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Stylistin über afrikanische Mode„Man sollte auf die Quelle hinweisen“

Beatrace Angut Oola hat die Informationsplattform „Fashion Africa Now“ gegründet. Die vernetzt Menschen afrikanischer Herkunft im Bereich Modedesign.

Mode als Frage der Identität: Beatrace Angut Oola Foto: Miguel Ferraz
Interview von Frieda Ahrens

taz: Frau Angut Oola, ich habe mir auf dem Weg hierher Gedanken darüber gemacht, was ich überhaupt trage. Ist das okay – grüne Hose und weißes Shirt?

Beatraca Angut Oola: Natürlich, es geht in Ordnung, was Sie anhaben!

Achten Sie überhaupt darauf, was die Leute anhaben?

Mode ist für mich nicht nur einfach eine Klamotte, die ich mir anziehe. Es geht um Identität. Ich finde es sehr spannend, dass man die Leute heute nicht mehr direkt an ihren Outfits beurteilen kann. In den 90ern hatte man zum Beispiel die Hip-Hoper, die Rocker, die Punker. Heute hast du Rapper, die schicke Kleider tragen. Vor 20 Jahren wäre das nicht denkbar gewesen.

Wie lange brauchen Sie morgens, um sich was rauszusuchen?

In der Regel brauche ich gar nicht so lang. Ich habe immer schon im Kopf, welche Farbkombination ich gerne tragen möchte. Aber das ist wahrscheinlich auch die Routine, da ich als Stylistin gearbeitet habe. Abgesehen davon habe ich ein Gefühl für Farben und ich weiß, welche Schnitte ich im Schrank habe, sodass das Stylen relativ schnell geht.

Was sagen Sie Leuten, die von sich behaupten: Klamotten sind nur dazu da, damit ich nicht nackt rumlaufe?

Es ist eine Typsache und auch davon abhängig, in welchem Umfeld man sich bewegt. Ich glaube, dass heute Kleider bei der jüngeren Generation eine große Rolle spielen. Ich arbeite in der Kreativbranche und das äußerliche Auftreten ist wichtig, daher zählt ein bestimmter Look.

Ist das nicht oberflächlich?

Ja, natürlich. Das ist eine Gradwanderung. Kinder, die dem ausgesetzt sind und bei Markenklamotten nicht mithalten können, werden dadurch benachteiligt. Darum bin ich tatsächlich ein Fan von Schuluniformen. Da wäre die Plattform nicht gegeben, Kinder, die aus sozial schwachen Haushalten kommen, zu degradieren.

Wann hat bei Ihnen das Interesse für Mode angefangen?

Sehr früh. Ich habe neulich Bilder gesehen, da war ich acht oder neun. Da dachte ich: „Mensch, ich war schon damals modisch.“ Das ist ein Weihnachtsbild und ich habe eine weiße Rüschenbluse, eine weiße Hose und einen türkisfarbenen Gürtel an, die Haare gemacht. Ich mochte es auch, die Ohrringe von meiner Mutter zu tragen und hatte ihre Klipper drin. Das ist doch schon ein Look!

Heute ist Ihr Lieblingskleidungsstück das Kopftuch. Darf das jeder anziehen?

Grundsätzlich denke ich, jeder darf tragen, was er mag. Aber man muss auch überlegen: Wie wirke ich in dieser Klamotte? Speziell das Kopftuch hat da Diskussionspotenzial. Ich sehe auch Europäerinnen, die sich das trauen. Und warum nicht, wenn sie sich damit wohlfühlen?

Wo wird es problematisch?

Kulturelle Aneignung ist natürlich ein Thema. Wenn sich Frauen ab Mitte 50, die eine Afrikaaffinität haben, komplett so kleiden, finde ich das übertrieben, weil das verkleidet aussieht. Genauso finde ich aber auch einen afrikanischen Mann in Lederhosen irritierend. Aber naja, geht irgendwie auch. So lang man reflektiert und auf den Ursprung aufmerksam macht.

Warum ist Ihnen das so wichtig?

Da bin ich sensibel. Auch bei Frisuren. Vor einiger Zeit zeigte sich Kim Kardashian mit einer neuen Haarfrisur, die sie „Boxing Braids“ nannte. Das ist aber eine gängige traditionelle afrikanische Haarfrisur, die bis dato auch schon einen Namen hatte: „Cornrows“. So etwas ist echt unschön. Man sollte, wenn die Quelle woanders liegt, auf jeden Fall darauf hinweisen.

Welche Rolle spielt das für Ihre Website, die unter anderem afrikanische Modedesigner vorstellt?

Die Plattform dient als Informationsquelle und kommuniziert aus einer afrikanischen Perspektive, was ich vorher immer vermisst habe. Es geht um Fashion von afrikanischen Designern – das ist ein neuer Blickwinkel für viele Menschen. Und das ist auch mein Anliegen: Hier ist Mode, die relevant ist, die ein Anliegen hat, die hochwertig ist, die aber zum Teil in Afrika produziert ist. Für uns in der Diaspora hat das außerdem eine andere Bedeutung als für jemanden, der auf dem Kontinent wohnt. Wir müssen eine andere Kommunikation führen.

Inwiefern?

Ich habe mich gefragt: Muss ich das jetzt „Fashion Africa Now“ nennen? Aber der Punkt war: Ich bin in der Diaspora und für viele ist das Thema noch nicht geläufig. Und so weiß man sofort: es geht um Fashion. Africa. Now.

Kann man afrikanische Mode direkt erkennen, weil sie bestimmte Muster oder Stoffe benutzt?

