Südkorea trauert um tote Marinesoldaten: Der Torpedo aus dem Nirgendwo
Die Regierung in Seoul hat kaum realistische Optionen, um auf das Versenken eines Kriegsschiffs durch einen mutmaßlichen nordkoreanischen Torpedo zu reagieren.
Südkorea trauert noch bis Donnerstag offiziell um 40 tote und sechs vermisste Marinesoldaten. Sie ertranken am 26. März mit ihrer Korvette "Cheonan" vor der Westküste des Landes, als das Schiff nach einer Explosion zerbrach und sank. Die "Cheonan" patrouillierte die Grenzgewässer zum kommunistischen Nordkorea. In dem umstrittenen Seegebiet hatte es schon dreimal Seegefechte zwischen nord- und südkoreanischen Schiffen gegeben, zuletzt im November.
Nach dem Sinken der "Cheonan" versprach Südkoreas konservativer Präsident Lee Myung Bak eine "schonungslose Aufklärung" und "entschlossene Maßnahmen", ohne Nordkorea als möglichen Urheber zu erwähnen. Schon direkt nach dem Untergang wurde über einen nordkoreanischen Torpedo oder die Explosion einer aus dem Koreakrieg (1950-1953) stammenden Seemine spekuliert. Gemutmaßt wurde auch über ein Selbstmordattentat mit einem nordkoreanischen Mini-U-Boot.
Mittlerweile wurden beide Teile des Wracks geborgen und Hinweise auf Torpedobeschuss gefunden. Der Chef der Untersuchungskommission, an der auch US-amerikanische und schwedische Experten beteiligt sind, hält eine äußere Explosion für wahrscheinlich. Am Sonntag sagte Südkoreas Verteidigungsminister, "höchstwahrscheinlich" sei unter dem Schiff ein Torpedo explodiert, dessen Druckwelle es zerborsten habe. Zum Absender des Torpedos schwieg er.
Privat beschuldigen südliche Regierungsangehörige Nordkorea, doch nicht offiziell. Zum einen sind noch nicht alle Zweifel restlos ausgeräumt, zum anderen könnten solche Vorwürfe die Spannungen auf der Halbinsel anheizen und zum militärischen Konflikt mit dem atomar bewaffneten Nordkorea eskalieren. Bereits dessen konventionelle Waffen gelten als so stark, dass allein die Artillerie die grenznahe südliche Hauptstadt stark zerstören könnte. Technisch sind Nord- und Südkorea ohnehin noch im Kriegszustand, da der Krieg vor 57 Jahren nur mit einem Waffenstillstand beendet wurde.
Das Regime in Pjöngjang weist jede Schuld von sich. Es ließ über die amtliche Nachrichtenagentur einen Militärsprecher erklären, "Kriegstreiber und Rechtskonservative versuchen, uns mit dem tragischen Vorfall in Verbindung zu bringen", für den sie selbst verantwortlich seien. Auch seien die Schuldzuweisungen ein durchsichtiges Wahlkampfmanöver.
Zwar sagte Südkoreas Präsident Lee, der Vorfall erinnere seine Landsleute daran, dass sie "in der Nähe des kriegerischsten Landes" lebten. Doch sucht Lee, der die Entspannungspolitik seiner Vorgänger gegenüber dem Norden beendete, eine nichtmilitärische Antwort. Denn ein Konflikt dürfte das Wirtschaftswachstum, mit dem Südkorea gerade die globale Finanzkrise hinter sich ließ, abrupt beenden.
Am Freitag und Samstag ist Lee zur Eröffnung der Expo in Schanghai und trifft Chinas Präsident Hu Jintao. Peking ist der wichtigste Unterstützer des nordkoreanischen Regimes von Kim Jong Il. Letzteres wird nicht nur von westlichen Ländern sanktioniert, sondern schottet sich auch selbst stark ab. China hatte bereits nach zwei Atomtests Nordkoreas kein Interesse, das Nachbarland zu destabilisieren, da die Volksrepublik unter einer nordkoreanischen Flüchtlingswelle leiden würde. Das von Lebensmittelhilfe abhängige Nordkorea hat schon im Konflikt um sein Atomprogramm erklärt, dass schärfere Sanktionen eine Kriegserklärung seien.
In Südkorea wird erwogen, dem grenznahen nördlichen Industriepark Kaesong, wo 40.000 Nordkoreaner für südliche Konzerne arbeiten, zu schließen. Er ist das letzte Großprojekt der früheren Entspannungspolitik. Ansonsten könnte der Süden weiter aufrüsten und die Grenzsicherung verstärken. Militärische Vergeltung ist wie in früheren Fällen unwahrscheinlich. 1974 hatte ein nordkoreanisches Kommando den Präsidentenpalast in Seoul angegriffen, 1983 waren südliche Minister beim Staatsbesuch in Birma von Nordkoreanern getötet worden, 1987 wurde gar ein Anschlag auf ein südkoreanisches Verkehrsflugzeug verübt. Jedes Mal setzte sich im Süden die Einsicht durch, dass Krieg noch schlimmer ist.
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