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StromknappheitEnergiehunger frisst Kaltreserven

Kaum Wind, wenig Sonne: Erstmals müssen deutsche Netzbetreiber auf Reservekraftwerke im eigenen Land zurückgreifen. Liegt das am Atomausstieg?

Die Kältewelle in Europa stellt die Stromnetzbetreiber vor neue Herausforderungen. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Meldung klingt wie eine akute Notsituation in der Stromversorgung: Erstmals muss Deutschland auf seine sogenannte Kaltreserven im eigenen Land zurückgreifen, also auf Kraftwerke, die normalerweise keinen Strom produzieren, sondern nur in Bereitschaft gehalten werden.

Zeitgleich meldete in Süddeutschland zumindest ein Gaskraftwerk einen Engpass, weil der russische Lieferant Gazprom wegen des starken Winters große Probleme hat, den Erdgashunger im kältestarren Europa zu stillen. Außerdem sind im Sommer hierzulande acht Atomkraftwerke vom Netz gegangen. In Deutschland drohe nun ein Stromausfall, titeln einige Medien.

Dazu allerdings scheint es keinen konkreten Anlass zu geben. "Wir treffen momentan auf eine Situation, die wir vorher bereits als kritisch identifiziert und uns darauf vorbereitet haben. Akute Versorgungsengpässe gibt es deshalb nicht", sagte etwa Ulrike Hörchens, Sprecherin des Übertragungsnetzbetreibers Tennet der taz. Die Kraftwerke, unter anderem in Österreich, laufen auf minimaler Leistung und werden für Notfälle vorgehalten.

"Es gibt also noch Kapazitäten, um auf den Ausfall weiterer Kraftwerke zu reagieren", sagte Hörchens. Falls jedoch ein großes Kraftwerk ausfallen würde, könne es durchaus zu kritischen Situationen kommen, ergänzte sie. Umstritten ist vor allem, welchen Anteil die erneuerbaren Energien derzeit leisten.

Netzbetreiber müssen kritische Situatuionen meistern

In den vergangenen Wochen gab es einige sonnenreiche Tage, in denen gerade in den Mittagsstunden die Solarenergie zuzeiten großen Verbrauchs viel Strom lieferte. Trotzdem müssen die Netzbetreiber immer wieder kritische Situationen ohne die Erneuerbaren meistern: Am heutigen Freitag beispielsweise wird ausgerechnet zu den Spitzenzeiten morgens und abends eine Windflaute erwartet, Sonnenstrom steht dann sowieso nicht zur Verfügung.

Deshalb hat im Herbst die Bundesnetzagentur Reservekraftwerke festgelegt. Kurioserweise liefert Deutschland gerade ins Atomland Frankreich Strom. Deutsche Kraftwerke nutzen die derzeit hohe Nachfrage dort und verkaufen ihren Strom zu guten Preisen ins Nachbarland. Die deutschen Netzbetreiber dürfen nur in äußersten Notfällen in den Markt eingreifen und den Export unterbinden - etwa wenn ein Stromausfall droht. Auch das ist ein Grund, warum jetzt Reservekraftwerke angefahren werden müssen.

Die Gasversorgung ist trotz der Probleme von Gazprom dank der Vorratshaltung in unterirdischen Kavernen in Deutschland generell gesichert. Der Präsident der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth: "Keine Dramatik, was Gaslieferungen anbelangt", sagte er. Die Vorräte würden noch einige Wochen reichen.

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6 Kommentare

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  • I
    Iris

    So schlimm kann es ja nicht sein. Ich war in der letzten Woche bei zweistelligen Minusgraden bei einer Freundin. Die Nachtspeicherheizung sprang kurz nach 18:00 Uhr zum Aufladen an. Also zu einer Zeit, an dem angeblich Stromknappheit herrscht. Wenn der Strom wirklich knapp wäre, dann könnte man die Dinger doch um 2:00 Uhr aufladen, denn es heißt ja NACHTspeicherheizung.

  • T
    tor206

    Zukunftstechnologien zur Energiegewinnung

     

    Kaum bekannt: in einem Bericht des BMZ in Bonn ist nachzulesen, dass es Entwicklungen gibt, die eine autarke Energieversorgung ermöglichen, ohne auf fossile Primärenergie zurückgreifen zu müssen.

     

    In einem verschämten Papier des BMZ in Bonn ist nachzulesen, dass es Entwicklungen gibt, die eine autarke Energieversorgung ermöglichen, ohne auf fossile Primärenergie zurückgreifen zu müssen. Der Hinweis auf die Nichtförderung dieser Technologien spricht Bände. In Garching werden Milliarden in die Fusionstechnologie der heißen Art gesteckt und Entwicklungen, die von entscheidender Bedeutung sind, werden für den möglichen Einsatz in Entwicklungsländern und Schwellenländern empfohlen. Bitteschön was spricht dagegen, hier in unseren "Energieverschwendungsregionen" Entwicklungen zu fördern, die z.B. eine Mobilität ohne fossile Energie ermöglichen, ohne Strom aus der Steckdose? Ich würde sofort zugreifen, wenn mir ein Gerät angeboten würde, dem ich alle benötigte Energie für meinen Haushalt entnehmen könnte, das nicht größer wäre als ein Fernsehgerät, und das mir keine permanent kletternde Energierechnung bescherte.

