piwik no script img

Strindberg, leicht unscharf

Theater hinterm Plastikfilm: Die Shakespeare Company präsentiert eine „traumhafte“ Adaption von Strindbergs „Totentanz“.a Assoziatives, „ein Kommentar“

Die Traumwelt beginnt hinter der Folie: sichtbar (aber leicht verschwommen), hörbar (aber manchmal stumm), erschreckend real in den Handlungen (aber stets mit dem kleinen irren Etwas, das die Grenzen der Realität sprengt). Mit „P.S.: Strindberg“, ihrer Adaption des „Totentanz“-Dramas des schwedischen Dichters, wagt die Bremer Shakespeare Company ein Experiment: Statt handfestem Shakespeare gibt es Fragmentarisches, Assoziatives – „ein Kommentar“, wie Regisseur Christian Fries sagt.

Eigene Szenen, Geschichten, sogar Träume der Schauspieler fanden Eingang in das Stück. Die von Strindberg im „Totentanz“ beschriebene „Ehehölle“ hingegen, der abgrundtiefe und mit gegenseitiger Leidenschaft ausdauernd umgesetzte Hass zwischen Alice (Janina Sablotzki) und dem trunksüchtigen „Kapitän“ (Erik Roßbander), die seit 25 Jahren miteinander verheiratet sind, lieferte dem Ensemble nur die Vorlage.

Nach wie vor Haupthandlung des Stückes, ist dieser Dauerstreit in „P.S.: Strindberg“ nicht im Präsens, nicht vorne auf der Bühne inszeniert, sondern im Traum, in der Fiktion – von der Gegenwart (und dem Publikum) abgegrenzt durch den Plastik-Film, der sich wie ein transparenter Vorhang quer durch den Raum spannt.

Doch die Übergänge zwischen den Welten sind – wie im echten (Traum-)Leben – fließend: Je nach Beleuchtung gewinnen Traum oder Jetzt die Oberhand, sind die Figuren hinter der Plane klar und deutlich zu verstehen oder agieren sie stumm, schematisch überzogen, verlangsamt, verfremdet.

Durchlässig ist die Traum/Welt-Grenze auch für die Figuren selbst. Der eifrige Jogger etwa, der täglich in Chronisten-Manier seiner Videokamera über die unbesonderen Besonderheiten und seine „Gefühlslage“ Auskunft gibt, findet sich irgendwann in seinem eigenen Traum wieder: als Alices Vetter Kurt (Peter Lüchinger), der im Ehestreit buchstäblich zwischen die Fronten gerät. Denn auch hier gilt: Realität, Fiktion, Lüge und Inszenierung sind nicht allzuweit voneinander entfernt. Mit Kurt gesagt: „Gefühlslage? – Durchwachsen.“ sim

Weitere Aufführungen am 20. und 21.9. sowie am 5. und 11.10., jeweils um 19.30 Uhr.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen