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Sturm auf den Schütting

■ SPD-Kritik an Handelskammer-Wasserkopf und geringer Transparenz / Verweigerer in der Offensive

Der Sturm auf die Festung Schütting hat begonnen. Heute abend (19.30 Uhr) gründen Handelskammer-Rebellen im Hotel Zur Post auch in Bremen eine Gegenorganisation zur gesetzlich verankerten Vertretung der Wirtschaft. Ihr Sprecher Harald Gutmann wendet sich gegen die „Zwangsmit-gliedschaft“.

„Ich will selber bestimmen, was ich tue und lasse“, gibt der Geschäftsführer einer Holzagentur den Ärger vieler Geschäftsleute wieder, der sich an den 1994 gestiegenen oder für Kleinstbetriebe erstmals erhobenen Kammerbeiträgen entzündete. 1994 war ein neues Bundesgesetz in Kraft getreten. Seitdem müssen in Bremen 26.500 Gewerbetreibende Beiträge zahlen, vorher waren es nur 11.500 größere Betriebe.

Kammer-Präses Josef Hattig hält das Hauptargument für die Pflichtmitgliedschaft entgegen: Nur so könnten alle Gewerbetreibenden objektiv und unabhängig von Einzelinteressen vertreten werden. Als freiwilliger Zusammenschluß müßte etwa die hoheitliche Aufgabe des Prüfungswesens anderweitig geregelt werden.

Eine Reform des Kammerwesens wird aber auch politisch gefordert. Der SPD-Abgeordnete Carsten Sieling sieht eine schwere Akzeptanzkrise der Handelskammern. Das Kosten-Nutzen Verhältnis einer Mitgliedschaft falle für kleine Unternehmen oft negativ aus. Von den elf Millionen Mark, die die Bremer Kammer (Jahresetat 18,5 Mio.) 1995 an Beiträgen einstrich, hätten Kleingewerbetreibende 1,3 Millionen Mark gezahlt. 1993 waren es noch unter 200.000 Mark.

Der Service müsse verbessert, Beiträge gesenkt und Gebühren überprüft werden, so Sieling. Die Ausbildung eines Azubi koste von der Eintragung in die Lehrlingsrolle bis zur Abschlußprüfung 770 Mark. Die Ausbildereignungsprüfung schlage mit 950 Mark zu Buche.

Der in Bremen auf 104 Mitarbeiter und sieben Geschäftsführer aufgeblähte Kammer-Apparat müsse abgespeckt werden, sagte Sieling. Die oligarchischen und wenig transparenten Strukturen müßten durchschaubar werden. Besonders fuchst den SPD-Mann, daß die Herren des Schütting ein Geheimnis aus der Beteiligung an der Wahl zur Kammer-Vollversammlung machen. Nach undementierten Meldungen geben nur vier Prozent der Mitglieder ihre Stimme ab. jof

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