Studentenproteste in Mexiko: „Yo soy 132“ mischt Wahlkampf auf
Die Präsidentschaftswahl am 1. Juli schien schon entschieden. Nun bringt eine neue studentische Bewegung das politische Szenario Mexikos gründlich durcheinander.
BERLIN taz | Eigentlich schien die mexikanische Präsidentschaftswahl längst entschieden: Mit deutlichem Vorsprung lag der stets eloquente Enrique Peña Nieto monatelang vor seinen Konkurrenten. Doch wenige Wochen bevor am 1. Juli ein neues Staatsoberhaupt gewählt wird, mischen nun Mexikos Studentinnen und Studenten den Wahlkampf auf.
Seit Wochen demonstrieren sie gegen den Kandidaten Peña Nieto, der für die ehemalige Staatspartei PRI antritt. In ihrer Kritik stehen auch die großen Medienkonzerne: Televisa und TVAzteca. „Wir sind eine Bewegung, die sich für eine Demokratisierung starkmacht, und um diese zu erreichen, müssen auch die Medien demokratisiert werden“, schrieben die Studenten am Mittwoch in einer Erklärung.
Alles begann mit einem Auftritt Peña Nietos an der Privatuniversität Iberoamericana in Mexiko-Stadt am 11. Mai. Dort warfen ihm die Studierenden vor, als Gouverneur des Bundesstaates Mexiko sei er für schwere Menschenrechtsverstöße verantwortlich gewesen. Die Diskussion spitzte sich zu, der Politiker zog sich durch die Hintertür zurück. In der Folge sprach Televisa, dessen Unterstützung sich Peña Nieto viele Pesos hat Kosten lassen, davon, dass bezahlte Provokateure gezielt von der Opposition eingesetzt worden seien.
Das brachte die meist aus wohlhabenden Familien stammenden Studentinnen und Studenten des „Ibero“ auf die Palme. 131 von ihnen stellten auf YouTube klar: Wir sind einfach Studierende. Damit war die Bewegung „yo soy 132“ geboren: Unzählige schickten über Facebook und Twitter die Info: „Ich bin 132.“
Gegen die PRI und die großen Medienkonzerne
Unter dem Label „yo soy 132“ gehen seither Zigtausende auf die Straße, in Anlehnung an den Arabischen ist von einem „Mexikanischen Frühling“ die Rede. Gemeinsam stellen sich Studierende aus privaten und öffentlichen Universitäten gegen die PRI und die großen Medienkonzerne. Allein am 23. Mai gingen in mindestens 20 Städten Studierende auf die Straße, etwa 10.000 demonstrierten vergangene Woche gegen TVAzteka und Televisa. Und überall, wo Peña Nieto auftritt, ist er mit studentischem Protest konfrontiert.
Diese Entwicklung kommt vor allem dem Linkskandidaten Andrés Manuel López Obrador zugute. Fast ein Fünftel der 80 Millionen Wahlberechtigten sind junge Leute, und eine Umfrage der Tageszeitung La Reforma bestätigte, dass viele von ihnen López Obrador als Präsidenten favorisieren.
Der Politiker konnte am Montag letzter Woche 15.000 Menschen auf den Platz der drei Kulturen in Mexiko-Stadt mobilisieren, jenen historischen Ort, an dem 1968 mehrere hundert Studenten von Soldaten erschossen wurden. Auch zu anderen Kundgebungen des Linken kommen Zigtausende, in den Prognosen legte er in den letzten Wochen zu. Dennoch liegt er immer noch weit hinter seinem Konkurrenten Peña Nieto.
Für „Yo soy 132“ stehen die Wahlen nicht im Vordergrund. „Wir unterstützen keinen Kandidaten und keine Partei“, erklären sie, setzen also weder auf Peña Nieto noch auf López Obrador oder die von der konservativen Regierungspartei PAN ins Rennen geschickte Josefina Vázquez Mota. In ihrer Erklärung solidarisieren sie sich jedoch explizit mit den „indigenen Völkern im Widerstand“, den „Angehörigen von Opfern der Frauenmorde“ und nicht zuletzt mit der Friedensbewegung, die gegen den „Krieg gegen die Mafia“ des Präsidenten Felipe Calderón mobilmacht.
Deren Vertreter waren am Montag in der Hauptstadt zum Dialog mit Vertretern aller Parteien eingeladen, doch die Politiker kamen dabei allesamt nicht gut weg. „Für sie und ihre Parteien existieren die fast 60.000 Toten, die mehr als 20.000 Verschwundenen, die Hunderttausende von Vertriebenen und Verfolgten nicht“, erklärte der Dichter und Initiator der Bewegung, Javier Sicilia.
Weder seien die Parteien von korrupten Politikern gesäubert worden noch seien sie entschlossen, die Soldaten in die Kasernen zurückzuziehen. Während ein Teil der Bewegung trotzdem für das kleinere Übel, sprich López Obrador, votieren will, ist für Sicilia klar: Er wird ungültig wählen.
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