Stuttgarts Trainer schmeißt hin: O Veh
Dem VfB Stuttgart läuft nach der nächsten Heimpleite Trainer Armin Veh davon. Er fand keine Lösungen in der tiefgreifenden Sinnkrise des Klubs.
BERLIN taz | Es ist nicht genau überliefert, wann Armin Veh der Job als Trainer des VfB Stuttgart in der jüngeren Vergangenheit wirklich Spaß gemacht hat. Aber einen Arbeitstag gab es zuletzt doch, an dem der Fußballlehrer vom Aufstehen bis zum Zubettgehen hocherfreut schien. Es war vor fast genau einem Monat, der 25. Oktober, als die Schwaben bei Eintracht Frankfurt antraten. Veh erschien an diesem milden Herbsttag an seiner alten Wirkungsstätte wie ein Teenager, der später noch einen Streifzug durch die Nacht plant. Verwaschene Jeans, weites T-Shirt, bunter Blouson. Seine neue Mannschaft sollte in der Arena im Frankfurter Stadtwald spektakulär mit 5:4 triumphieren.
Veh schwelgte einen kurzen Moment im Glück, den Abend verbrachte er dann bei seinem Lieblingsitaliener in Neu-Isenburg mit alten Kollegen aus Frankfurt. Und vermutlich dachte er sich: „Schön war die Zeit.“ Eher unschön endete nun, nur einen Monat später, seine zweite Mission am Neckar. Nach dem 0:1-Nackenschlag gegen den FC Augsburg und der siebten Saisonniederlage zog der 53-Jährige am Montag selbst die Reißleine. Rücktritt aus freien Stücken. Nach nur 146 Tagen.
„Dieser Schritt ist mir sehr schwer gefallen, weil mir der Verein und die Mannschaft am Herzen liegen. Letztlich musste ich aber so handeln, weil ich von der Richtigkeit dieses Schritts überzeugt bin“, sagte Veh. Der Entschluss ist typisch für den Überzeugungstäter und Bauchmensch, der in Frankfurt hätte bleiben wollen können, wenn das sein Wunsch gewesen wäre. Doch er fühlte die tiefe Sehnsucht, mit den Stuttgartern vielleicht ein Husarenstück zu vollbringen wie bei der Meisterschaft 2007.
Der Trainer ist, wie viele VfB-Vertreter, dem Irrglauben aufgesessen, dass sein bloßes Erscheinen in Bad Cannstatt ausreicht, um den Verein mit dem roten Brustring wieder fit für höhere Herausforderungen zu machen.
Eine allein rückwärtsgewandte Strategie hat in noch keinem Wirtschaftszweig funktioniert – erst recht nicht im rasanten Unterhaltungsbetrieb Profifußball, wo die Traditionsvereine gerade recht und links entweder von konzernalimentierten Fußballtöchtern wie Leverkusen und Wolfsburg, dem privat bezuschussten Dorfverein aus Hoffenheim oder den Schnäppchenjägern und Perlentauchern à la Mainz oder Augsburg überholt werden. In der am Montag verschickten VfB-Mitteilung versicherte Veh, die Mannschaft sei besser „als der Tabellenplatz“. Dem Team und ihm habe „einfach auch das notwendige Quäntchen Glück“ gefehlt.
Doch das ist nur die halbe Wahrheit: Wie schon beim VfL Wolfsburg, als der Nachfolger von Felix Magath das Meisterteam nicht mehr motivieren konnte, oder beim Hamburger SV, als ihn die vielen Grabenkämpfe im Klub zermürbten, fand Veh keine Lösung gegen eine tiefgreifende Sinnkrise. Seit August vergangenen Jahres hatten nun nacheinander Bruno Labbadia, Thomas Schneider, Huub Stevens und eben Veh das Sagen, der sich in Augsburg ein schmuckes Eigenheim gebaut hat, in das er sich wohl vorerst zurückziehen wird.
Präsident Bernd Wahler bestätigte am Montag vorerst nur, dass die Co-Trainer Armin Reutershahn und Reiner Geyer die derzeit völlig verunsicherte Mannschaft auf das baden-württembergische Derby am Freitag beim SC Freiburg vorbereiten sollen. Danach ist guter Rat teuer: Nach dem Rauswurf von Fredi Bobic und der bis heute nicht geklärten Nachfolgerfrage steht der Tabellenletzte ohne sportliche Leitungsebene da. Ein Armutszeugnis für einen Klub, der nicht nur ein prächtiges Stadion hat und eine prima Jugendarbeit macht, sondern mit der Daimler-Benz AG auch einen potenten Sponsor in unmittelbarer Nachbarschaft besitzt.
Eigentlich wollte der VfB ja in nächster Zeit vor allem die Ausgliederung der Profiabteilung vorantreiben, um den Autobauer als strategischen Partner zu gewinnen, doch nun sind personelle Fragen dringender. Es braucht zuallererst einen Trainer, der mit Haut und Haaren Abstiegskampf kann.
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