abschlussparty. Der Sommer war vorbei, zumindest in diesem Teil von Mitte, Linienstraße, Nähe Tacheles. Der Laden der edition suhrkamp hat einen Sommer lang die Stadt bespielt, mit Lesungen, Diskussionen, Filmen, jetzt hat er wieder geschlossen.

Gelaufen ist es ganz gut. Die Eröffnung war glänzend besucht, Rainald Goetz hatte im Juni eine sensationell besuchte Vorlesung gehalten, die in Ausschnitten auf YouTube zu sehen ist, Judith Butler hat Autogramme gegeben, Dietmar Dath gegen Deutschland gespielt. Und noch vieles mehr. Suhrkamp wollte in der Stadt ankommen und hatte sich für die etwas betagte Manier eines Showrooms entschieden.

Ein Laden in der Linienstraße, der aussieht wie eine dieser schicken Galerien, weiß und steril, mit Bar und Musik, und Menschen standen herum und taten wichtig und sahen anderen Menschen dabei zu, wie man herumsteht und wichtig tut. Und hielten dabei Miniflaschen einer unabhängigen Hamburger Limonadefabrik in den Händen. Boheme und Avantgarde gehen zwar trotzdem anders, aber Suhrkamp ist ja erst gerade hier in der Hauptstadt.

Der Möbelwagen machte die Lade zu, vielleicht war er nur zufällig da. Selbst das Wetter hatte einen Kreis geschlossen an diesem Samstag, zur Eröffnung war es kühl und bedeckt, zum Abschluss auch. Eine Dame namens Zoe Berlin übernahm die Turntables, die Leute kamen und gingen, die Prominenz hatte sich noch nicht blicken lassen, sie wurde für später erwartet.

Ob die Veranstaltungen der Regenbogenreihe wirklich genutzt haben, darf bezweifelt werden. Wie man sich überhaupt fragt, was denn als Letztes so rausgekommen ist in der Reihe "es" und was noch so ansteht. Dass die Reihe an sich ein Ereignis war, dass mit Spannung auf jede neue Veröffentlichung geschaut wurde, diese Zeiten sind ja tatsächlich schon länger vorbei. Und kommen auch nie wieder.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

4 Kommentare

 / 
  • P
    poisn

    Lieber René Hamann,

     

    Menschen ihres Aussehens (dum.at) werden ja oft zynisch. Ich kann ihre Verletzung, nicht oder nie dazu zu gehören, aus jedem 2. Subtext erfahren. Zur Ladeneröffnung konnten wir lesen, dass Sie nicht sitzen konnten. Sie haben also Rücken. Zum Ladenschluss können wir nun lesen, dass Sie nicht dabei waren (Dietmar Dath fiel nämlich krankheitsbesdingt aus), aber gerne über Dinge schreiben, an denen Sie nicht teil hatten. Sonst würden Sie ja nicht die Arbeit anderer Menschen ihres Alters, die keineswegs Avantgarde sein wollen (die TAZ ist es im Übrigen schon lange nicht mehr), sondern sich einfach bemühen und mit Herzblut dabei sind, schmälern. Vielleicht werden ihre Artikel besser und der Leser hat mehr davon, wenn Sie weniger Privates von sich preis geben. Bleiben Sie neu sachlich, dann wird's doch noch was mit einer Anstellung in einer avantgardistischen Zeitschrift. Oder Sie bleiben weiter eng und kleinkariert, das passt dann besser nach Solingen.

  • DC
    Der C.

    Für mich liest sich der Artikel von RENÉ HAMANN eitel, verbittert und einsam. Sollte am Ende er isoliert die anderen beobachtet haben? Dann hätte er besser mal die Zeit und seine Nase in die Flyer gesteckt, die auch noch am Abschlussabend auslagen oder wäre einfach häufiger zu den Veranstaltungen gekommen. Aber vielleicht ist Recherche einfach nicht sein Ding. Mir ist ansonsten unerklärlich, weshalb er ZOE nicht kennt.

    Drei Monate gab es in der edition suhrkamp Fürst & Iven autorenbuchhandlung abwechslungreiche und spannende Diskussionen, Lesungen, Kinoabende und autorenlounges, die man in der angebotenen Bandbreite und unverstellten Durchführung wohl nicht mehr so schnell in Berlin finden wird. Da waren sich die meisten auch am Abschlussabend einig, dass der Laden von Beginn an nicht nur für hamannschen Wichtigen sondern als offenes Forum gedacht war. Genauso ist es die drei Monate gelaufen: Die Leute schauten vorbei, kamen zu anderen Themen und vor allem miteinander ins Gespräch. Es war ihr zweites Wohnzimmer.

  • A
    askans

    Super Meinung! Und nun?

  • T
    Thom

    Nun, der Laden in Berlin hat zwar, wie der Autor sagt, tatsächlich nichts mit Avantgarde zu tun, woher er aber wissen will, daß nie wieder Zeiten kommen, in denen man Veröffentlichungen erwartet, ist relativ unklar. Dieses weise, prophetische Gehabe in einer unterdurchschnittlichen Zeitung ist ebenso bemüht und uncool wie der suhrkamp-Laden.

     

    Wenn eines klar ist, dann nur, daß wichtige Veröffentlichungen jedenfalls nicht aus Berlin kommen werden. Als melting point für die Kleinstadtphantasien von Exil-Dorfbewohnern fehlt dort tatsächlich die Chemie, was durch Selbstherrlichkeit ausgeglichen wird.