Studentenprotest in Italien: Gegen Showgirls im Parlament
Die Studenten in Rom demonstrierten erneut gegen die Universitätsreform, mieden dieses Mal aber die "Rote Zone". Zwischenfälle gab es dafür in Palermo und Mailand.
ROM taz | "Ihr: isoliert in der Roten Zone, wir: frei in der Stadt - Studenten für den Generalstreik" - mit diesem Transparent an der Zugspitze zogen am Mittwoch mehr als 10.000 Studenten durch Roms Universitätsviertel San Lorenzo, um gegen die im Senat laufende endgültige Verabschiedung der Universitätsreform zu protestieren. Auch in zahlreichen anderen italienischen Universitätsstädten gingen die Studenten auf die Straße.
Der Roten Zone, also dem Regierungsviertel, fernbleiben: Dies war acht Tage nach den schweren Ausschreitungen vom 14. Dezember die Marschroute der Studentenbewegung. Am Tag des Misstrauensvotums gegen die Regierung Berlusconi hatten sich tausende Protestierer heftige Straßenschlachten mit der Polizei geliefert, Barrikaden errichtet, einen Mannschaftswagen und mehrere Autos in Brand gesteckt.
"Wir lassen die Palazzi der Macht in der Einsamkeit ihres Elends und gehen diesmal woanders hin", hatte eine Sprecherin der Studenten schon am Vortag verkündet. Auf der Demo wurden Geschenkpakete mitgeführt, auf denen "Korrupte raus aus dem Parlament", "Keine Showgirls ins Parlament", "Nein zu den Einschnitten bei der Forschung" stand.
Mit ihrer Taktik wollten die Studenten nicht zuletzt die massive Panikmache der Regierungskoalition unterbinden. "Behaltet eure Söhne und Töchter zu Hause", hatte zum Beispiel Maurizio Gasparri, Fraktionsvorsitzender der Berlusconi-Partei "Volk der Freiheit", den Eltern der Studenten geraten, denn auf der Demonstration seien "potenzielle Mörder" zu erwarten. Und als reiche das noch nicht, wurde am Dienstag in einer römischen U-Bahn eine Bombenattrappe gefunden. Das Pulver entpuppte sich zwar als einfacher Zement, und die zwei Drähte waren nicht an den Timer angeschlossen - doch die Spannung heizte der Fund weiter an.
Die Wirkung blieb nicht aus; diesmal waren weit weniger Demonstranten unterwegs als letzte Woche. Dazu trug gewiss auch das schlechte Wetter bei - und die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, dass der Senat die schon vom Abgeordnetenhaus gebilligte Reform am Mittwochabend oder spätestens Donnerstag verabschieden würde. Weniger friedlich dagegen ging es in einigen der zahlreichen anderen Städte zu, in denen Tausende gegen die Reform auf der Straße waren. In Palermo versuchten die Studenten, den Sitz der Regionalregierung zu besetzen; daraufhin kam es zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei.
Den Schlagstock zückten die Ordnungshüter auch in Mailand, um einen unangemeldeten Demonstrationszug zu stoppen. Doch es ist weniger die Reform selbst, die den Protest provozierte, als generell die Bildungspolitik der Regierung Berlusconi. Schon in den letzten zwei Jahren waren die Unis massiven Kürzungen unterworfen worden. So darf nur eine von fünf frei werdenden Wissenschaftlerstellen neu besetzt werden.
Und die Mittel für Stipendien für Studenten aus Familien mit niedrigem Einkommen werden um 90 Prozent heruntergefahren. "Anderswo investieren die Staaten in Bildung und Forschung, bei uns wird gestrichen, und so werden wir für ein Leben in prekären Verhältnissen ausgebildet", fasste ein Student am Rande der Demo in Rom die Stimmung zusammen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl