piwik no script img

Stühlerücken beim Justizsenator

■ Diethard Rauskolb, der neue Staatssekretär für Justiz, sitzt sicher in seinem Sessel.Kein Wunder, kostete das gute Stück doch 2.200 Mark, Haushaltssperre hin oder her

Kaum im Amt, räumt der neue Justizsstaatssekretär Diethard Rauskolb (CDU) auf. Als erstes setzte er den Stuhl seines Vorgängers vor die Tür. Das Mobiliar, das dem SPD-Justizstaatssekretär Detlef Borrmann viele Jahre treue Dienste geleistet hatte, war Rauskolb nicht gut genug. Im Gegensatz zum bescheidenen Borrmann ist Rauskolb ein Mensch, der Wert auf akkurates Aussehen und auch stilvolles Ambiente legt. Und auf eine angemessene Unterlage für sein Sitzfleisch. Ein neuer Stuhl musste also her.

In normalen Zeiten hätte Rauskolb der Haushaltsabteilung der Justizverwaltung nur den Auftrag erteilen müssen, einen neuen Schreibtischstuhl zu kaufen. Aber die Haushaltskasse ist leer. Zu allem Überfluss existiert eine Haushaltssperre, weil der Senat es immer noch nicht geschaffft hat, einen Haushaltsplan für das Jahr 2000 zu verabschieden.

Doch Not macht erfinderisch. In seiner Zeit als früherer Sozial- und Gesundheitsstadtrat von Tiergarten saß Rauskolb auf einem Schreibtischstuhl, der seinen Ansprüchen voll und ganz entsprach. Um das „ergonomisch passende“ Möbelstück hatte er nach Angaben von Justizsprecherin Michaela Blume viele Jahre gekämpft, bis es ihm 1997 vom Tiergartener Verwaltungsamt schließlich bewilligt worden war. Der Preis war seinerzeit stolz: Der lederbezogene Freischwinger mit Armstützen und einer hohen Rückenlehne kostete 3.200 Mark.

Nachdem Rauskolb im vergangenen Dezember von seinem Parteifreund Diepgen zum Justizstaatssekretär gekürt worden war, wanderte der Stuhl in Tiergarten in den Keller.

Doch Rauskolb wollte weiter Rückgrat zeigen. Deshalb hat nun die Justizverwaltung dem Bezirksamt den Chefsessel zum kostengünstigen Zeitwert von 2.200 Mark abgekauft. Ein Verstoß gegen die Haushaltssperre liegt nach Angaben von Justizsprecherin Blume nicht vor. Denn erst wenn es haushaltsrechtlich möglich sei, werde die Summe auf das Konto des Bezirksamtes gebucht.

Auch der stellvertretende Tiergartener Bezirksbürgermeister Dirk Lamprecht (CDU) vermag keine Rechtsverstoß zu erkennen. Die „physische Verlagerung“ des Stuhles sei unter Zahlungsvorbehalt erfolgt. „Notfalls werden wir ihn zurückfordern.“

Im Gegensatz zu Nordrhein-Westfalen gibt es in Berlin keine Richtlinien, wie teuer die Büroeinrichtung von Führungskräften des öffentlichen Dienstes sein darf. Ein normaler Sachbearbeiter in der Berliner Verwaltung sitzt auf einem ergonomisch geprüften Stuhl, „der zwischen 200 und 600 Mark kostet“, weiß der Leiter des Landesverwaltungsamtes, Hans-Jürgen Przytarski. Im Einzelhandel würden die vom Land Berlin in großer Stückzahl abgenommenen Stühle bis zu 1.500 Mark kosten. Sie seien deshalb von sehr guter Qualität.

Was für die einen gut ist, ist anderen nicht teuer genug. Przytarski sitzt auf dem uralten Schreibtischsessel von Heinrich Lummer (CDU), der Anfang der 80er-Jahre Berliner Innensenator war. Er hat fast die gesamte Büroausstattung von Lummer übernommen. Nur den niedrigen Couchtisch hat er rausgeschmissen, weil der sich „mehr zum Cocktailtrinken als zum Aktenlesen“ eignete.

Plutonia Plarre

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen