Studie der Weltbank: Dritte Welt ist ärmer als gedacht
Die Weltbank meldet mehr Arme, aber auch deutliche Erfolge bei der Bekämpfung extremer Armut. Entwicklungsorganisationen kritisieren fehlende Fortschritte im Kampf gegen den Hunger.
In den Entwicklungsländern ist Armut weiter verbreitet als bislang angenommen, schreibt die Weltbank in einer neuen Studie. Nach bisheriger Schätzung belief sich die Zahl der absolut Armen 2004 auf 985 Millionen Menschen. Doch die neue Studie kommt für 2005 auf 1,4 Milliarden Menschen.
Die Autoren haben ihrer Untersuchung eine neue Erhebung über die tatsächlichen Lebenshaltungskosten in verschiedenen Ländern zugrunde gelegt. Darauf basierend setzen sie die absolute Armutsgrenze, die bislang bei 1 Dollar pro Tag lag, etwas höher an. Auch mit 1,25 Dollar ist man demnach noch extrem arm. Bei diesen Werten handelt es sich nicht um wirkliche US-Dollar, sondern um ein Äquivalent, das die Kaufkraft eines Dollars je nach dem Preisniveau in den verschiedenen Ländern und Zeiträumen abbildet.
"Die sich entwickelnde Welt ist ärmer, als wir glaubten, aber nicht weniger erfolgreich bei der Armutsbekämpfung" , lautet die Schlussfolgerung der Autoren Shaohua Chen und Martin Ravallion, und so haben sie auch ihr Papier überschrieben. Lebten 1981 noch 1,9 Milliarden Menschen - gut die Hälfte der Bevölkerung der Entwicklungsländer - unterhalb der 1,25-Dollar-Grenze, waren es 2005 noch 1,4 Milliarden Menschen. Wegen des Bevölkerungswachstums seither gilt nun nur noch jeder Vierte als arm, das heißt, die Armutsquote hat sich halbiert. Allerdings ist der teilweise dramatische Anstieg der Lebensmittelpreise seit 2005 in den vorliegenden Zahlen noch nicht berücksichtigt, schränken die Autoren ein.
Weltbank-Chefökonom Justin Lin bleibt zuversichtlich: "Die neuen Zahlen bestätigen, dass wir wahrscheinlich das erste Millenniumsentwicklungsziel, bis 2015 die Zahl der Armen gegenüber dem Niveau von 1990 zu halbieren, erreichen werden." Allerdings müsse man dafür die Anstrengungen verdoppeln angesichts der "ernüchternden Nachricht, dass Armut weiter verbreitet ist als angenommen, vor allem in Afrika".
In der Tat zeigen auch die neuen Zahlen ein dramatisches Entwicklungsgefälle zwischen den Weltregionen. Während in Ostasien zwischen 1981 und 2005 der Anteil der Bevölkerung mit weniger als 1,25 Dollar am Tag von fast 80 auf 18 Prozent fiel, verharrt die Armutsquote in Afrika südlich der Sahara hartnäckig bei 50 Prozent.
Insbesondere die wirtschaftlichen Erfolge Chinas, die sich die Weltbank freilich nicht auf die Fahnen schreiben kann, hübschen die Bilanz auf. In den übrigen Entwicklungsländern hielt sich die Zahl der Armen bei 1,2 Milliarden. Das entspricht einem Rückgang der Armutsquote seit 1981 um nur ein Viertel auf 29 Prozent. "Die bisherigen Trends bedeuten, dass die Entwicklungsländer ohne China nicht auf dem Weg sind, die Millenniumsentwicklungsziele zu erreichen", resümieren Chen und Ravallion.
Mehrere zur Alliance2015 zusammengeschlossenen europäischen Entwicklungsorganisationen kritisierten unterdessen, dass der Kampf gegen den Hunger - ebenfalls Bestandteil der Millenniumsziele - keine spürbaren Fortschritte mache. "850 Millionen Menschen wissen nicht, was sie am nächsten Tag essen sollen", sagte der Generalsekretär der Deutschen Welthungerhilfe, Hans-Joachim Preuß, in Brüssel. Die EU sollte deshalb 1 Milliarde Euro, die in ihrem Agrarhaushalt überschüssig seien, gezielt für die Bauern in armen Ländern bereitstellen.
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