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Studie aus BerlinAntisemitismus in jedem Jugendclub

Antijüdische Ressentiments bei muslimischen Jugendlichen werden durch den Nahost-Konflikt verschärft, stellt eine Studie über Jugendeinrichtungen in Berlin fest.

Eskalationen im Nahostkonflikt fördern Antisemitismus bei jungen Muslimen. Bild: reuters

BERLIN taz "Du Jude!" ist als Schimpfwort Alltag in vielen Jugendclubs. "Das gehört zum guten Ton", sagt die Leiterin einer Jugendeinrichtung in Berlin-Kreuzberg. Dort hat Amira, ein Projekt zu "Antisemitismus im Kontext von Migration und Rassismus", insgesamt 40 MitarbeiterInnen aus Jugendarbeit und Migrantenorganisationen befragt. Das Ergebnis: In fast allen Jugendeinrichtungen in Berlins Multikulti-Bezirk gibt es antisemitische Äußerungen, in Einzelfällen sogar gewalttätige Übergriffe. Meist gehen sie von Jugendlichen mit arabischen oder palästinensischen Wurzeln aus.

Cem Özdemir glaubt nicht, dass das eine Ausnahme ist. Antisemitische Tendenzen bei Muslimen seien ein ernst zu nehmendes Problem, meint der Bundesvorsitzende der Grünen. "Es gibt viele Spielarten des Antisemitismus, und das ist eine davon", sagte er am Montagabend auf einer Podiumsdiskussion in Berlin-Kreuzberg. Hintergrund war die Vorstellung einer Broschüre zum Thema, die die Amadeu-Antonio-Stiftung herausgegeben hat. Die AutorInnen sehen ein "neues Problemfeld, das in den großen urbanen Wohnquartieren mit überwiegend muslimischer Wohnbevölkerung zu finden ist".

Wie groß das Problem wirklich ist, ist weitgehend unerforscht. Einen Anhaltspunkt gibt eine Studie über "Muslime in Deutschland", die das Bundesinnenministerium 2007 herausgegeben hat. Darin wurden 500 muslimische SchülerInnen in einer Frage auch zu antisemitischen Ressentiments befragt. Der Aussage "Menschen jüdischen Glaubens sind überheblich und geldgierig" stimmten 15,7 Prozent zu. Bei den Deutschstämmigen waren es 5,4 Prozent.

Zudem steigt die Anzahl von antisemitischen Straftaten, für die muslimische Tatverdächtige verantwortlich gemacht werden. Im Jahr 2006 waren es 88 - doppelt so viele wie im Jahr zuvor.

Während das Thema häufig pauschal diskutiert wird, bemühten sich die AutorInnen der Broschüre, von denen fünf neben Özdemir auf dem Podium saßen, um Tiefgang. Mehrfach betonten sie, dass der Fokus hier zwar auf muslimischen Jugendlichen liege, Antisemitismus aber mitnichten nur ihr Problem sei.

Die AutorInnen sehen ein ganzes Bündel von Ursachen für das Problem. Eine davon ist der Nahost-Konflikt. "Das ist der häufigste Grund für die ablehnende Haltung gegenüber Jüdinnen und Juden", sagte Mirko Niehoff von der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus, die Bildungsarbeit in Schulen macht. Mit dem eigentlichen Konflikt habe das, da waren sich die ExpertInnen einig, aber nur begrenzt zu tun. "Dieser Konflikt wird auf die eigene Identität projiziert", erläuterte Hanne Thoma vom American Jewish Committee. "Das passiert, weil sich die Jugendlichen nicht auf Deutschland beziehen können." Islamistische Organisationen, ergänzte Claudia Dantschke vom Zentrum Demokratische Kultur, verstärkten diese Tendenz. "Die Botschaft lautet: Wir Muslime sind die Ausgegrenzten in der ganzen Welt." Das sei jüngst bei der von Milli Görüs organisierten Gaza-Demo gut zu beobachten gewesen.

Wichtig für die pädagogische Arbeit sei, die individuellen Gründe der Jugendlichen herauszufinden, sagte Thoma. Oft spiele Gruppendynamik eine wichtige Rolle. "Und um die deutsche Mehrheitsgesellschaft zu provozieren, ist Antisemitismus ein sehr wirksames Mittel." Bei der Bekämpfung komme den Schulen besondere Bedeutung zu, da sind sich die AutorInnen einig. Viel zu häufig hörten Lehrer weg, wenn antisemitische Äußerungen fallen, an der Auseinandersetzung seien zu wenige interessiert. Thoma: "Die Schulen setzen andere Prioritäten."

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36 Kommentare

 / 
  • W
    willi übelherr

    es ist sehr schmerzlich, den verfall kritischer

    betrachtung bei der taz wahrnehmen zu müssen.

     

    unvoreingenommene betrachtung der geschichte im nahen osten zeigt uns den konflikt als zwischen der kolonialen besatzung durch den staat israel und der nationalen befreiungsbewegung der palästinenser gegen den landraub und ihre vernichtung.

    und, wie judith butler in der TU wieder darauf hingewiesen hat, daß die deutschen und europäer ihre schuld gegenüber den jüdischen menschen nicht über die palästinenser entladen können.

     

    insofern ist den islamischen jugendlichen anerkennung auszusprechen für ihre abwehr der dogmatik und demagogie, mit der hier in deutschland die endlose anwendung rassistischer gewalt durch die israelischen staatsorgane und siedlergruppen gedeckt und unterstützt wird. aber diese anerkennung kann ich auch vielen deutschen jugendlichen aussprechen, weil sie sich das eigene freie denken nicht verbieten lassen.

     

    und es ist hier auf ihre leere begrifflichkeit hinzuweisen. semiten sind die palästinenser und nicht die europäischen und eurasischen jüdischen siedler. die palästinenser stehen in ethnischer kontinuität mit den frühen jüdischen bewohner palästinas, und nicht die jüdischen siedler. insofern sollten sie in ihrem begriffsverständnis

    dann von anti-jüdisch und/oder anti-zionistisch sprechen und hierbei die israelischen historiker nicht aus den augen verlieren.

  • I
    Irene

    Hallo Sinnsucher,

     

    wenn man "Scheissjude" brüllt und Ihnen eine Plastiktüte über den Kopf stülpt ist das ziemlich eindeutig.

  • S
    Sinnsucher

    @Irene: es gibt Fälle, wo Türken Deutsche schlagen. Ist das dann gleich Antideutschismus? Es gibt Fälle, wo Deutsche Türken schlagen.

    Ist das dann Antitürkismus? Es gibt Fälle, wo Rußlanddeutsche Jugendliche auf hier gebürtige Deutsche einschlagen. Antideutschismus? Es soll sogar Fälle geben, wo Deutsche (auch Rentner) von Deutschen geschlagen werden. Welches Anti... ist das dann?

    Antisemitismus ist zwar eine einfache Erklärung, ist mir als Pauschalerklärung aber immer zu schnell zur Hand.

  • I
    Irene

    Ich lese die taz unter anderem auch deshalb, weil ich da von rassistischen und antisemitischen Vorfällen und Hitergründen erfahre, die anderswo garnicht erst thematisiert werden.

    Ich würde mir daher wünschen, dass das Thema muslimischer Antisemitismus in der taz nicht so banal im Vorbeihuschen abgehandelt wird.

    Ich kenne einen Fall, bei dem ein jüdischer Schüler von 5! türkischen Mitschülern überfallen wurde. Wurde die Polizei alarmiert? Hat man den Staatsschutz eingeschaltet? Mitnichten, die Sache wurde mehr oder weniger unter den Teppich gekehrt, aus der Öffentlichkeit herausgehalten und schuldisziplinarisch behandelt. Zum einen, damit der jüdische Junge nicht noch mehr schikaniert wird, zum anderen um den Tätern die Zukunft nicht zu verbauen. Nicht einmal deren Eltern wurden informiert.

    Mit dem Gaza-Konflikt haben alle Beteiligten übrigens etwa soviel zu tun wie ich.

  • B
    Beobachter

    Nicht nur "primitve" - auch Jugendliche aus dem sog. "Bildungsbürgertum" verhalten sich mehr und mehr antisemitisch. So bringt stattweb.de am 24-2-09:

    Der Pforzheimr Staatsschutz ermittelt aktuell wegen des Verdachts auf Volksverhetzung gegen zehn Schüler des Pforzheimer Kepler-Gymnasiums.

    Die 16 bis 17 Jahre alten Gymnasiasten sollen am 2. Weihnachtsfeiertag 2008 vor dem Haus eines jüdischen Mitschülers antisemitische Parolen skandiert haben. Ein Schüler habe außerdem gegen die Haustür uriniert und Feuerwerkskörper seien gegen das Haus geschossen worden.

     

    Ich finde, es wird Zeit, dass sich die Politiker mit diesem schäbigen Phänomen auseinandersetzen.

  • K
    Kommentator

    Leider wahr.

    Den offensten Antisemitismus habe ich (in den alten Bundesländern ansässig) unter türkischen Jugendlichen erlebt.

    Das heißt aber nicht - wie korrekt erwähnt - dass dieser nicht auch in den anderen Bevölkerungsgruppen grassiert.

    Viele ältere vertreten ihn, Jugendliche ahmen ihn von besagten arabisch- oder türkischstämmigen Altersgenossen nach und sieht man aber in die ostdeutsche Provinz, so scheint dieser gepaart mit der restlichen Neonazi-Ideologie mindestens so stark vertreten zu sein wie unter erster Gruppe.

     

    Es hilft nichts Antisemitismus einseitg irgendwelchen Gruppen in die Schuhe schieben zu wollen - oder wie der Kommentar unter mir - diesen als Multikulti-Antisemitismus zu benennen.

    Er ist flächendeckend verstreut.

    Das drückt der Artikel richtig aus.

     

    Dennoch: unscharfe konstrukte wie dem des strukturellen Antisemitismus sollte man fern bleiben. Sie dienen meist nur der Diskreditierung von linker Kritik, die meist gar keine antisemitischen Ressentiments transportiert.

     

    Kritik an Israels Außenpolitik ist ebenso nicht immer antisemitisch motiviert.

  • N
    Nasowas

    Solange Kritik an der Politik Israels als 'Antisemitismus' gewertet wird, haben derartige Studien keinen Aussagewert!

  • T
    t.s.

    Wen wundert das?

     

    Zionismus und Antisemitismus waren schon immer miteinander verkoppelt. Je mehr Antisemitismus, desto mehr Alija - Auswanderung nach Palästina.

    Man erinnere sich dazu auch an den Besuch Ezer Weizmanns 1996.

     

    Und die deutschen Vorkämpfer isr. Interessen - hierzulande am rechten Rand vorbeischrammend - bekommen so für ihren genuin deutschen Rassismus auch noch ein legitimes Mäntelchen!

     

    Eine Querfront der anderen Art.

  • JG
    Jürgen Gojny

    Ich für meinen Teil beschäftige mich schon länger mit den Phänomenen des islamischen Antisemitismus und der Nähe bestimmer arabischer Gruppen zum Nationalsozialismus. Habe dazu auch schon einiges veröffentlicht. Andere ebenso. Wir es schon vorher wissen wollte, was die aktuelle Studie ans Licht förderte, konnte es auch schon vorher wissen. Wenn sich die muslimischen Antisemiten, die pseudolinken Antisemiten, die kirchlichen Antijudaisten vom Schlage Piusgemeinschaft und die Antimsemiten vom rechten Rand zusammenfinden, haben die Multikulti ein echtes Problem. Oder sie finden eine semantische Lösung und sprechen vom multikulturellen Antisemitismus. Na ja, so ganz falsch würden sie damit nicht liegen, denn die angesprochenen Gruppen sind von ihrer (Un)Kultur und ihrem Herkommen tatsächlich 'multi' und nicht 'mono'.

  • D
    denninger

    "Die Botschaft lautet: Wir Muslime sind die Ausgegrenzten in der ganzen Welt."

    Ach ja, das immer noch (auch in der Linken) weit verbreitete "die Opfer der Opfer" Klischee ist wieder mal auferstanden, um primitiven Judenhass "rational" zu erklären.

     

    "Und um die deutsche Mehrheitsgesellschaft zu provozieren, ist Antisemitismus ein sehr wirksames Mittel."

    Und ich dachte immer, die "Mehrheitsgesellschaft" bestünde aus ignoranten Rassisten, stupiden Sexisten und xenophoben Judenhassern. Glaubt man jedenfalls, wenn man einige der Artikel liest.

    Offen gezeigter Judenhass soll also nur "provokant" sein?

    Jetzt mal Klartext:

    Wenn die "Jugenlichen mit Migrationshintergrund" aus ethnischen, sozialen oder religiösen Wurzeln heraus offenen Judenhass entwickeln und diesen auch anwenden werden keine kuschelpädagogischen Einzelgespräche oder -therapien das Problem lösen.

    Oder ist das bei eingefleischten Nazis etwa das Mittel der Wahl? Wo bleibt denn, analog der Neonaziproblematik, die immer gern gestellte Forderung nach Prävention und härterem Durchgreifen der Organe nebst strengeren Gesetzen und deren Anwendung?

  • W
    wanja

    - nicht nur bei muslimischen Jugendlichen !

  • N
    Nassauer

    Ich glaube nicht, dass die muslimischen Jugendlichen mit ihrem Antisemitismus "die deutsche Mehrheitsgesellschaft provozieren" wollen. Dort, wo die geschilderten Fälle passieren, gibt es keine "deutsche Mehrheitsgesellschaft" mehr. Dort gelten die Regeln islamischer Gesellschaften.

  • W
    willi übelherr

    es ist sehr schmerzlich, den verfall kritischer

    betrachtung bei der taz wahrnehmen zu müssen.

     

    unvoreingenommene betrachtung der geschichte im nahen osten zeigt uns den konflikt als zwischen der kolonialen besatzung durch den staat israel und der nationalen befreiungsbewegung der palästinenser gegen den landraub und ihre vernichtung.

    und, wie judith butler in der TU wieder darauf hingewiesen hat, daß die deutschen und europäer ihre schuld gegenüber den jüdischen menschen nicht über die palästinenser entladen können.

     

    insofern ist den islamischen jugendlichen anerkennung auszusprechen für ihre abwehr der dogmatik und demagogie, mit der hier in deutschland die endlose anwendung rassistischer gewalt durch die israelischen staatsorgane und siedlergruppen gedeckt und unterstützt wird. aber diese anerkennung kann ich auch vielen deutschen jugendlichen aussprechen, weil sie sich das eigene freie denken nicht verbieten lassen.

     

    und es ist hier auf ihre leere begrifflichkeit hinzuweisen. semiten sind die palästinenser und nicht die europäischen und eurasischen jüdischen siedler. die palästinenser stehen in ethnischer kontinuität mit den frühen jüdischen bewohner palästinas, und nicht die jüdischen siedler. insofern sollten sie in ihrem begriffsverständnis

    dann von anti-jüdisch und/oder anti-zionistisch sprechen und hierbei die israelischen historiker nicht aus den augen verlieren.

  • I
    Irene

    Hallo Sinnsucher,

     

    wenn man "Scheissjude" brüllt und Ihnen eine Plastiktüte über den Kopf stülpt ist das ziemlich eindeutig.

  • S
    Sinnsucher

    @Irene: es gibt Fälle, wo Türken Deutsche schlagen. Ist das dann gleich Antideutschismus? Es gibt Fälle, wo Deutsche Türken schlagen.

    Ist das dann Antitürkismus? Es gibt Fälle, wo Rußlanddeutsche Jugendliche auf hier gebürtige Deutsche einschlagen. Antideutschismus? Es soll sogar Fälle geben, wo Deutsche (auch Rentner) von Deutschen geschlagen werden. Welches Anti... ist das dann?

    Antisemitismus ist zwar eine einfache Erklärung, ist mir als Pauschalerklärung aber immer zu schnell zur Hand.

  • I
    Irene

    Ich lese die taz unter anderem auch deshalb, weil ich da von rassistischen und antisemitischen Vorfällen und Hitergründen erfahre, die anderswo garnicht erst thematisiert werden.

    Ich würde mir daher wünschen, dass das Thema muslimischer Antisemitismus in der taz nicht so banal im Vorbeihuschen abgehandelt wird.

    Ich kenne einen Fall, bei dem ein jüdischer Schüler von 5! türkischen Mitschülern überfallen wurde. Wurde die Polizei alarmiert? Hat man den Staatsschutz eingeschaltet? Mitnichten, die Sache wurde mehr oder weniger unter den Teppich gekehrt, aus der Öffentlichkeit herausgehalten und schuldisziplinarisch behandelt. Zum einen, damit der jüdische Junge nicht noch mehr schikaniert wird, zum anderen um den Tätern die Zukunft nicht zu verbauen. Nicht einmal deren Eltern wurden informiert.

    Mit dem Gaza-Konflikt haben alle Beteiligten übrigens etwa soviel zu tun wie ich.

  • B
    Beobachter

    Nicht nur "primitve" - auch Jugendliche aus dem sog. "Bildungsbürgertum" verhalten sich mehr und mehr antisemitisch. So bringt stattweb.de am 24-2-09:

    Der Pforzheimr Staatsschutz ermittelt aktuell wegen des Verdachts auf Volksverhetzung gegen zehn Schüler des Pforzheimer Kepler-Gymnasiums.

    Die 16 bis 17 Jahre alten Gymnasiasten sollen am 2. Weihnachtsfeiertag 2008 vor dem Haus eines jüdischen Mitschülers antisemitische Parolen skandiert haben. Ein Schüler habe außerdem gegen die Haustür uriniert und Feuerwerkskörper seien gegen das Haus geschossen worden.

     

    Ich finde, es wird Zeit, dass sich die Politiker mit diesem schäbigen Phänomen auseinandersetzen.

  • K
    Kommentator

    Leider wahr.

    Den offensten Antisemitismus habe ich (in den alten Bundesländern ansässig) unter türkischen Jugendlichen erlebt.

    Das heißt aber nicht - wie korrekt erwähnt - dass dieser nicht auch in den anderen Bevölkerungsgruppen grassiert.

    Viele ältere vertreten ihn, Jugendliche ahmen ihn von besagten arabisch- oder türkischstämmigen Altersgenossen nach und sieht man aber in die ostdeutsche Provinz, so scheint dieser gepaart mit der restlichen Neonazi-Ideologie mindestens so stark vertreten zu sein wie unter erster Gruppe.

     

    Es hilft nichts Antisemitismus einseitg irgendwelchen Gruppen in die Schuhe schieben zu wollen - oder wie der Kommentar unter mir - diesen als Multikulti-Antisemitismus zu benennen.

    Er ist flächendeckend verstreut.

    Das drückt der Artikel richtig aus.

     

    Dennoch: unscharfe konstrukte wie dem des strukturellen Antisemitismus sollte man fern bleiben. Sie dienen meist nur der Diskreditierung von linker Kritik, die meist gar keine antisemitischen Ressentiments transportiert.

     

    Kritik an Israels Außenpolitik ist ebenso nicht immer antisemitisch motiviert.

  • N
    Nasowas

    Solange Kritik an der Politik Israels als 'Antisemitismus' gewertet wird, haben derartige Studien keinen Aussagewert!

  • T
    t.s.

    Wen wundert das?

     

    Zionismus und Antisemitismus waren schon immer miteinander verkoppelt. Je mehr Antisemitismus, desto mehr Alija - Auswanderung nach Palästina.

    Man erinnere sich dazu auch an den Besuch Ezer Weizmanns 1996.

     

    Und die deutschen Vorkämpfer isr. Interessen - hierzulande am rechten Rand vorbeischrammend - bekommen so für ihren genuin deutschen Rassismus auch noch ein legitimes Mäntelchen!

     

    Eine Querfront der anderen Art.

  • JG
    Jürgen Gojny

    Ich für meinen Teil beschäftige mich schon länger mit den Phänomenen des islamischen Antisemitismus und der Nähe bestimmer arabischer Gruppen zum Nationalsozialismus. Habe dazu auch schon einiges veröffentlicht. Andere ebenso. Wir es schon vorher wissen wollte, was die aktuelle Studie ans Licht förderte, konnte es auch schon vorher wissen. Wenn sich die muslimischen Antisemiten, die pseudolinken Antisemiten, die kirchlichen Antijudaisten vom Schlage Piusgemeinschaft und die Antimsemiten vom rechten Rand zusammenfinden, haben die Multikulti ein echtes Problem. Oder sie finden eine semantische Lösung und sprechen vom multikulturellen Antisemitismus. Na ja, so ganz falsch würden sie damit nicht liegen, denn die angesprochenen Gruppen sind von ihrer (Un)Kultur und ihrem Herkommen tatsächlich 'multi' und nicht 'mono'.

  • D
    denninger

    "Die Botschaft lautet: Wir Muslime sind die Ausgegrenzten in der ganzen Welt."

    Ach ja, das immer noch (auch in der Linken) weit verbreitete "die Opfer der Opfer" Klischee ist wieder mal auferstanden, um primitiven Judenhass "rational" zu erklären.

     

    "Und um die deutsche Mehrheitsgesellschaft zu provozieren, ist Antisemitismus ein sehr wirksames Mittel."

    Und ich dachte immer, die "Mehrheitsgesellschaft" bestünde aus ignoranten Rassisten, stupiden Sexisten und xenophoben Judenhassern. Glaubt man jedenfalls, wenn man einige der Artikel liest.

    Offen gezeigter Judenhass soll also nur "provokant" sein?

    Jetzt mal Klartext:

    Wenn die "Jugenlichen mit Migrationshintergrund" aus ethnischen, sozialen oder religiösen Wurzeln heraus offenen Judenhass entwickeln und diesen auch anwenden werden keine kuschelpädagogischen Einzelgespräche oder -therapien das Problem lösen.

    Oder ist das bei eingefleischten Nazis etwa das Mittel der Wahl? Wo bleibt denn, analog der Neonaziproblematik, die immer gern gestellte Forderung nach Prävention und härterem Durchgreifen der Organe nebst strengeren Gesetzen und deren Anwendung?

  • W
    wanja

    - nicht nur bei muslimischen Jugendlichen !

  • N
    Nassauer

    Ich glaube nicht, dass die muslimischen Jugendlichen mit ihrem Antisemitismus "die deutsche Mehrheitsgesellschaft provozieren" wollen. Dort, wo die geschilderten Fälle passieren, gibt es keine "deutsche Mehrheitsgesellschaft" mehr. Dort gelten die Regeln islamischer Gesellschaften.

  • W
    willi übelherr

    es ist sehr schmerzlich, den verfall kritischer

    betrachtung bei der taz wahrnehmen zu müssen.

     

    unvoreingenommene betrachtung der geschichte im nahen osten zeigt uns den konflikt als zwischen der kolonialen besatzung durch den staat israel und der nationalen befreiungsbewegung der palästinenser gegen den landraub und ihre vernichtung.

    und, wie judith butler in der TU wieder darauf hingewiesen hat, daß die deutschen und europäer ihre schuld gegenüber den jüdischen menschen nicht über die palästinenser entladen können.

     

    insofern ist den islamischen jugendlichen anerkennung auszusprechen für ihre abwehr der dogmatik und demagogie, mit der hier in deutschland die endlose anwendung rassistischer gewalt durch die israelischen staatsorgane und siedlergruppen gedeckt und unterstützt wird. aber diese anerkennung kann ich auch vielen deutschen jugendlichen aussprechen, weil sie sich das eigene freie denken nicht verbieten lassen.

     

    und es ist hier auf ihre leere begrifflichkeit hinzuweisen. semiten sind die palästinenser und nicht die europäischen und eurasischen jüdischen siedler. die palästinenser stehen in ethnischer kontinuität mit den frühen jüdischen bewohner palästinas, und nicht die jüdischen siedler. insofern sollten sie in ihrem begriffsverständnis

    dann von anti-jüdisch und/oder anti-zionistisch sprechen und hierbei die israelischen historiker nicht aus den augen verlieren.

  • I
    Irene

    Hallo Sinnsucher,

     

    wenn man "Scheissjude" brüllt und Ihnen eine Plastiktüte über den Kopf stülpt ist das ziemlich eindeutig.

  • S
    Sinnsucher

    @Irene: es gibt Fälle, wo Türken Deutsche schlagen. Ist das dann gleich Antideutschismus? Es gibt Fälle, wo Deutsche Türken schlagen.

    Ist das dann Antitürkismus? Es gibt Fälle, wo Rußlanddeutsche Jugendliche auf hier gebürtige Deutsche einschlagen. Antideutschismus? Es soll sogar Fälle geben, wo Deutsche (auch Rentner) von Deutschen geschlagen werden. Welches Anti... ist das dann?

    Antisemitismus ist zwar eine einfache Erklärung, ist mir als Pauschalerklärung aber immer zu schnell zur Hand.

  • I
    Irene

    Ich lese die taz unter anderem auch deshalb, weil ich da von rassistischen und antisemitischen Vorfällen und Hitergründen erfahre, die anderswo garnicht erst thematisiert werden.

    Ich würde mir daher wünschen, dass das Thema muslimischer Antisemitismus in der taz nicht so banal im Vorbeihuschen abgehandelt wird.

    Ich kenne einen Fall, bei dem ein jüdischer Schüler von 5! türkischen Mitschülern überfallen wurde. Wurde die Polizei alarmiert? Hat man den Staatsschutz eingeschaltet? Mitnichten, die Sache wurde mehr oder weniger unter den Teppich gekehrt, aus der Öffentlichkeit herausgehalten und schuldisziplinarisch behandelt. Zum einen, damit der jüdische Junge nicht noch mehr schikaniert wird, zum anderen um den Tätern die Zukunft nicht zu verbauen. Nicht einmal deren Eltern wurden informiert.

    Mit dem Gaza-Konflikt haben alle Beteiligten übrigens etwa soviel zu tun wie ich.

  • B
    Beobachter

    Nicht nur "primitve" - auch Jugendliche aus dem sog. "Bildungsbürgertum" verhalten sich mehr und mehr antisemitisch. So bringt stattweb.de am 24-2-09:

    Der Pforzheimr Staatsschutz ermittelt aktuell wegen des Verdachts auf Volksverhetzung gegen zehn Schüler des Pforzheimer Kepler-Gymnasiums.

    Die 16 bis 17 Jahre alten Gymnasiasten sollen am 2. Weihnachtsfeiertag 2008 vor dem Haus eines jüdischen Mitschülers antisemitische Parolen skandiert haben. Ein Schüler habe außerdem gegen die Haustür uriniert und Feuerwerkskörper seien gegen das Haus geschossen worden.

     

    Ich finde, es wird Zeit, dass sich die Politiker mit diesem schäbigen Phänomen auseinandersetzen.

  • K
    Kommentator

    Leider wahr.

    Den offensten Antisemitismus habe ich (in den alten Bundesländern ansässig) unter türkischen Jugendlichen erlebt.

    Das heißt aber nicht - wie korrekt erwähnt - dass dieser nicht auch in den anderen Bevölkerungsgruppen grassiert.

    Viele ältere vertreten ihn, Jugendliche ahmen ihn von besagten arabisch- oder türkischstämmigen Altersgenossen nach und sieht man aber in die ostdeutsche Provinz, so scheint dieser gepaart mit der restlichen Neonazi-Ideologie mindestens so stark vertreten zu sein wie unter erster Gruppe.

     

    Es hilft nichts Antisemitismus einseitg irgendwelchen Gruppen in die Schuhe schieben zu wollen - oder wie der Kommentar unter mir - diesen als Multikulti-Antisemitismus zu benennen.

    Er ist flächendeckend verstreut.

    Das drückt der Artikel richtig aus.

     

    Dennoch: unscharfe konstrukte wie dem des strukturellen Antisemitismus sollte man fern bleiben. Sie dienen meist nur der Diskreditierung von linker Kritik, die meist gar keine antisemitischen Ressentiments transportiert.

     

    Kritik an Israels Außenpolitik ist ebenso nicht immer antisemitisch motiviert.

  • N
    Nasowas

    Solange Kritik an der Politik Israels als 'Antisemitismus' gewertet wird, haben derartige Studien keinen Aussagewert!

  • T
    t.s.

    Wen wundert das?

     

    Zionismus und Antisemitismus waren schon immer miteinander verkoppelt. Je mehr Antisemitismus, desto mehr Alija - Auswanderung nach Palästina.

    Man erinnere sich dazu auch an den Besuch Ezer Weizmanns 1996.

     

    Und die deutschen Vorkämpfer isr. Interessen - hierzulande am rechten Rand vorbeischrammend - bekommen so für ihren genuin deutschen Rassismus auch noch ein legitimes Mäntelchen!

     

    Eine Querfront der anderen Art.

  • JG
    Jürgen Gojny

    Ich für meinen Teil beschäftige mich schon länger mit den Phänomenen des islamischen Antisemitismus und der Nähe bestimmer arabischer Gruppen zum Nationalsozialismus. Habe dazu auch schon einiges veröffentlicht. Andere ebenso. Wir es schon vorher wissen wollte, was die aktuelle Studie ans Licht förderte, konnte es auch schon vorher wissen. Wenn sich die muslimischen Antisemiten, die pseudolinken Antisemiten, die kirchlichen Antijudaisten vom Schlage Piusgemeinschaft und die Antimsemiten vom rechten Rand zusammenfinden, haben die Multikulti ein echtes Problem. Oder sie finden eine semantische Lösung und sprechen vom multikulturellen Antisemitismus. Na ja, so ganz falsch würden sie damit nicht liegen, denn die angesprochenen Gruppen sind von ihrer (Un)Kultur und ihrem Herkommen tatsächlich 'multi' und nicht 'mono'.

  • D
    denninger

    "Die Botschaft lautet: Wir Muslime sind die Ausgegrenzten in der ganzen Welt."

    Ach ja, das immer noch (auch in der Linken) weit verbreitete "die Opfer der Opfer" Klischee ist wieder mal auferstanden, um primitiven Judenhass "rational" zu erklären.

     

    "Und um die deutsche Mehrheitsgesellschaft zu provozieren, ist Antisemitismus ein sehr wirksames Mittel."

    Und ich dachte immer, die "Mehrheitsgesellschaft" bestünde aus ignoranten Rassisten, stupiden Sexisten und xenophoben Judenhassern. Glaubt man jedenfalls, wenn man einige der Artikel liest.

    Offen gezeigter Judenhass soll also nur "provokant" sein?

    Jetzt mal Klartext:

    Wenn die "Jugenlichen mit Migrationshintergrund" aus ethnischen, sozialen oder religiösen Wurzeln heraus offenen Judenhass entwickeln und diesen auch anwenden werden keine kuschelpädagogischen Einzelgespräche oder -therapien das Problem lösen.

    Oder ist das bei eingefleischten Nazis etwa das Mittel der Wahl? Wo bleibt denn, analog der Neonaziproblematik, die immer gern gestellte Forderung nach Prävention und härterem Durchgreifen der Organe nebst strengeren Gesetzen und deren Anwendung?

  • W
    wanja

    - nicht nur bei muslimischen Jugendlichen !

  • N
    Nassauer

    Ich glaube nicht, dass die muslimischen Jugendlichen mit ihrem Antisemitismus "die deutsche Mehrheitsgesellschaft provozieren" wollen. Dort, wo die geschilderten Fälle passieren, gibt es keine "deutsche Mehrheitsgesellschaft" mehr. Dort gelten die Regeln islamischer Gesellschaften.