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Studie zu Jugendgewalt im EmslandDer rechte Glaube machts

Nirgends in Deutschland sind Jugendliche so anständig wie im Emsland. Haben zumindest Kriminologen herausgefunden. Ein Grund sei der ausgeprägte Katholizismus.

Die Kehrseite der Medaille: Alkohol fließt im Emsland reichlich - auch in jugendliche Münder. Bild: dpa

HANNOVER taz | "Glänzend": So steht es für Christian Pfeiffer, Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN), um die Jugend im Emsland. "Jugendliche als Opfer und Täter von Gewalt im Landkreis Emsland" hat das Institut erforscht. Ergebnisse stellte Pfeiffer am Freitag in Hannover vor: Nirgendwo hierzulande ist die Jugenddeliquenz demnach niedriger als im Emsland.

6,7 Prozent der dortigen Neuntklässler gaben demnach an, im vergangenen Jahr gewalttätig gewesen zu sein. Bundesweit liegt die Quote bei 13,7 Prozent. Auch sonstige delinquente Verhaltensweisen - Ladendiebstähle, Sachbeschädigungen oder Einbrüche - kommen bei Heranwachsenden im Emsland seltener vor als im Bund.

Der einstige niedersächsische Justizminister Pfeiffer führt das auf die "intakten Lebenswelten" zurück: Gut 313.000 Menschen leben im Emsland, der Fläche nach der zweitgrößte Landkreis Deutschlands. Die Arbeitslosenquote liegt bei 3,4 Prozent, die Geburtenrate ist hoch, die CDU hat Stadt- und Gemeinderäte fest im Griff. Lingen ist mit 50.000 Einwohnern Zentrum des gesellschaftlich-kulturellen Lebens.

Zahlen zur Jugendgewalt

Insgesamt 5.000 emsländische SchülerInnen der Klassen vier, sieben und neun hat das KFN für die nun vorgelegte Studie befragt.

Einen Ladendiebstahl begangen haben im Emsland 9,1 Prozent, im Bundesschnitt waren es 13,3 %. Ähnlich groß ist der Abstand auch bei den Sachbeschädigungen: 11,6 % gegenüber 14,6 % im Bund.

Mehr als fünf delinquente Gleichaltrige kennen 9,9 % der Befragten (Bundesschnitt: 14,3 %).

Keinen Unterschied festgestellt hat das KFN beim Gewaltverhalten zwischen emsländischen Jugendlichen deutscher Herkunft und solchen mit Migrationshintergrund.

Und dort geht die Mehrheit regelmäßig zur Schule: Nur jeder dritte Befragte hat im vergangenen Halbjahr geschwänzt. "Falsche Freunde", laut Pfeiffer ein großer Einflussfaktor auf dem Weg zum Gewalttäter, haben emsländische Jugendliche überdurchschnittlich selten. Innerfamiliäre Gewalt haben 40 Prozent der Heranwachsenden erlebt - bundesweit sind es fast 60 Prozent.

Und noch eine weitere Besonderheit hat Pfeiffer festgestellt: die "präventive Kraft der katholischen Kirche". 72 Prozent der Jugendlichen im Emsland sind katholisch - und daher, folgt man Pfeiffers Thesen, überdurchschnittlich gesetzestreu. Für besonders förderlich hält der Kriminologe die soziale Vernetzung der Jugend im katholischen Milieu. Nicht nur, dass katholische Jugendliche häufiger bei beiden biologischen Elternteilen aufwachsen, 30 Prozent sind zudem in kirchlichen Jugendgruppen aktiv. Freilich: "Beten allein tuts nicht", sagt Pfeiffer, "der christliche Glauben entfaltet seine präventive Wirkung erst in Gemeinschaft". Was für die evangelische Kirche nicht gelte: "Vergleichbare Ergebnisse haben wir dort nicht anzubieten", sagt Pfeiffer.

Anderes hat der überzeugte Protestant Pfeiffer bereits zum Islam zu sagen gewusst: Indirekt erhöhe der die Gewaltbereitschaft, heißt es in einer KFN-Studie. Gläubige Moslems identifizierten sich häufiger mit einer sogenannten Macho-Kultur und lehnten Integration stärker ab. Beides begünstige Gewalt.

"Einen einzigen Wermutstropfen" sieht Pfeiffer indes auch im Emsland: den Alkohol. Jeder fünfte befragte Viertklässler hat im vergangenen Jahr Alkohol getrunken. Fast 70 Prozent der Jugendlichen haben sich im Monat vor der Befragung in den Rausch getrunken. Vor allem die Volksfeste, sagt Pfeiffer, seien eine "massive Verführung, sich volllaufen zu lassen".

