Studentenverbindung Coburger Convent: „Grenzen zum Rechtsextremismus häufig nicht klar“
An Pfingsten kommt der Coburger Convent zu seinem Jahrestreffen zusammen. Wie nah steht der Verband der Studentenverbindungen der AfD?
Die Tagesordnung des Jahrestreffens, die eigentlich intern bleiben sollte, liegt der taz vor. Daraus geht hervor, dass der CC am Abend des Pfingstmontags einen Fackelmarsch durch die Stadt plant – wie all die Jahre zuvor. Ein breites Bündnis protestiert gegen den Marsch, der, so der Aufruf, „an die Zeit der Nationalsozialisten erinnert“.
Seit Jahrzehnten sorgt sich der CC um Volk und Vaterland. Getreu des Selbstverständnisses „Ehre, Freiheit, Freundschaft, Vaterland“ beklagen Mitglieder die fehlende persönliche Opferbereitschaft und kulturelle Erbpflege. Diese noch studierende „Aktivitas“ und die ehemaligen Studenten oder „Alten Herren“ wissen, wofür die Mensuren gefochten und Versammlungen gepflegt werden. Im Convent selbst spielen diese Themen allerdings „überhaupt keine Rolle“, versichert Martin Vaupel der taz. Der Pressesprecher räumt aber ein, dass es „sicher einzelne Mitglieder“ gebe, „deren politische Auffassung es mit sich bringt, sich dazu zu äußern“.
Von Haus aus sei der Verband unpolitisch, behauptet Vaupel, selbst Mitglied der Alten Leipziger Turnerschaft Hansea zu Bielefeld und der Landsmannschaft Gottinga Göttingen. Doch der CC ist bestens in die Politik vernetzt, von der Kommunalpolitik bis in den Bundestag.
Besuch von Martenstein
So hat der zweite Bürgermeister der Stadt Coburg, Hans-Herbert Hartan, CSU, keine Berührungsängste mit dem Verband. 2026 strebt Hartan das Amt des Oberbürgermeisters an. Vor knapp zwei Jahren reiste er eigens in den Norden, um vor der Landsmannschaft Mecklenburgia-Rostock Hamburg zu sprechen. Auf dem „153. Stiftungsfest“ begrüßte die Mecklenburgia Hartan als „Festredner“. Das Publikum lauschte „aufmerksam seinen persönlichen Ausführungen“, schrieb die Landsmannschaft neben einem Bild mit ihm bei Instagram. Schon in den 1990er Jahren warnte in einem internen Bericht der Hamburger Verfassungsschutz, dass die Landsmannschaft „als zumindest rechtsextremistisch beeinflusst“ einzuordnen sei. Für Hartan und andere Redner des Abends offenbar kein Problem. Letzter Stargast beim Ernst-Jünger-Abend war der Zeit- und Welt-Kolumnist Harald Martenstein.
Der CC ist eines der vielen Netzwerke im rechtslastigen Studentenverbindungsmilieu. Mitglied im CC ist auch die Alte Leipziger Landsmannschaft Afrania: Zu Studienzeiten war dort Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) aktiv.
Die Grenzen zwischen konservativen Positionen und rechtsextremen Ressentiments sind in den Landsmannschaften fließend. „Die genaue politische Verortung variiert“, sagt Christoph Schulze. Der Experte von der Emil Julius Gumbel-Forschungsstelle für Antisemitismus und Rechtsextremismus an der Universität Potsdam betont, dass bei den Studentenverbindungen die „Grenzen zum Rechtsextremismus zu häufig nicht klar oder nur an der Oberfläche gezogen“ würden. „Faktisch wirkt das Milieu in der Praxis häufig als Scharnier zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus“, so Schulze. So gebe es denn auch häufig ein auffälliges Näheverhältnis des CC zur AfD.
Tatsächlich sitzen CC-Mitglieder für die AfD im Bundestag, Sebastian Maack sowie Knuth Meyer-Soltau. Zur Europawahl kandidierte das CC-Mitglied Michael Schumann aus Hamburg. Als Justiziar der AfD-Landtagsfraktion in Mecklenburg-Vorpommern tritt Justus Burgdorf auf. Julian I. war zwischenzeitig Mitarbeiter bei einem Bundestagsabgeordneten aus Hessen, und Theo R., verstorbener AfD-Kommunalkandidat in Hessen, fiel der Autonomen Antifa Freiburg (AAF) auf.
Keine Debatte über AfD-Mitgliedschaften
Zu den Parteizugehörigkeiten seiner Mitglieder kann CC-Pressesprecher Vaupel nichts sagen. Denn diese würden „weder abgefragt“, noch seien sie „ein Kriterium“, antwortet er. Daran ändert offenbar auch die Einstufung der AfD durch den Verfassungsschutz nichts. Eine Diskussion darüber werde nicht geführt, so der Pressesprecher. Er versicherte jedoch, dass jeder Einzelne „für die freiheitlich-demokratische Grundordnung“ einstehen würde.
Die AAF, die seit Jahren zum Coburger Convent recherchiert, sieht in dem Statement eine Selbstschutzbehauptung.
Einzelne Positionen des CC sind auch laut Studentenverbindungs-Experte Schulze vergleichbar mit Positionen der AfD. So wird im CC-Milieu offen ein soldatischer Heroismus bis zum idealisierten Tod beschönigt. In der AfD fordert etwa Björn Höcke die Wiederentdeckung der „Männlichkeit“, um „mannhaft“ und „wehrhaft“ zu werden. Schulze hebt hervor, dass in den „Burschenschaften, Landsmannschaften und Turnerschaften ein männerbündischer Traditionalismus am Leben gehalten“ werde, „der auf viele Außenstehende wie aus der Zeit gefallen scheint“.
In der Verbandszeitung des CC finden sich entsprechende Indizien. Aus Ernst Jüngers „In Stahlgewittern“ wird zitiert: „Wir können heute nicht mehr die Märtyrer verstehen, die sich in die Arena warfen, ekstatisch schon über alles Menschliche, über jede Anwandlung von Schmerz und Furcht hinaus“. Jünger, Vordenker der antiparlamentarischen und antiliberalen „Konservativen Revolution“, wird weiter im antiaufklärerischen Duktus wiedergegeben: „Im kalten Licht des bloßen Verstandes wird alles der Nutzbarkeit unterworfen (…). Uns war es noch vergönnt, in den unsichtbaren Strahlen großer Gefühle zu leben.“ So der „Lüstling der Barbarei“ (Thomas Mann) im Rückblick zum Fronterlebnis des Ersten Weltkrieges.
Faszination für die Wehrmacht
Abgedruckt werden in der Zeitung auch Reden, in denen Verbindungsbrüder vor dem sogenannten Kriegsklotz in Hamburg mit der Inschrift „Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen“ stehend das Leid der deutschen Opfer in Stalingrad anmahnten. In einen andere Rede wird das „Inferno von Stalingrad“, der „Opfergang“, bei dem etwa 90.000 deutsche Soldaten in Kriegsgefangenschaft kamen, in Beziehung gesetzt zum Kampf der 300 Spartaner in der Antike. Diesen Sparta-Mythos griff schon 1943 NS-Reichswirtschaftsminister Hermann Göring auf. Diese Positionierung findet sich bis heute auf der Webseite des CC.
Ein weiteres Beispiel für die Faszination von CC-Mitgliedern für die Wehrmacht ist der Oberstleutnant Thomas H. von der Landsmannschaft Böhmerwald zu Linz. In internen Nachrichten, die der taz vorliegen, verabschiedet er verstorbene Mitglieder mit dem Slogan „Treue um Treue“. Der Wahlspruch der Wehrmachtsfallschirmjäger ist bei der Bundeswehr verboten, was er wissen dürfte. Er beklagt allerdings, dass bei antifaschistischer Kritik der CC „über jedes Stöckchen“ springen würde, sie müssten aber nicht „woker/diverser“ oder gar „Mainstream“ werden.
Intern wird auch mal über die Außendarstellung der Pflichtmensuren deutlich gestritten. Jan H. von der Mecklenburgia wollte das Fechten nicht als „körperbetonte Sportart“ dargestellt wissen, sonders als „Wille (…) wehrhaft“ zu sein. Bis zu taz-Nachfragen war er im Bundesverteidigungsministerium beschäftigt. Weitere Kontakte bestehen zur Bundeswehr. Ein Alter Herr nutzt gar eine E-Mail-Adresse der Armee und grüßt mit „Heil Euch“.
Bis heute sind Frauen dagegen nur als Besucherinnen erwünscht. Denn: bei „großen Differenzen“ würden sich die Männer „einfach wieder zusammenraufen“. Frauen, so in der Selbstdarstellung, würden aber das Leben in den Verbandshäusern, wo sie ein- und ausgehen, „interessant“ machen.
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