Studie des BUND: Neoliberalismus im Wald
Mangelhafte Forstwirtschaft: Durch Vernachlässigung des Naturschutzes werden die Wälder geschädigt. Der BUND plädiert für ein besseres Waldgesetz.
BERLIN taz | Die deutsche Forstwirtschaft vernachlässigt zunehmend den Naturschutz und schadet damit dem Wald. Das ist das Ergebnis einer Studie, die der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) am Dienstag in Berlin vorstellte. "Der Neoliberalismus hat Eingang in unsere Wälder gefunden", erklärte der Chef des Umweltverbandes, Hubert Weiger. Anstatt dem Leitbild von Nachhaltigkeit und naturnaher Waldwirtschaft zu folgen, dominiere das Gewinnstreben.
Der Wald hat eine große ökologische Bedeutung als Heimat bedrohter Tier- und Insektenarten. Er trägt zum Klimaschutz bei, ist unverzichtbar für den Wasserhaushalt und den Bodenschutz. Naturnahe Laubwälder, besonders Buchenwälder, gehören hierzulande zum flächenmäßig bedeutsamsten Naturerbe. Ursprünglich war ein Viertel der weltweiten Buchenbestände in Deutschland beheimatet. Inzwischen ist der größte Teil abgeholzt oder in Nadelwälder umgewandelt worden.
Vor allem aufgrund der zeitweise niedrigen Holzpreise erwirtschafteten öffentliche Staatsforste in der Vergangenheit keine Gewinne. Um der politischen Vorgabe, wenigstens eine "schwarze Null" zu schreiben, nachzukommen, folgt die Forstwirtschaft nun neoliberalen Mustern: Personal wurde abgebaut, stattdessen werden verstärkt schwere Maschinen eingesetzt, mit denen die Arbeit schneller vonstatten geht, die aber auch zu Schäden vor allem des Waldbodens führen. Mit der Ausführung der Arbeiten werden zudem oft die günstigsten, aber nicht kompetentesten Anbieter beauftragt. In seinem "Schwarzbuch Wald 2009" dokumentiert der BUND Verstöße gegen nationale und europäische Naturschutzgesetze und -richtlinien. Dazu gehören Kahlschläge selbst in Schutzgebieten und Fällungen wertvoller Altbaumbestände. Auch Bäume, die seltene Käferarten beherbergen, fallen der Säge zum Opfer.
"Die heutige Waldwirtschaft genügt weder den gesetzlichen Anforderungen noch dem Natur- und Artenschutz", kritisiert Weiger. Dabei käme gerade öffentlichen Wäldern eine Vorbildfunktion zu. Hier sei Nachhaltigkeit erforderlich, um als Vorbild für private Waldbesitzer zu wirken. Die Nutzung dürfe nicht weiter zur Verschlechterung des Ist-Zustandes führen. Von der Bundesregierung erwartet der Verband daher, das Bundeswaldgesetz zu novellieren, Nachhaltigkeitskriterien darin zu verankern und verbindliche Standards der "guten fachlichen Praxis" zu definieren. Diese könne nicht heißen, beim Auftreten einzelner Borkenkäfer Kahlschläge anzuordnen oder kränkelnde Bäume flächendeckend zu beseitigen, um wegen der Verkehrssicherungspflicht potenzielle Gefahren an Wegen und Straßen zu beseitigen, so Weiger. Hier seien Einzelprüfungen nötig. Der Umweltverband fordert ein generelles Kahlschlagverbot und die Ausdehnung der nicht forstwirtschaftlich genutzten Waldfläche von 0,5 auf fünf Prozent.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit