■ Süd-Korea: Präsident signalisiert Kompromißbereitschaft: Kampfplatz Parlament
Nach vier Wochen heftiger Proteste hat Süd-Koreas Präsident Kim Young Sam eingelenkt. Seine Regierung wird die umstrittenen Arbeits- und Geheimdienstgesetze zwar nicht zurückziehen, aber das Parlament darf noch einmal über die einzelnen Bestimmungen verhandeln. Ob dies eine spannende Debatte wird, ist ungewiß. Im südkoreanischen Abgeordnetenhaus herrschen merkwürdige Bräuche. Um zu verhindern, daß es zur Abstimmung über ungewünschte Gesetze kommt, hat die Opposition in der Vergangenheit häufig zu allen möglichen Tricks gegriffen. Zuletzt tat sie dies im Dezember, als sie den Parlamentssprecher mit physischer Gewalt daran hinderte, das Gebäude zu betreten. Resultat: Die Regierungspartei verabschiedete die neuen Paragraphen um sechs Uhr früh in aller Heimlichkeit.
Nun wird der Präsident versuchen, die Gesetze erneut zur Abstimmung zu stellen – womöglich mit einigen Korrekturen: Der gefürchtete Geheimdienst wird wohl künftig doch nicht jeden verhaften dürfen, dem er Sympathien mit Nord-Korea vorwirft. Denkbar ist auch, daß der Dachverband der Gewerkschaften, deren Führer die Streiks unter dem Schutz der katholischen Kirche so erfolgreich organisierten, früher als eigentlich von der Regierung gewollt legalisiert wird.
Aber am Kern des neuen Arbeitsrechts wird die Regierung festhalten. Der Kündigungsschutz soll massiv abgebaut werden, Süd-Koreas Firmen auf einen Schlag Tausende Arbeiter entlassen können.
Die sind überflüssig, sagen Süd-Koreas herrschende Wirtschaftspolitiker. Das Land könnte nur konkurrenzfähig bleiben, wenn weniger ArbeiterInnen in weniger Stahl- und Autofabriken oder Werften beschäftigt sind. Statt dessen soll eine kleine Schar hochqualifizierter Menschen in den Telekommunikationsindustrien und bei der Softwareentwicklung das Siechtum des asiatischen Tigers verhindern.
Die Gewerkschaften Süd-Koreas wissen, daß ein Wandel der Industriestruktur ihres Landes unvermeidbar ist. Doch sie sehen nicht ein, daß die Kosten für diesen Wandel so ungerecht verteilt werden sollen. So wird sich nun zeigen, ob die Opposition nicht nur auf der Straße stark ist, sondern auch im Parlament genug Kraft hat. Und ob sie sich wieder vor die Türe setzen muß, um eine Abstimmung zu verhindern. Jutta Lietsch
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