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Stuttgart 21Abriss des Südflügels beginnt

Die Bagger graben sich in den zweiten Seitenflügels des Hauptbahnhofs in Stuttgart. Unter dem Protest der S21-Gegner beginnen die Abrissarbeiten.

Damit die Bagger rankönnen, tragen Polizisten S21-Gegner vor dem Südflügel weg. Bild: dapd

STUTTGART taz | Die Deutsche Bahn hat am Montag damit begonnen, den Südflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofes abzureißen. In den vergangenen zwei Wochen war der Seitenflügel zunächst entkernt worden. Der Abriss soll nun acht Wochen dauern. Damit treibt die Bahn das Großprojekt Stuttgart 21 weiter voran - zur Unzeit, kritisieren Projektgegner und verweisen auf andere Arbeiten am Bahnhof, die derzeit ohnehin ruhen müssen.

Bereits am späten Sonntagabend hatte die Polizei die Straße vor dem Südflügel abgesperrt, um dann am frühen Montagmorgen weitere Gitter aufzustellen. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich nach Polizeiangaben noch etwa 125 Demonstranten auf der Straße aufgehalten, die mehrmals aufgefordert worden seien, die Straße zu verlassen. "Das ging alles in Ruhe", sagte Polizeisprecher Stefan Keilbach.

Die sogenannten Parkschützer, die sich gegen das Fällen von Bäumen im Stuttgarter Schlosspark einsetzen, kritisierten das Vorgehen der Bahn und bezeichneten es als "blindwütigen Aktionismus" – vor allem weil andere Arbeiten derzeit ruhten, wie etwa die Aufbereitung des Grundwassers. "Mit all dem, was das Tunnelprojekt S 21 tatsächlich vorwärts bringen könnte, kommt die Bahn keinen Schritt weiter", sagte der Sprecher der Parkschützer, Matthias von Herrmann. "Statt die enormen technischen Probleme zuzugeben, stürzt die Bahn sich in blind-zerstörerischen Aktionismus - und unsere Regierung fällt darauf herein, lässt sich ein ums andere Mal betrügen."

Scharfe Kritik übte auch der Stuttgarter Kreisverband der Grünen. Die Bahn könne wegen "eklatanter Fehlplanungen vom Grundwassermanagement bis zum Artenschutz" ohnehin nicht auf absehbare Zeit mit dem Bau beginnen. "An diesen Verzögerungen trägt die Bahn selbst die Schuld. Daran kann die voreilige Zerstörung des Südflügels nichts ändern", sagte der Kreisvorsitzende Philipp Franke. "Ohne Not wird ein weiteres Bauloch geschaffen, der Bonatzbau vollends verstümmelt und viele Stuttgarter vor den Kopf gestoßen."

Die Bahn hat den Abriss zum jetzigen Zeitpunkt bislang damit gerechtfertigt, dass es keinen Grund gäbe, die Arbeiten nicht fortzuführen. Schließlich habe man durch das vergangene Jahr sehr viel Zeit verloren.

In den kommenden Tagen könnte die Bahn auch die Bäume im Schlossgarten fällen lassen. Das hatte sie für die kommenden zwei Wochen angekündigt. Die Umweltschutzorganisation BUND hat einen Eilantrag beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg gegen die Fällung eingereicht. Sie hat artenschutzrechtliche Bedenken.

In einer Volksabstimmung votierten im November vergangenen Jahres die Baden-Württemberger mit 58,8 Prozent der abgegebenen Stimmen gegen einen Ausstieg des Landes aus dem Projekt. Seitdem haben die Landesgrünen ihren Widerstand gegen Stuttgart 21 aufgegeben.

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3 Kommentare

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  • LL
    leo loewe

    Das Schlimme ist, dass wir, obwohl der Ministerpräsident genau das angeblich verhindern wollte, nun "sehenden Auges" in die Kostenfalle laufen, alternativlos, wie die Lemminge. Und die Grünen werden aus Respekt vor dem Volk, das entschieden hat, "konstruktiv und kritisch" schweigen.

     

    Ab einem bestimmten Punkt ist die Frage nach dem Sinn und den steigenden Kosten eines Projekts nur noch egal. Da sucht man nur nach Kostenstellen, die man vielleicht noch belasten könnte. Denn so funktioniert das nun einmal bei großen Infrastrukturprojekten, welche die öffentliche Hand bezahlt. Und natürlich wird dieses Spiel nicht nur in Stuttgart gespielt.

     

    Der Schlichter Heiner Geißler hatte wohl als "erfahrener Polithase" das Dilemma und den weiteren Verlauf der Tragödie um "Stuttgart 21" vorhergesehen: Sein Kompromiss "Frieden in Stuttgart" war eine gute, eine ehrliche Lösung auf Augenhöhe, die damals für alle Seiten einen Umstieg ohne Gesichtsverlust ermöglicht hätte. Jetzt ist es allerdings dafür zu spät: Der Tunnel und die Grube im Park werden kommen. Alternativlos. Aber die Rechnung dafür folgt. 2020 wissen wir mehr.

     

    leo loewe

  • JS
    Jens Schlegel

    Als die Befürworter von S21 noch fürchteten, die Abstimmung zum Ausstieg des Landes aus der Finanzierung zu S21 unterliegen zu können haben sie immer folgendes ganz stark betont:

     

    Die VE geht nur um die Finanzierung, nicht um S21!

     

    Jetzt wird - auch von den Zeitungen usw. - wieder sprachlich umgedreht. Man könnte auch die folgende Interpretation finden:

     

    Baden - Württemberg hat sich zur Finanzierung bekannt, weil sonst hohe Schadenersatzansprüche zu Leisten wären, die den eigentlichen zu zahlenden Betrag weit übersteigen.

     

    Damit, mit dieser Angst, haben die Befürworter nämlich am Meisten geworben. Und viele haben ihnen leider geglaubt...

     

    Wie ein Schadenersatz höher ausfallen kann, als die Beteiligung (die Bahn behielte Baurecht und könnte auch mit dem Schadenersatz bauen = kein Schaden) weiß ich bis heute nicht...

  • S
    sigibold

    Wenn Bäume gefällt werden müssen, so ist jetzt im Winter dazu die richtige Zeit. Diese sogenannten Naturschützer vom BUND sollten vielleicht bedenken, dass wenn die Maßnahme in den Frühling rutscht, der ein oder andere Piepmatz mit seinen Eiern umziehen müsste. Letzlich sollten vieleicht auch die allrechthaberischen BUNDler sich vielleicht demokratischer Gepflogenheiten besinnen und einem Volksentscheid Rechnung tragen.

     

     

    sigibold

     

    PS: Schon witzig... In jungen jahren ärgerte mich eher der Bund heute mehr der BUND ^^.