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Studentenaktivisten in Frankfurt„Wir fühlen uns verarscht“

Seit Jahren besetzen Studierende ein Frankfurter Unigebäude: das Institut für vergleichende Irrelevanz. Nun hat die Hochschule das Haus verkauft: Räumungsdrohung!

Die Goethe-Universität in Frankfurt. Tolerierte bis vor kurzem Besetzer. Bild: dapd

FRANKFURT taz | Ein paar Gartenmöbel stehen verlassen im Vorgarten, die Eingangstür ist verschlossen. Erst nach mehrmaligem Klopfen öffnet eine junge Frau, die sich Clara nennt. Früher, sagt die 33-Jährige, seien die Türen stets offen gewesen, doch die „aktuelle Bedrohungssituation“ lasse das nicht mehr zu.

Clara ist eine der AktivistInnen aus der linken Szene, die vor über acht Jahren das damals leerstehende Uni-Gebäude direkt gegenüber dem Campus Bockenheim besetzt haben. Seither veranstalten sie im „Institut für vergleichende Irrelevanz“ (IvI) Konzerte, Vorträge, Partys und Workshops.

In dem von der antideutschen Strömung beeinflussten IvI ist die Solidarität mit Israel wichtig. Wer einen Palästinenserschal trägt, wird an der Tür abgewiesen – wegen der „antisemitischen Konnotationen“, so ist es in einem Beschluss des IvI-Plenums festgehalten. Mit anderen Teilen der linken Szene im Rhein-Main-Gebiet gab es deswegen schon öfter Reibereien. Nun droht dem IvI das Aus.

Deshalb blieben die Türen in den vergangenen Wochen oft verschlossen. Der bisherige Besitzer, die Frankfurter Goethe-Uni, welche die Besetzung jahrelang tolerierte, hat das Gebäude vor ein paar Wochen an die Immobilienfirma Franconofurt verkauft.

Dieser neue Eigentümer wird von den Aktivisten aus dem IvI als „zentraler Akteur des Gentrifizierungsprozesses“ bezeichnet. Das Geschäftsmodell des Unternehmens beruht darauf, Häuser nach dem Kauf zu sanieren und teure Eigentumswohnungen daraus zu machen. „Die ärmeren Mieter bleiben auf der Strecke“, kritisiert Clara.

Aus der Zeitung erfahren

Clara ärgert nicht nur, dass die Hochschule das Gebäude veräußert hat, sondern auch, dass die Besetzer erst aus der Zeitung vom Verkauf erfahren hätten und von der Uni keinerlei Informationen bekommen würden. Ein Sprecher der Uni hingegen bezeichnet den Verkauf als „normalen Vorgang“, zu dem es aus finanziellen Gründen keine Alternative gegeben habe. Zudem hätte sich die Uni vergeblich um einen Ansprechpartner bemüht. Auf der Homepage des IvI steht allerdings eine Kontaktnummer, eine Anfrage der taz wurde dort zügig beantwortet.

Obwohl die Hochschule angeblich „eine Vielfalt an außeruniversitären Angeboten begrüßt“, bleibt die Zukunft des Ivi ungeklärt. Die Uni wolle sich zwar dafür einsetzen, „dass die Besetzer ihre Veranstaltungen künftig im Studierendenhaus abhalten können“. Doch ein konkretes Angebot ist laut den Besetzern bisher nicht eingegangen. Florian Muhs vom Asta Frankfurt, der den Verkauf vehement kritisiert, bezeichnet diese Idee ohnehin als unsinnig: „Die Räume des Studierendenhauses, dessen Spatenstich noch fern ist, sind schon verplant.“

Unklare Pläne

Was der neue Eigentümer Franconofurt mit dem Gebäude vorhat, ist unklar. Eine Anfrage der taz blieb unbeantwortet.

„Wir fühlen uns verarscht“, sagt der Besetzer Klaus. Er und Clara wollen aufgrund der angespannten Situation ihre richtigen Namen nicht nennen. „Denn die Uni schreckt nicht davor zurück, unliebsame Studenten zu exmatrikulieren“, sagen die beiden Studierenden. Am IvI sind rund 20 Frankfurter Initiativen beteiligt, von Fachschaften der Uni über antirassistische Gruppen bis hin zu Organisatoren von Konzerten.

„Wenn das IvI schließt, wird eine richtige Lücke entstehen“, befürchtet Klaus. Doch dann ergänzt er: „Wir werden trotzdem erst mal weitermachen.“ Denn das Ivi aufgeben, „einfach so“, das will keiner der Aktivisten. So haben sie, trotz der schlechten Nachrichten, ihr Programm bereits bis in den Herbst hinein geplant.

Teil dessen ist auch die „Gegenuni“, die ab Montagabend zum vierzehnten Mal im Ivi stattfindet. Unter dem Motto „Utopie“ gibt es zwei Wochen lang Vorträge und Workshops, die gegenüber auf dem Campus keinen Platz finden. Dann werden die Türen vorerst wieder für jeden offen sein. Was dann kommt, kann hier niemand wirklich absehen.

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5 Kommentare

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  • W
    Wayne

    Die Menschen werden _nicht_ abgewiesen, es wird das Gespräch gesucht und gebeten es auszuziehn bzw einpacken. Abgesehen davon ist es ein überzogenes Klischee dieses Haus als "antideutsches Haupquartier" oÄ zu bezeichnen. Kommt einfach mal vorbei und schauts euch an!

  • G
    gnurch

    schade dass das politische selbstverständnis des ivi einfach auf "antideutsch" heruntergebrochen wird. selbstverständlich ist antifaschismus ein zentraler bezugspunkt des ivi. darüber hinaus ist aber bspw. auch feministische und queere politik ein bedeutender eckpfeiler dieses projektes.

     

    insgesamt ist es als ein ort zu verstehen, der raum für soziale und politische experimente eröffnet und auch als ein solcher zu nutzen versucht wird. hierdurch läuft vieles anders läuft als in orthodoxen linken (haus-)projekten, weil nicht einfach linke szenemindcodes übernommen werden und dem praxisfetisch gefröhnt wird. stattdessen ist es ein enorm facettenreiches politisches bündnis, von dem regelmässig kluge und originelle kulturelle interventionen ausgehen und das deswegen nicht bloß szenelinke oder junge studierende anzieht, sondern viel breiter im kulturellen leben frankfurts verankert ist.

  • DB
    DJ Boemerang

    Das Haus gehört zur Peripherie des alten Campus Bockenheim. Bis 2015 soll der Standort Bockenheim vollständig aufgelöst sein. Am 23. August 2011 wurde das Gelände des Campus Bockenheim vom Land Hessen an die stadteigene ABG Frankfurt Holding verkauft. Bis dahin ziehen die letzten in Bockenheim verbliebenen Fachbereiche zum Campus Westend, oder zum Campus Riedberg um.

  • MB
    Markus Brandt

    Antirassismus ist ja lobenswert und der Gegenpol zur antisemitischen Linken ist sicherlich wichtig gerade in Deutschland. Aber warum muss ich mir dafür ein Gebäude unter den Nagel reissen? Die sollen froh sein, dass sie so lange unbehelligt das Gebäude nutzen konnten. Zählt das etwa nichts? Jetzt wird es halt verkauft. Wir leben in einem Rechtsstaat und der Eigentümer kann das Grundstück verkaufen wenn er will und die "Bewohner" müssen dann eben raus. Als echte Besetzer haben sie ja sowieso keine Miete gezahlt und haben somit auch keinerlei Rechte im Bezug auf die Immobilie. Können die nicht einfach einen eingetragenen Verein gründen und sich über Spenden und Beiträge finanzieren wie das andere Gruppierungen auch machen? Aber was rede ich hier. Wer mit 33 noch eingeschriebener Student ist der hat nicht nur einen Schuss nicht gehört. Da braucht man gar nicht erst mit sachlichen Argumenten kommen.

  • S
    segler

    Ja gut, was haben die Damen und Herren denn erwartet? Glauben die, dass das Haus, nur weil es leer stand, die Uni kein Geld kosten würde, zu mal wenn die Herrschaften darin Hausen, Partys veranstalten usw. usw.? Was ist mit Strom, Wasser, Heizung?

     

    Es ist tatsächlich ein ganz normaler Vorgang, dass die Uni das Haus verkauft, wenn sie es nicht mehr benötigt. Wenn das den Damen und Herren Möchtegern-Revolutionären nicht passt, dann habe ich einen ganz heißen Tip:

    Selbst ein Haus kaufen und alle möglichen Leute dazu einladen, kostenlos dort zu wohnen, zu leben, zu feiern und alles auseinanderzunehmen. Nur das kommt leider so gut wie nie vor. Warum nur?

     

    Revolutionäre haben es offensichtlich mit der Selbstlosigkeit nicht so. Nur von anderen wird Solidärität (mietfrei wohnen etc.) gern eingefordert. Honi soit qui mal y pense!

     

    Aber zum Glück ist ja morgen 1. Mai. Da kann man es dem Scheiß-System mal wieder richtig zeigen und Frust raus lassen...