Studie "Frauen auf dem Sprung": Sie wollen alles
Junge Frauen wollen heute beides: Karriere und Kind. Sie sind weniger dazu bereit, das eine für das andere zu opfern. Unternehmen müssen Balance zwischen Arbeit und Leben bieten.
BERLIN taz Die jungen Frauen in Deutschland wollen sich nicht mehr zwischen Kindern und Beruf entscheiden, sondern beides haben. "Die Zeit des Entweder-oder ist vorbei. Jetzt zählt das Und", sagte Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB), am Dienstag bei Vorstellung der Studie "Frauen auf dem Sprung". Die Soziologin hat die Untersuchung im Auftrag der Frauenzeitschrift Brigitte geleitet.
Das Ergebnis: Die jungen Frauen wollen einen Beruf und eigenes Geld, wünschen sich Kinder und sind bereit, Verantwortung in der Gesellschaft zu übernehmen. Dieser Lebensentwurf sei zwar nicht neu, neu aber sei, dass die überwiegende Mehrheit der jungen Frauen ihn für sich beanspruche - und selbstbewusst davon ausgehe, dass sie ihn auch in die Tat umsetzen werde. Das gelte unabhängig von Bildungsstand und sozialer Schicht.
Wenn 90 Prozent einer Frauengeneration einen anderen Weg gehen wolle als ihre Mütter und Großmütter, so werde das die Gesellschaft tatsächlich verändern, sagte die Soziologin.
Für die repräsentative Studie hat das WZB gemeinsam mit dem Institut für angewandte Sozialwissenschaften (Infas) über 1.000 Frauen im Alter von 17 bis 19 Jahren und von 27 bis 29 Jahren befragt.
99 Prozent der Frauen sagten von sich: "Ich weiß, dass ich gut bin." Dass sie ohne Ziele im Leben nicht weiterkommen, das glauben fast alle; 79 Prozent geben an, hart dafür zu arbeiten. 90 Prozent der jungen Frauen wünschen sich Kinder, 85 Prozent legen Wert auf finanzielle Unabhängigkeit, fast ebenso viele auf eine gute Ausbildung.
Ein Drittel der Frauen sieht sich eher im Chefsessel als auf dem Stuhl der Vorzimmerdame. Allmendinger: "Diese Frauen wissen genau: Nur mit einem eigenen Einkommen schaffen sie sich eine größere Unabhängigkeit, zum Beispiel auch von männlichen Rollenerwartungen." Bei der letzten Brigitte-Studie im Jahr 1982 sei die große Mehrheit der jungen Frauen noch bereit gewesen, sich zwischen Beruf und Kinder zu entscheiden.
Drei Faktoren sieht die Soziologin als Ursachen für die Veränderung: Aufgrund der demografischen Entwicklung und des Fachkräftemangels werde den jungen Frauen signalisiert, dass sie auf dem Arbeitsmarkt gebraucht würden. Zudem machen heute laut Allmendinger drei- bis viermal so viele Mädchen Abitur wie früher. Sie sind dabei, die Jungen in der Schule zu überflügeln - und wissen darum. Warum sollten sie ihnen also die Karriere überlassen?
Immer mehr Mädchen wüchsen mit berufstätigen Müttern auf - und bewerten die Beziehung zu diesen sogar besser als jene junge Frauen, deren Mütter nicht erwerbstätig sind. "Sie haben selbst erlebt, dass die Arbeit der Mütter den Kindern nicht schadet." Und hielten sich entsprechend nicht für eine Rabenmutter, wenn sie ihr Kind in die Krippe gäben. Dies sei bei ostdeutschen Frauen besonders ausgeprägt. Ihnen sind sowohl Kinder als auch die eigene Erwerbstätigkeit noch wichtiger als den Westfrauen.
Außerdem, warf Brigitte-Chefredakteur Andreas Lebert ein, verabschiedeten sich die Frauen vom Perfektionismus - sowohl bei ihrer Mutterrolle als auch bei der Erwerbstätigkeit.
In ihrem Bestreben, Familie und Beruf zu vereinbaren, fühlen sich die jungen Frauen allerdings von der Gesellschaft wenig unterstützt. Nur jede sechste Frau glaubt, dass sich Kinder und Berufstätigkeit heute leicht vereinbaren lassen. "Wenn Unternehmen nicht reagieren und Frauen keine akzeptable Balance zwischen Arbeit und Leben bieten, werden ihnen bald wichtige Personalressourcen fehlen", prognostizierte Allmendinger. Die jungen Frauen seien anders als die Männer von heute. Sie seien nicht bereit, sich zu zerreißen und ihrem Arbeitgeber unbegrenzt zur Verfügung zu stellen.
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