Studium aus politischen Gründen

■ „Wie es wirklich ist, in Frankfurt Ausländer zu sein...“

In einem kleinen Proberaum im Keller des Türkischen Volkshauses arbeitet die deutsch-türkische HipHop-Band Cornucopia an ihrem ersten Demotape. Mahmut Altunay (24) und Murat Güngör (23) sind Mitglieder dieser Gruppe, deren Texte überwiegend vom alltäglich erlebten Rassismus handeln.

Mahmut ist in Frankfurt geboren und hat nach seinem Realschulabschluß Fernmeldetechniker gelernt. Wegen der fremdenfeindlichen Atmosphäre im Betrieb und der geringen Chancen, „es dort zu etwas zu bringen“, entschloß er sich, Sozialarbeit zu studieren. Einen nahezu identischen Weg ist Murat gegangen. Der ausgebildete Elektriker studiert zur Zeit Kulturanthropologie an der Uni Frankfurt. Beide legen Wert darauf, nicht nur aus individuellen Gründen, sondern auch aus politischen Gründen zu studieren. „Ich sehe doch, was für eine Rolle meine Eltern und andere Leute aus der ersten Generation hier spielen müssen; wie sie seit Jahren miese Jobs übernehmen und vom politischen und sozialen Leben ausgeschlossen sind“, so Murat G. Für ihre Generation lassen sie dies nicht gelten. Qualitativ liegen ihre Ansprüche höher, was ihr Leben in Deutschland betrifft. Den Generationenkonflikt bei Migrantenfamilien wollen beide nicht dramatisiert wissen. Natürlich haben sie Probleme mit ihren Eltern, aber das hätten deutsche Jugendliche auch. Beide versuchen, daraus Profit zu schlagen, daß sie zwei verschiedene Lebensformen mitbekommen: die Kultur von „draußen“ und die anatolische Kultur ihrer Eltern. Seit Hoyerswerda nimmt Murat Sprachunterricht in Türkisch. Mahmut beschäftigt sich mit Literatur und Geschichte der Türkei. Etwas enttäuscht berichtet er: „Meine Eltern trauen dem Ganzen nicht, wenn sich ihr langhaariger Sohn mit deutscher Freundin auf einmal intensiver mit der türkischen Kultur auseinandersetzt. Da kann ich noch so oft erzählen, daß ich die Haare nicht lang trage, weil ich gegen die türkische Kultur bin, sondern weil ich halt nicht so aussehen will wie der Durchschnitt.“

Die HipHopper wollen die verschiedenen Lebensstile miteinander verbinden und haben damit auch teilweise ihre Eltern beeinflußt. „Wenn meine Mutter jetzt in den neuen Film über Malcolm X mitgeht, sagt das doch einiges aus“, so Mahmut.

Für Murat und ihn sind beide Generationen Zielscheibe des Rassismus, auch wenn die erste Generation besonders diskriminiert und ghettoisiert wird. Diesbezüglich schreibt Murat aber auch seinen Eltern eine gewisse Schuld zu: „Die sind hierhergekommen, haben einen Job angefangen und haben sich täglich nach der Arbeit ins Haus zurückgezogen. Die haben in den ganzen Jahren nicht einmal richtig Deutsch gelernt und waren immer nur mit Landsleuten zusammen.“ Mahmut hält dem entgegen: „Wenn du seit deiner Ankunft nicht akzeptiert wirst und dir gezeigt wird, daß du unerwünscht bist, kannst du dich nicht öffnen.“ Murat und Mahmut sehen sich hier als Fremde und finden „das ganze Gehabe von Toleranz, Multikultur und vom Metropolen- Dasein Frankfurts heuchlerisch und peinlich, da nicht einmal jeder Dritte in dieser Stadt die gleichen politischen Rechte hat.“

Ihr Traum ist es, eine Platte aufzunehmen, auf der sie dann sagen, „wie es wirklich ist, in Frankfurt „Ausländer“ zu sein“... Imran Avata