Süper Lig in der Türkei: Die unterhaltsamste Liga Europas
Niemand interessiere sich für den Fußball, der in Istanbul und Ankara gespielt wird, ätzte Fenerbahçe-Trainer José Mourinho kürzlich. Eine Replik.

W er will diese türkische Liga im Ausland schon schauen? Diese Frage stellte der portugiesische Fußballtrainer José Mourinho Anfang November bei einer Pressekonferenz – als Trainer eines türkischen Erstligisten. Sein Fenerbahçe hatte da gerade 3:2 gegen Trabzonspor gewonnen. „Es ist zu grau, zu dunkel, es riecht schlecht“, rastete Mourinho in gewohnter Lässigkeit aus – und ging auch noch den VAR-Schiedsrichter an. Der sei wohl damit beschäftigt gewesen, türkischen Tee zu trinken, und habe geschlafen.
José Mourinho
Der türkische Fußballverband sperrte Mourinho daraufhin für ein Spiel und erklärte, dass der Portugiese „gegen den Sportsgeist, die Sportethik und das Fairplay-Verständnis“ verstoßen habe. Da waren die Highlights des stoischen Wutausbruchs längst im Umlauf, international. Ausgerechnet mit der Behauptung, die türkische Liga sei uninteressant, belegte Mourinho, dass sie die unterhaltsamste Liga Europas ist. Türkische Seifenopern sind ein internationaler Exportschlager. Warum sollte das nicht auch der türkische Fußball werden, bei dem kaum ein Tag ohne Drama vergeht?
„In London schaut nur mein Sohn die türkische Liga, sonst niemand“, setzte Mourinho noch einen drauf. In Berlin dagegen war das türkische Teehaus zum Istanbuler Derby zwischen Beşiktaş und Fenerbahçe am Samstagabend rappelvoll. Auch die Schwarzweißen vom anderen Ufer des Bosporus können unterhalten. Sie haben vor ein paar Tagen Trainer Giovanni van Bronckhorst entlassen, nach nur knapp fünf Monaten und wegen nur vier sieglosen Spielen. Der Präsident ist zurückgetreten, „aus persönlichen Gründen“. Schließlich mussten weitere Funktionäre gehen, die die Öffentlichkeit nun mit Vorwürfen persönlicher Bereicherung beschäftigen.
Natürlich kann die türkische Liga auch fußballerisch liefern. Deshalb sprangen sie im Berliner Teehaus in den Schlussminuten erregt von den Stühlen, schrien schöne und weniger schöne Dinge, als in der Nachspielzeit beim Stand von 1:0 für Beşiktaş ein Kopfall von Fenerbahçes Youssef En-Nesyri an die Latte knallte, was Beşiktaş wiederum einen ansehnlichen, aber erfolglosen Konter ermöglichte. Dann kam doch noch das 2:0 durch Semih Kılıçsoy. Aber nein, doch nicht! Abseits!
Seine Mannschaft sei die bessere gewesen, sagte Mourinho später. Und gratulierte dem Schiedsrichter. Ironie? Mourinho und der türkische Fußball sind die glücklichste Fügung des Fußballjahres. Völlig unironisch.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links