In vielen europäischen Köpfen existiert dieses stereotypische Bild: Afrikanische Kleidung ist bunt und besitzt immer Prints. Aber die Mode kann durchaus schwarz oder in einem anderen einfarbigen Ton sein. Oft sind es die Schnitte, die an Afrika erinnern. Das sind dann Transformationen aus traditionellen Schnitten. Aber auch Prints werden transformiert. Es gibt einen Designer, der das phänomenal umgesetzt hat, das Label heißt „Maxhosa“, er ist auch einer der Top-Designer. Insofern würde ich sagen, man kann afrikanische Mode – wenn man das so betiteln will – nicht unbedingt erkennen.

Im Interview: Beatrace Angut Oola

38, ist Mode-Agentin und Gründerin des „Africa Fashion Day“ in Berlin. Sie ist in Neuss geboren, hat ihre Wurzeln in Uganda.

Vor drei Jahren hat sie in Hamburg die digitale Informationsplattform „Fashion Africa Now“ gegründet. Diese zeigt zeitgenössische afrikanische Modedesigner und soll helfen, Mode aus afrikanischen Ländern besser zu verstehen.

Einerseits sagen Sie, man müsse langsam aufhören, Designer als ‚African Designer‘ abzustempeln, andererseits finden Sie es wichtig, auf den Ursprung zu schauen. Ist es jetzt wichtig, dass die Mode afrikanisch ist oder nicht?

Es ist beides. Es ist wichtig, wenn es um das Thema kulturelle Aneignung geht. Sachen aus Afrika sollten so betitelt werden. Die Gesellschaft ist noch nicht so oft mit den kreativen Themen konfrontiert worden, die aus Afrika kommen. Die kennen alte Afrika-Bilder, wie zum Beispiel Krieg, Armut und Hunger. Die pulsierende Kreativ-Welt ist für die meisten in Europa einfach noch komplett was Neues. Bei Ikea wird es ab Mai 2019 eine von Afrika inspirierte Kollektion geben. Ikea hat sich zehn Designer aus afrikanischen Ländern ausgesucht und ist mit ihnen eine internationale Kooperation eingegangen, unter anderem wurde unterschiedliches Interieur entworfen. Anhand dieser Kooperation wird klar, dass Designer afrikanischer Herkunft nicht nur ein Trend sind.

Kann man überhaupt von afrikanischer Kleidung reden? Man spricht ja auch nicht von europäischer Kleidung.

Afrikanische Designer sagen: Ich will nicht als afrikanischer Designer vorgestellt werden, sondern ich bin Designer. Letztendlich ist Westafrican Fashion anders als Eastafrican Fashion, North und South haben auch Unterschiede. Aber man kann durchaus sagen „Made in Africa“, damit macht man klar, dass das Produkt in einem afrikanischen Land produziert wurde.

Wie flexibel ist die Öffentlichkeit hier? Nimmt sie wahr, wie vielfältig afrikanisches Design ist?

Die Arbeit war anstrengend, zäh, ermüdend und zugleich auch wohltuend. In den Anfangsjahren kamen sehr vielen beim Thema afrikanische Mode nur Ethno-Fashion in den Sinn. Und damit auch das Thema Entwicklungshilfe oder wie Frauen in irgendwelchen Dörfern Körbe nähen. Aber ich rede hier von zeitgenössischem Design. Ich rede von jungen Kreativen, die impulsiv und absolut selbstbewusst sind, die auch kein Interesse haben, in Deutschland, Paris oder London zu leben. Die wollen in ihren Heimatländern bleiben, die wollen ihre Wirtschaft ankurbeln. Da ist eine afrikanische Elite, die den Standpunkt vertritt, dass sie ein Label Made in Africa produzieren wollen.

Was haben Sie vor der Website gemacht?

Ich habe als Stylistin gearbeitet und mich nebenbei politisch engagiert. Ich habe unter anderem den Black History Month in Hamburg mitorganisiert, das ist eine Art Aufklärungsmonat über die Geschichte und Traditionen aus Afrika und der Diasporischen Bevölkerung. Davor habe ich Film und Fernsehen und Wirtschaft studiert. Der Aktivismus war gut, nach meinem Gefühl gingen Veränderungen nicht schnell genug voran und ich wollte gesellschaftlich etwas bewirken. Mit meiner Plattform empfinde ich es so, das sich einiges bewegt und vor allem neue Diskurse gestartet werden.

Was bedeutet das konkret?

Fashion Africa Now ist eine Connecting-Plattform. Menschen afrikanischer Herkunft sind hier in Deutschland oft nicht so gut vernetzt. Ob es sich um Fotografen, Stylisten, Creativ-Direktoren oder Designer handelt, das Networking fehlt. Außerdem ist es ein Ziel, eine Stimme aus der Diaspora zu sein, die in den afrikanischen Ländern auch ein Statement hat. Ich bin echt gespannt, was in den nächsten zehn Jahren noch so passiert.

Was vermuten Sie?

Viele dachten, African Fashion ist ein Trend. Ich sagte immer dass das definitiv kein Trend ist, sondern eine Bewegung, die bleibt. Da besteht ein Bedarf und eine Nachfrage auch von meiner Generation, die hier geboren und aufgewachsen ist, aber deren Herkunft in Afrika ist. Ich bin aus Uganda, ich liebe meine Herkunft, bin hier aber aufgewachsen – ich habe beides in mir. Ich bin dankbar, dass ich meine Identität so ausleben kann, wie ich es für richtig empfinde. Dieser Raum existiert erst heute!

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