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Archiv-Artikel

Südliche EU-Länder schlagen Alarm

Innenminister fordern Hilfe wegen dramatisch steigender Flüchtlingszahlen. Deutscher Vertreter kündigt ein Gesamtkonzept zu illegaler Migration an. Boote von neun EU-Staaten dürfen künftig vor Afrikas Küste patrouillieren

BRÜSSEL dpa ■ Mit einem dramatischen Appell haben die südlichen EU-Staaten wirksame Hilfe gegen die wachsende Anzahl von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer und vor den Kanaren gefordert. Bei einem Treffen der europäischen Innenminister sagte der maltesische Ressortchef Tonio Borg am Montag in Brüssel: „Hunderte ertrinken praktisch vor unserer Haustür. Das ist zu einer echten Krise geworden im Mittelmeerraum“, sagte er.

Die öffentliche Meinung reagiere mit Entsetzen, betonte der spanische Staatssekretär Antonio Camacho Vizcaino: „Unsere Bürger können nicht akzeptieren, dass sich unsere Meere zu Massengräbern entwickeln.“ Der italienische Innenminister Giuliano Amato sieht dabei auch die nördlichen EU-Staaten in der Pflicht: „Das Problem ist ein Problem der Europäischen Union insgesamt.“ Mehrere Staaten, darunter Deutschland, versprachen europäische Solidarität.

Maltas Innenminister sprach von 1.200 Ankömmlingen auf der Insel im ersten Halbjahr 2006. „Wenn Sie das auf die Bevölkerung umrechnen, ist das, als ob mehr als 100.000 nach Deutschland gelangen“, sagte Borg. Deutschland spüre das Problem, versicherte Staatssekretär Peter Altmaier: „Wenn die Zahlen der Flüchtlinge in Spanien, in Italien steigen, haben wir auch höhere Zahlen von Flüchtlingen aus Afrika, die in Deutschland aufgegriffen werden.“

Die Bundesregierung strebe einen umfassenden Plan der 25 EU-Staaten zur Einwanderungspolitik an, sagte Altmaier. „Wir denken, dass wir ein Gesamtkonzept zur illegalen Migration brauchen.“ Frankreichs Minister Christian Estrosi meinte wie der Italiener Amato, auch die legale Einwanderung müsse dazu gehören. Altmaier ist nicht dagegen, will den Umfang der Zuwanderung auf den Arbeitsmarkt aber weiter national festlegen.

Positiv reagierte Altmaier im Ministerrat auf einen Vorschlag von EU-Justizkommissar Franco Frattini, der Unternehmer in Fällen von Schwarzarbeit schärfer bestraft sehen möchte. Deutschland wolle dies „sehr konstruktiv diskutieren“. Es widerspreche europäischen Grundwerten, wenn ausländische Arbeitskräfte ohne jeden sozialen Schutz ausgebeutet würden, betonte Altmaier.

Auf Gran Canaria wurden am Montag zwei illegale Einwanderer tot aus einem Flüchtlingsboot geborgen. Auf See vor der spanischen Küstenstadt Almeria rettete die Küstenwache 32 Zuwanderer, deren Boot gesunken war. Unterdessen hätten Senegal und Mauretanien erlaubt, dass Patrouillenboote der EU-Staaten auch ihre Hoheitsgewässer befahren, sagte EU-Justizkommissar Franco Frattini. Die Aktion von neun EU-Staaten solle bald beginnen. Portugal schlug vor, eine Fregatte bis zu den Kapverden auf Streife zu schicken.