    Spinnerei - das war in der Vergangenheit das Argument, mit dem solche Gedanken bedacht wurden, bevor man sich wieder seinem Präferenzthema zuwandte. Seit dem Bericht "5001-15/Zukunftstechnologien" ist die Ausrede der "Spinnerei" nicht mehr zulässig. Hieb und stichfest sind hier sechs von vielen hundert Ansätzen ausgewählt und untersucht worden.

    http://www.buch-der-synergie.de/archiv/bericht_e_5001_15.pdf

  • V
    vic

    Seltsam. Gestern erst habe ich gelesen, Deutschland würde Strom nach Frankreich exportieren.

    Was denn nun?

  • W
    Waage

    Im S.P.O.N. Forum wurde von den Freaks eine sehr interessante neue Webseite als Ergänzung zu "transparency" empfohlen:

    "Entsoe" (European Network of Transmission System Operators for Electricity).

     

    Hier kann man stundenaktuell die Strom Im- und Exporte zwischen den europäischen Ländern nachvollziehen. Man muss sich allerdings anmelden, geht aber flott.

     

    Man kann sich auch einzelne Länder wie Österreich vornehmen und dann feststellen, dass anders als in einigen Medien berichtet, heute noch keine Kaltreserve abgefragt wurde - das war heute wohl die echte "Stromlüge"!!!

     

    Kurzer weiterer Frontbericht:

    Wind & Sonne ergänzen sich prima.

    Der konventionelle Kraftwerkspark scheint auch super zu laufen (kleines Löbchen!), alles bestens von unseren bienenfleißigen IngenieurInnen eingeregelt (dickes Löbchen!!)

    Exportiert wurde am heutigen Freitag mal wieder nicht nur nach Frankreich sondern auch in die anderen umliegenden Länder.

    Aber ich will nix berufen: toi-toi-toi!!!

     

    Ach ja:

    unglaublich was die Franzosen/Französinnen mit ihren Elekroradiatoren für nen Strom verbraten...

  • WK
    werner kutscheid

    deutschland ist doch immer der vorreiter. hauptsächlich im irrsinnlichem handeln. da braucht man nich lange nachzudenken. es ist gelinde gesagt eine katastrophe was alles geschieht. angefangen bei dem ganzen ökoquatsch, atom, abschalten,endlagerung, stuttgart,bundepräsident wulf!!!, wosoll der denkende bürger noch anfangen.es ist gelinde gesagt eine katastrophe in unserem land. was werden später unsere kinder sagen.

  • F
    Frank

    "Unerwartete zusätzliche Probleme bereiten außerdem die russischen Lieferprobleme beim Erdgas, die zu Einschränkungen beim Betrieb von Gaskraftwerken führen, wie Hörchens berichtete. Darüber hinaus belasten erhebliche Stromexporte von Deutschland nach Frankreich das deutsche Netz. Die Franzosen haben zurzeit trotz ihrer zahlreichen Atomkraftwerke große Probleme, den eigenen Bedarf zu decken, da in Frankreich viel mit Strom geheizt wird. Sie importieren deshalb Energie aus der Bundesrepublik.

     

    Zwtl.: Stromexporte nach Frankreich dauern an"

     

    ( http://www.boulevard-baden.de/ueberregionales/wirtschaft/2012/02/09/kaltewelle-sorgt-fur-stromknappheit-in-deutschland-von-erich-reimann-2-475919/ )

     

    Eigentlich wird bundesweit das Gleiche gesendet.

    (gesteuert wird über sogenannte Pressedienste)

     

     

    Je nach Bedarf wird die jeweils gewünschte Botschaft durch Kürzung der Tatsachen inszeniert. Das ist dann die Pressefreiheit in der beruflichen Praxis.

    Das ist die Basis für den freien Journalismus und die freie Wahl der Informationsquellen der Konsumenten.

     

    Hier, im taz-Schnipsel, fehlt der kleine Widerspruch, dass Strom z.B. nach Frankreich exportiert wird.

    Das passt nicht zur Botschaft "Unterversorgung".

    Also weglassen...

     

    Wenn man eher die Botschaft "Deutschland ist toll bei Strom" verbreiten möchte, geht das Detail eben mit in die Botschaft ein...

     

    Echt Klasse.

     

    Und ergänzend wieder Fussball, Promi-News und suesse Tierbabies. Und natürlich die enttäuschte Sehnsucht von tadellosen Führern regiert zu werden.

    Oder umgekehrt, die erfüllte Sehnsucht von gerissenen Schlitzohren regiert zu werden ...

     

    Zum Kotzen.