Studentin über Wahlfälschung in Serbien: „Wir werden weiter protestieren“

Emilija Milenković war eine der Rednerinnen auf der Kundgebung gegen Wahlfälschungen in Belgrad. Sie berichtet von den Plänen der zivilen Opposition.

Demonstranten schwenken am 30.12. in Belgrad serbische Flaggen während einer Demonstration gegen mutmaßlichen Wahlbetrug.

Demonstranten schwenken am 30.12. in Belgrad serbische Flaggen während einer Demonstration gegen mutmaßlichen Wahlbetrug Foto: Darko Vojinovic/AP/dpa

taz: Sie und Ihre Mit­strei­te­r:in­nen protestieren seit dem 18. Dezember fast jeden Tag. Warum?

Emilija Milenković: Die Parlaments- und Lokalwahlen vom 17. Dezember waren weder frei noch fair. Es gab jede Menge Unregelmäßigkeiten, das stellten auch internationale Wahlbeobachter fest. Es kann nicht sein, dass Tausende Leute aus Bosnien heran gekarrt werden, um den Belgrader Bürgermeister zu wählen. Sogar Tote tauchten auf Wählerlisten auf. Wir fordern Transparenz und Neuwahlen.

Sie sind schon länger in der Zivilgesellschaft aktiv.

Wir haben uns letzten Mai organisiert, als zwei Amokläufe in Serbien verübt wurden. Damals als „Studierende gegen Gewalt“, wir demonstrierten den ganzen Sommer lang. Nun haben wir uns umbenannt, denn wir sind nicht nur für Studierende da. Und unser Ziel ist nun ein anderes: Demokratie.

war eine der lautesten jungen Stimmen der aktuellen serbischen Proteste. Die 21-Jährige studiert Politikwissenschaft an der Universität Belgrad und ist Mitgründerin der losen Gruppe Borba („Kampf“, „Streit“) und war eine der Red­ne­r:in­nen bei der bisher größten Kundgebung vom 30. Dezember, die sich gegen die mutmaßlich gefälschten Wahlen in Serbien richtete.

Werden die aktuellen Proteste überwiegend von Jungen getragen?

Vor allem von uns Studierenden, aber nicht nur. Wir teilen die Ziele auch mit der politischen Opposition, nicht aber die Herangehensweise. Die Parteien wollen vor allem institutionell vorgehen, eine Oppositionspolitikerin begann außerdem einen Hungerstreik (den sie nach zwei Wochen aus medizinischen Gründen beendete, Anm.).

Wir sind von Parteien unabhängig und wollten uns von Anfang an etwas Eigenes einfallen lassen. Daher begannen wir, Straßen im Belgrader Regierungsviertel lahmzulegen. Wir konnten zwei Blockaden für sechs Stunden, eine weitere sogar für 24 Stunden aufrechterhalten. Das wollen wir fortsetzen, noch länger sogar. Wieder mit Zelten und Camps.

Am Abend des 24. Dezember ging die Polizei mit Schlagstöcken und Tränengas auf Demonstrierende los. Haben Sie das miterlebt?

Ja, es war brutal. Die Polizei eskalierte grundlos. Zwar gab es eine kleine Gruppe Demonstrierender, die ins Rathaus eindringen wollten. Zu diesem Zeitpunkt waren Polizisten im Gebäude, die niemanden hineinließen. Manche der Demonstrierenden wollten dann die Türen stürmen, die allermeisten aber blieben friedlich.

Später begann die Polizei, das Areal rund um das Rathaus zu räumen und alle zu verprügeln, die in ihrem Weg standen. Auch die friedliche Mehrheit. Viele wurden verhaftet, wohl auf Geheiß der Regierung, um uns Angst zu machen.

Wurden die festgenommenen Studierenden mittlerweile freigelassen?

Es gibt kaum Informationen, aber soweit ich weiß nicht. Manche stehen unter Hausarrest, andere warten noch auf ein Urteil. Vielen wird vorgeworfen, die „verfassungsmäßige Ordnung gestört“ zu haben. Das ist Unsinn. Auf dieses Delikt stehen jedoch bis zu fünfzehn Jahre Haft.

Sie fordern auch mehr Druck von Seiten der EU.

Den braucht es unbedingt. Alle internationalen Beobachter sagten, dass die Wahl nicht frei und fair war. Die europäischen Institutionen scheuen sich aber, das so direkt zu sagen. Immerhin haben viele Regierungen Vučić nicht zum Sieg gratuliert.

Manchmal denke ich dennoch, dass wir allein sind. Dass uns niemand unterstützt, wenn sie uns angreifen und verhaften. Als das deutsche Außenministerium sinngemäß schrieb, die Wahlen seien nicht frei und fair abgelaufen, wurden eine Kollegin und ich als „deutsche Agenten“ bezeichnet. Damit will die Regierung die Kritik aus Deutschland verwässern.

Regierungsnahe Medien haben Sie zum Feindbild erklärt?

Ja, unsere Fotos sind überall. Sogar unsere privaten Daten und Ausweisfotos wurden von der Polizei an die Medien weitergegeben. Einen Freund von mir bezeichneten sie gar als Mitglied der Hamas.

Momentan ruht der Protest, am 7. Januar feiert Serbien das orthodoxe Weihnachtsfest. Wie geht es danach weiter?

Wir werden weiter protestieren. Womöglich am 13. Januar, aber das ist noch nicht sicher. Bis jetzt hat sich fast alles auf Belgrad konzentriert. Wir wollen den Widerstand aber auf ganz Serbien ausweiten.

Könnte es nach der Weihnachts-Pause schwieriger werden, die Leute zu mobilisieren?

Ich denke nicht. Die Menschen sind wirklich wütend. Sie denken: Wenn wir das nicht jetzt lösen, werden wir nie ein demokratisches Land sein. Die freien Tage jetzt sind für manche wichtig, sich ein bisschen zu erholen – um dann aber wieder bereit für den Protest zu sein.

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