Studie: Berliner Kitas nur Mittelmaß: Kita soll nicht Ländersache bleiben
Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) fordert ein Bundesgesetz zur Kita-Qualität. In Berlin käme das gut an.
Überdurchschnittlich viele Kinder in Berlin besuchen eine Kita – wo sie dann leider nur unterdurchschnittlich gut betreut werden. So lautet auch in diesem Jahr wieder das Fazit, das Berlin aus der Bertelsmann-Studie zum Ländervergleich „Frühkindliche Bildungssysteme“ ziehen darf. Mit 5,9 Kindern im Krippenalter pro ErzieherIn findet man sich nur im letzten Tabellendrittel wieder. Bei den über Dreijährigen liegt man mit 8,8 Kindern immerhin im Mittelfeld.
Ein Lob für die hohe Kita-Akzeptanz in der Hauptstadt also – mit einem großen „aber“ bei der Betreuungsqualität. Und weil dabei die Schere zwischen den einzelnen Bundesländern klafft, erneuerte Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) am Mittwoch prompt ihre Forderung nach einem bundesweiten Kita-Qualitätsgesetz. Derzeit gilt bekanntlich: Kitas und Schulen sind Ländersache.
Gut für Berliner Eltern, wenn das nicht so bliebe, findet die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. „Derzeit haben wir das Problem, dass freie Kita-Träger nur zu 93 Prozent vom Senat finanziert werden“, sagt Doreen Siebernik. Also sparten sie – und zwar zum einen am Gehalt der ErzieherInnen und zum anderen am Personalschlüssel.
Zwar sieht das Berliner Kindertagesförderungsgesetz je nach Alter der Kinder eine bestimmte Mindestanzahl an Fachkräften vor – aber eben nur als Sollbestimmung. „Da fehlt ganz klar ein Kontrollmechanismus, der sagt: Hier müssen zum einen Tarifstandards eingehalten werden und zum anderen auch ein gesetzter Qualitätsstandard bei der Betreuung“, sagt Siebernik. Die Debatte über ein Bundesgesetz Kita sei daher für Berlin „sehr begrüßenswert.“
„Kein Blankoscheck“
Die grüne Jugendpolitikerin Marianne Burkert-Eulitz mochte am Mittwoch hingegen „keinen Blankoscheck“ für ein Bundesgesetz unterschreiben. „Die entscheidende Frage ist: Wie würde es ausgestaltet werden?“ Angesichts der Unterschiede in den Ländern – in Baden-Württemberg kommen zum Beispiel nur drei Krippenkinder auf eine ErzieherIn – sei es wohl kaum möglich, sich auf einen einheitlichen Minimalstandard beim Personal zu einigen.
Nähme man etwa den bundesdeutschen Mittelwert von 4,3 Krippenkindern pro Fachkraft als Richtwert, könne so für einige Länder auch ein Negativanreiz gesetzt werden, künftig nur noch die Minimalforderungen zu erfüllen.
Andererseits ist für Berlin eine Anhebung des Betreuungsschlüssels auf Bundesdurchschnitt zumindest mittelfristig nicht absehbar. Im Frühjahr hatte das Abgeordnetenhaus zwar noch schnell zusätzliche Haushaltsmittel für mehr ErzieherInnen beschlossen: Insgesamt 13 Millionen Euro allein in diesem und im kommenden Jahr sollen dafür sorgen, dass bis 2019 jede Fachkraft ein Krippenkind weniger zu versorgen hat. Aber dann wäre man immer noch erst bei etwa fünf Krippenkindern pro Fachkraft.
Selbst wenn plötzlich Bundesmittel für mehr Personal da wären, bliebe aber die Frage, ob es die benötigten Fachkräfte auch sind, sagte Siebernik. Tatsächlich bekommen viele Kitas offene Stellen nur schwer besetzt. „Da spielt auch das niedrige Gehalt der Erzieherinnen hier eine Rolle, da muss Berlin attraktiver werden.“ Auch da könne ein Bundesgesetz den Rahmen vorgeben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste