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Archiv-Artikel

Strieders teure Fisimatenten

Senat verschiebt Entscheidung zum Tempodrom: Das Zelt aus Beton soll möglichst an einen Investor verkauft werden. Land will nur noch einmal Millionen nachschießen. Explodierte Baukosten drücken

von ROBIN ALEXANDRE

Der Senat hat die Entscheidung über einen weiteren Zuschuss für das finanziell angeschlagene Tempodrom vertagt. Dabei hatte Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) schon gestern alles für einen Senatsbeschluss vorbereitet. Für den im vertraulichen Anhang der Tagesordnung aufgerufenen Punkt „Tempodrom“ präsentierte Sarrazin unterschiedliche Szenarien. Von der „sofortigen Insolvenz“ über die „geordnete Insolvenz“ bis zur Suche nach einem privaten Betreiber gingen die von der Finanzverwaltung vorbereiteten Alternativen.

Damit war Sarrazins Verwaltung einem Auftrag der letzten Arbeitsklausur des Senats gefolgt. Der Senat entschied sich jedoch nicht für eine der vorgestellten Alternativen, sondern beschloss nach Diskussion eine weitere Prüfung. Nun soll in der nächsten Woche entschieden werden.

„Wir brauchen ein Konzept, damit kein Fass ohne Boden entsteht“, begründet Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) die Vertagung der Entscheidung. Das Problem sei eine Landesbürgschaft in der Höhe von 10 Millionen Euro, die im Falle einer Insolvenz fällig werde. Darum, so Strieder, wolle er eine Insolvenz vermeiden und möglichst einen Träger finden, der das Tempodrom übernimmt und das Land aus der Bürgschaft entlässt.

Laut Strieder gibt es schon „entsprechende Signale und Interessenten“. Konkreter wurde er nicht, betonte jedoch: „Das Teuerste ist im Zweifelsfall die plötzliche Insolvenz.“ Der Landesrechnungshof hingegen hatte in der vergangenen Woche ein Insolvenzverfahren angeregt.

Schon jetzt wurde im Senat darüber Einigkeit erzielt, dass der nun für das Tempodrom anstehende Landeszuschuss definitiv der letzte sein muss. Bisher hat sich das Land schon mit 4,8 Millionen Euro engagiert.

Das Tempodrom am Anhalter Bahnhof liegt im Wahlkreis des SPD-Vorsitzenden Strieder. Politiker von PDS und SPD sind sich jedoch einig, die Verantwortung für das Desaster liege mutterseelenallein beim ehemaligen Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner (CDU), in dessen Amtszeit die Gewährung der Landesbürgschaft fiel.

Die aktuelle Krise resultiert, laut Strieder, nicht aus dem laufenden Betrieb, sondern aus den Baukosten, die mit 60 Millionen Euro doppelt so hoch ausfielen wie geplant.

Die Idee für das Tempodrom, eine zeltartige Betonhalle, geht auf das gleichnamige Zirkuszelt zurück, das Irene Moessinger 1980 vor dem Tiergartner Mauerbrachland am Potsdamer Platz errichtete. Dort kam vor allem Alternativkultur zur Aufführung. Später wurden größere Zelte aufgeschlagen – neben der Kongresshalle.

Als Jahre später in unmittelbarer Nachbarschaft das Bundeskanzleramt gebaut wurde, schlug Moessinger gewieft eine Umzugsprämie in Millionenhöhe heraus und nahm forsch den Neubau am Anhalter Bahnhof in Angriff. Ironie der Geschichte: Dort, wo einst das Tempodrom-Zelt weg musste, ist heute wieder ein Veranstaltungsort: Tipi – das Zelt.