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Studie zu FamilienpolitikIrritierendes Wahlverhalten

Eltern wünschen sich von Politikern Geld, Zeit und gute Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder. Wen sie deshalb wählen sollen, wissen sie nicht.

Beklagen mangelnde Kitaplätze – und wollen gleichzeitig möglichst lange zu Hause bleiben: Eltern. Bild: dpa

BERLIN taz | Knapp 40 Prozent für die Union, 24 für die SPD und 22 für die Grünen. So würden Eltern wählen, wenn sie am nächsten Sonntag bundesweit an die Wahlurnen treten müssten.

Damit weicht das Wahlverhalten von Menschen, die sich in der sogenannten „Rushhour des Lebens“ befinden und Familie und Beruf unter einen Hut bekommen müssen, gar nicht so sehr ab von jenen Frauen und Männern, die die Familienplanung noch vor sich haben. Das hat die Umfrage „Wenn Eltern die Wahl haben“ des Meinungsforschungsinstituts forsa im Auftrag der Zeitschrift Eltern ergeben.

Einzige Ausnahme: Die Grünen schneiden bei Eltern weitaus besser ab als bei anderen Wahlberechtigten. Machen die Grünen also eine besonders fortschrittliche Familienpolitik? Setzen sie sich mehr für Kinder und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein als andere Parteien?

Die meisten befragten Eltern können diese Fragen nicht beantworten – sie wissen zu wenig darüber. Knapp zwei Drittel der 18- bis 34-Jährigen gab an, von den familienpolitischen Zielen der im Bundestag vertretenen Parteien keine Ahnung zu haben. Gerade mal sechs Prozent der Leute weiß, was die Parteien, die sie wählen wollen, für sie tun.

Für das Ehegattensplitting – und für die SPD

Besonders irritierend zeigt sich dieser Widerspruch beim Ehegattensplitting. 81 Prozent der Befragten plädieren für die steuerliche Entlastung von Lebensmodellen, bei denen ein Ehepartner viel und der andere weniger oder gar nichts verdient. Gleichzeitig wollen sie der SPD ihre Stimme geben – jener Partei, die jedoch im Falle eines Wahlsiegs das Ehegattensplitting reformieren will.

Gleichwohl wissen Eltern genau, was sie brauchen, um ihren Alltag zu bewerkstelligen: Geld, Zeit, ausreichend Betreuungs- und gute Bildungschancen für ihre Kinder. In Zahlen ausgedrückt, liest sich das zum Beispiel so: 83 Prozent plädieren für ein kostenloses Kita-Jahr als Pflicht, 87 Prozent wünschen sich Ganztagsschulen.

Und noch ein Widerspruch wurde offensichtlich: 43 Prozent der Väter und 40 Prozent der Mütter wollen ihre Kinder gerne drei Jahre und länger zu Hause betreuen – und gleichzeitig beklagen drei Viertel der Eltern, dass Kita-Plätze für unter Dreijährige fehlen.

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8 Kommentare

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  • X
    xzzzzzzzzzzzzzzzzzzz

    @bempo

     

    richtig es sind die Medien, die hier verdummen.

     

    Beim Betreuungsgeld für unter Dreijährige bildet man Siebenjährige mit lustigen Zahnlücken beim Schachspielen ab. Die Bildunterschrift lautet dann "CSU will Kinder Bildung verweigern"

     

    Das wirkliche familienpolitische Problem ist, dass meist postklimaktelle, oft kinderlose Frauen oder ehemalige Ostfrauen( die den West-Arbeitsmarkt nie richtig kennengelernt haben) die Disskusion beherschen. In ihrer Filterbubbel ist die Zeit entweder vor 89 oder vor dem Klimakterium stehen geblieben. Dass neben Erwerbstätigkeit es auch die Arbeitsbelastung der Fürsorge gibt, wurde einfach ausgeklammert. Über die Hälfte aller Publizistinnen sind kinderlos, die Hälfte der Politikerinnen sind kinderlos, die meisten Gewerkschafterinnen und aktive Feministinnen sind kinderlos. Und die wenigen, die vielleicht gerade mal ein Kind haben, sind oft sehr priviligiert und können sich von Fürsorgepflichten freikaufen.

  • S
    Sören

    Hört sich für mich nach einer typischen Forsa-Umfrage an, nutzlos und ohne aussagekraft. Man müsste wissen, wie die Familienverhältnisse der Befragten waren (Alleinerziehend, verheiratet, unverheiratet mit Kindern) und wie ihr beruflicher und finanzieller Status ist, um die Ergebnisse einordnen zu können.

     

    So wissen wir nur, dass die Leute nicht wissen, wie die Familienpolitik aussieht, und daher basieren die Ergebnisse eher auf Intuition als auf faktenbasierten Meinungen. Das Ehegattensplitting bevorzugt eine Rechtsform, mit Kinderförderung hat es wenig zu tun.

     

    Die kommende Bundesregierung sollte erst ihre Ziele für die Familienpolitik definieren, und dann Reformen einleiten, die diesen Zielen dienen. M.E. sollten dies die Gleichstellung von Mann und Frau, Chancengleichheit für Kinder in der Bildung und Schutz von Kindern vor Armut sein.

  • SE
    Äscht eij

    ja, es ist wirklich irritierend, das es in Deutschland Menschen mit Kindern gibt.

    Noch irritierender ist, dass sich diese für ihre Kinder einsetzen.

     

    Wirklich, und auch empörend, für alle Parteien.