CDU-Landrat Hermann Bröring zeigt sich über die Emsland-Studie "hoch erfreut": Intensiv bemühe man sich um das Wohl der Jugend. Früh habe man auf Ganztagsschulen gesetzt, Sozialarbeiter gebe es an Schulzentren seit zehn Jahren, bei der Ausbildungssuche helfe auch schon mal der Ortsbürgermeister. Vier Dinge müssten Schüler im Emsland für den Berufseinstieg können: "Lesen, Schreiben, Rechnen und die zehn Gebote."

Das Lob für die katholische Kirche dagegen mag der Christdemokrat nicht recht teilen: Die nämlich sei im Emsland die Organisation, "die die meisten Feste veranstaltet, bei denen ich Sorge habe, dass dort das berühmte Komasaufen stattfindet".

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11 Kommentare

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  • TW
    Teodor Webin

    mh, um einen Beruf zu bekommen, muss man als Schulabgeänger, lesen, schreiben, rechnen und die 10 gebote können? Also ich kann nur lesen und schreiben... na, deswegen musste ich da wohl auch wegziehen...

     

    Katholischer als im Emsland ist man nur noch in Paderborn und Umgebung...

     

    'n bißchen Gewalt von Prekarisierten ist dieser Friedhofsruhe jedenfalls vorzuziehen.

  • M
    Micha

    Ich denke nicht, dass die Religion hier eine übergeordnete Rolle spielt und frage mich auch, inwieweit man der Studie überhaupt Bedeutung zurechnen sollte. Das Emsland ist ein Landkreis mit ein paar Kleinstädten und vielen Dörfern, da sind viele Faktoren, die bei Jugendgewalt in den Städten eine Rolle spielen, viel weniger ausgeprägt.

     

    Ausserdem habe ich in meiner Jugend im Emsland nicht unbedingt mitbekommen, dass die Menschen dort übermässig religiös sind. Sicherlich sind die meistens katholisch getauft, aber das spielt nicht so eine riesige Rolle. (@Horst, das Emsland ist definitiv mehrheitlich katholisch. Die umliegenden Landkreise eher evangelisch.)

     

    Auch andere Zahlen wie z.B. die niedrige Arbeitslosenquote überraschen mich ein wenig, aber vielleicht hat diese sich in den letzten 10 Jahren stark verbessert...

  • S
    Simon

    Ich komme selber aus dem Emsland, und muss leider sagen, dass Gewalt bei den "Volksfesten" keine Ausnahmen ist.

    Zudem sehe ich ebenfalls das Problem des "Komsaufens". Viele Feten werden von der KLJB (Katholische Landjugendbewegung)veranstaltet. Gerade die "1€ Zeltfeten" verlocken Jugendliche zum Saufen, und das unter dem Namen der Kriche.

    Auch einige Minderjährige mussten schon mit dem Krankenwagen wegen Alkoholvergiftungen ins Krankenhaus gebracht werden.

    Ich bin der Meinung, dass wenn der Alkoholkonsum im Emsland, gerade bei Jugendlichen, verringert werden kann, werden auch die Gewalttaten weiter zurück gehen.

  • S
    Sandra

    Es muss endlich was gegen diese Gewaltexzesse getan werden. Wir brauchen härtere Strafen und mehr Kontrolle von Bahnhöfen. Hoffe mal, dass Herr Hermann da heute Abend die richtigen Worte für findet: http://on.fb.me/gnPIns

  • M
    maike

    Bei rechtem Glauben werden die meisten ans NAzis denken.Besonders Migranten verstehen sowas nicht!

     

    Ausserdem würde ich sagen das die Freikirchlichen Protestanten noch friedlicher sind.

  • V
    vindexsinenomine

    Pfeiffer ist der Wilders oder Colin Goldner der Kriminologie, hetzt und lügt er nicht gegen Videospiele, braucht er andere Feindbilder und Ideale, etwa Ausländer, Unterschicht- ler und andere.

     

    Auf der anderen Seite wäre das ein Paradebeispiel für praktizierten Gruppendruck, Diktatur der Masse über das Individuum. Man kann den Druck durch Religion und Gesellschaft auch mit einer Droge vergleichen.

     

    Bei Pfeiffers Umfragen fehlt es an Wissen-schaftlichkeit, seine Fragebögen sind dafür bekannt, darauf ausgelegt zu sein seine Meinung und Ideen zu beweisen und nicht darauf aus den Daten auf Thesen und Ideen zu kommen oder einfach ausgedrückt, Pfeiffer weiß schon am Anfang seiner Untersuchungen, was am Ende das Ergebnis ist. Wie seine Kollegen häufig feststellen mußten, gibt er seine Studien und Zahlen auch niemanden in die Hände und verweigert die Auswertung seiner Daten durch Außenstehende.

     

    Es wäre natürlich auch interessant zu wissen, wie andere Landkreise abgeschnitten haben und wie stark die Unterschiede sind. Natürlich ist im Falle von Pfeiffer auch die Frage nötig, ob die Faktoren der unterschiedlichen Landkreise, was Ausländeranteil, Arbeitslosigkeit,Siedlungsstruktur, etc. überhaupt berücksichtigt hat und ob der Herr Kriminologie nicht einmal wieder Äpfel mit Steinen vergleicht.

     

    Vielleicht ist auch einfach nur Scham der Grund für die Ergebnisse, wer unter gesellschaftlichen oder religiösen Druck steht, fängt an zu lügen, wenn er Angst hat bloss gestellt zu werden oder seiner Gemeinschaft zu schaden. Loyalität gegenüber den seinen ist nicht immer förderlich.

     

    Pfeiffers wissenschaftlicher Horizont beschränkt sich leider auf das Machen von Schlagzeilen und auf das Erfüllen seiner Pflichten als Wissenschaftler.

  • S
    Stefan

    „6,7 Prozent der dortigen Neuntklässler gaben demnach an…“

    Und wie sieht die objektive Kriminalstatistik aus? :p

    „Innerfamiliäre Gewalt haben 40 Prozent der Heranwachsenden erlebt…“

    Ich habe Aussagen von orthodoxen Katholiken gehört, nach denen sie Züchtigung nicht als Gewalt ansehen.

    Die Art der Umfrage erinnert mich irgendwie an Gutachter von Pflegeversicherungen, die einer 90-jährige Demenzpatientin Fragen wie „Und können sie sich denn noch die Schuhe alleine zubinden?“ stellen nach einem „Jaaaa“ ihr Häkchen auf dem Fragebogen setzen.

    Das ist ungefähr genauso aussagekräftig.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Überbewertung

    Als eine Art Überbewertung kann man es ansehen,dass junge Menschen nicht straffällig werden,im, Gegensatz zu anderen Gegenden.Das Emsland ist überwiegend katholisch geprägt,was aber nicht heißt dass evangelische junge Menschen eher einen straffälligen genetischen Code in sich tragen.

    Es gibt auch nicht gläubige junge Menschen,die nicht mit der Justiz in Berüherung kommen.

    Das familiäre und soziale Umfeld prägt einen Menschen und dies entscheidet mit,ob ein Mensch mitb dem Gesetz in Berührungh kommt.

    Aber auch im Emsland gibt es Verstöße,die verfolgt werden.

    Von einer Überbewertung,,dass der Glaube,die Konfession mit darüber entscheidet,ob jemand mit dem Gesedtz in Konflikt gerät.

  • H
    Horst

    Der Katholizismus mag ja durchaus Anteil am braven Verhalten von Jugendlichen haben, nur ist das Emsland dummerweise durchgängig evangelisch...

  • N
    naja

    Der Pfeiffer halt,

     

    warum gibt man so einem Typen überhaupt noch ein Forum? Demnächst stelle ich mich auch hin und fälsche Studien wie er es tut

  • HS
    Hans Stoffel

    Ob dieser Studie methodisch sauberer ist als die, die religiösen Muslimen kurioserweise (ja, für Menschen, die viel mit "Kulturmuslimen" wie auch mit religiösen, sprich: praktizierenden Muslimen umgehen und beide Gruppen gut kennen hört sich das wirklich kurios an) mehr "Muchokultur" attestiert? Das wäre sehr zu hoffen.

     

    Ansonsten würden Moscheegemeinden in der gleiche Art und Weise ein befriedend wirkendes Gemeindeleben entfalten - wenn man ihnen erlauben würde, sich organisatorisch entsprechend aufzustellen. Schon heute tun das viele Moscheen im Rahmen ihrer sehr begrenzten Möglichkeiten - ohne Kirchensteuereinnahmen und mit kaum nennenswerter staatlicher Förderung durch Zuschüsse.

     

    Nicht einmal das Problem "Koma-Saufen" stellt sich auf den Veranstaltungen der Moscheen ...

     

    Es grüßt Euch: Stoffel