  • H
    Hanne

    Schön zusammen getragen! Danke :-)

     

    Wer beschäftigt sich schon mit den Inhalten einer Partei bzw. deren Wahlversprechen, wenn man rund um die Uhr mit Job, Familie und Haushalt beschäftigt ist und es einem doch noch wohl relativ gut geht unter den eigenen und gegebenen Umständen?

     

    Dass gut 40 % ihre Kinder 3 Jahre und länger zuhause betreuen möchten steht für mich nicht im Widerspruch mehr Kitaplätze zu fordern. Nur so habe ich doch tatsächlich eine Wahl, oder!?! (Wie war denn eigentlich die Verteilung der befragten Eltern auf die Bundesländer?)

    Außerdem kann ich mit Kitaplätzen für unter Dreijährige als Elternteil auch immer noch zuhause bleiben, dafür in Ruhe einkaufen gehen, die Wohnung in Schuss halten und die Kinder guten Gewissens bei Krankheit solange wie nötig auch zuhause lassen und versorgen. Das kenne ich auch so. Im Alter von 3 Jahren besteht dann nicht der Stress, dass das Kind "plötzlich" in den Kindergarten muss und das genau in einer Phase, in der es sowieso eigentlich lieber zuhause bleibt. An die "guten" Infektionskeime sind die Kinder dann auch alle schon gewöhnt und "Mutti" und/oder "Vati" können dann schön arbeiten gehen, ohne das Gefühl zu haben, ihre Kinder in den ersten Jahren vernachlässigt zu haben.

     

    Kritisch stehen Eltern dem Ehegattensplitting spätestens gegenüber, wenn die Scheidung ansteht ;-) Dieses Steuerinstrument gehört meiner Meinung nach wirklich sofort abgeschafft, um dieser Verblendung ein Ende zu machen. Familien können auch anders unterstützt werden als über ein absurdes Ehegattensplitting.

  • B
    bempo

    @Gast:

     

    Aber schön verpackt kommt es beim Volk anders rüber: Ehgattensplitting ist ja sowas von altmodisch und unemanzipatorisch... Die Familien finaziell abziehen hingegen modern und gendergerecht. Mit dem reformierten (sprich: abgeschafften) Ehegattensplitting werden alle gleich heftig über den Leisten gezogen.

  • B
    bempo

    Das ist der Propagandaleistung der Medien zuzuschreiben. Die Leute lesen/sehe/hören etwas und murmeln es nach... ohne darüber nachzudenken, was das für Konsequenzen hat. Beobachtet man immer wieder. Das Volk wir von den Medien zu beistmmten Themen solange beackert, bis es glaubt, es habe eine eigene Meinung. Dann kommt das nächste Thema usw.(siehe z.B. Hartz IV, Raucher/Nichtraucher, Kriegseinsätze, das Merkel). Das es dabei schon mal zu widersprüchlichen "Meinungen" kommt, geht spätestens dann unter, wenn eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird. Ich schließe daraus, daß die Medienmündigkeit der Bürger somit also schon bewußt ziemlich weit untergraben wurde.

  • R
    ReVolte

    Schmollack und Widersprüche ist eigentlich ein Thema für sich. Aber gut.

     

    Ich werde keine der drei Parteien wählen, denn als Vater bin ich nach aktuellen politischen Willen von CDU, SPD und Grün nichts als zu diskriminierende Verfügungsmasse. Reaktionäre, frauenzentrierte Familienpolitik a la Edith Schwab, deren offizieller Ruf nach dem betreuenden Vater nichts als verlogenes Lippenbekenntnis ist.

  • G
    Gast

    Die befragten Eltern spiegeln in ihren Antworten doch nicht ihre eigene Widersprüchlichkeit,

    sondern nur ihr pragmatisches Verhalten gegenüber einer widersprüchlichen Realität.

     

    Bsp. Ehegattensplitting:

     

    WEIL in der Realität Männer meistens bedeutend mehr verdienen als Frauen, plädieren die Eltern vernünftigerweise FÜR das Ehegattensplitting. Jede andere Lösung würde sie steuerlich schlechterstellen.

     

    Schaffte man das Ehegattensplitting z.B. 2013 ab, würde sich doch die Realität auf dem Arbeitsmarkt nicht verändern.

    Weder würden Frauen und Männer gleichviel verdienen. Noch würden genügend gewollte Teilzeitstellen für Männer und Frauen zur Verfügung stehen.

     

    Abschaffung des Splittings würde bedeuten, dass viele ungleich verdienende Elternteile durch die Abschaffung des Splittings auf einen Schlag viel weniger Einkommen zur Verfügung hätten.

     

    Abschaffung des Splittings würde bedeuten, dass die Auswirkungen KOMPLETT auf dem finanziellen Rücken von Familien ausgetragen würden.

     

    Dass diese dennoch SPD wählen würden, hat vielleicht damit zu tun, dass die SPD wenigstens für bestehende Ehen den Bestandsschutz des Splittings festschreiben möchte.

     

     

    Das Problem beim Ehegattensplitting (bzw. seiner geforderten Abschaffung) wie bei vielen anderen Gesetzen ist:

     

    Weder das eine noch das andere Gesetz befördert wirklich die WAHLFREIHEIT für die davon betroffenen.

     

    Eine WAHL - und damit FREIHEIT - hätten ALLE erst, wenn

     

    a) weder der Staat mit seinen Einkommensteuerregelungen

     

    noch

     

    b) die Arbeitgeber mit ihren strikten Arbeitsplatzanforderungen

     

    einzelne Lebensmodelle privilegieren und damit protegieren würden.

    Doch beide tun es.