Strengere US-Regeln für Netzneutralität: Die Datenpaket-Kommunisten
Netzneutralität ist in den USA ein etabliertes Verbraucherthema. Die EU sympathisiert mit den Internetanbietern. Das muss sich ändern.
![](https://taz.de/picture/62605/14/TomWheeler2_3_2015.jpg)
Es ist tatsächlich mal eine richtig gute Nachricht: Die US-Aufsichtsbehörde FCC rang sich nach langer Lobbyistenschlacht am Donnerstag dazu durch, mit strengeren Regeln Netzneutralität durchzusetzen. Internetanbietern wird damit verboten, einzelne Dienste gegen Bezahlung zu bevorzugen, Datenpakete von nichtzahlenden Anbietern zu drosseln oder legale Inhalte zu sperren.
Das bedeutet konkret: Selbst wenn Anbieter von datenintensiven Services wie Netflix Providern nicht extra Geld dafür zahlen, dass ihre Inhalte besonders schnell übertragen werden, können Serien wie die Netflix-Produktion „House of Cards“ ruckelfrei übertragen werden. Ebenso wie aufwändige Onlinespiele oder Dienstleistungen im Zusammenhang mit Telemedizin.
„Das Internet ist einfach zu wichtig, um Provider allein die Regeln dafür machen zu lassen“, begründete der Vorsitzende der Federal Communication Commission (FCC), Tom Wheeler, die Entscheidung, dank der die FCC Netzneutralität sowohl für leitungsgebundene als auch für mobile Breitbandverbindungen sichern will. Netzaktivisten und Internetunternehmer feierten die Entscheidung des FCC als Triumph des freien, offenen Internets. Zum Überraschungshelden in ihrem Kampf wurde Wheeler, ein einstiger Lobbyist der Telekommunikationsbranche.
Es ist richtig, diese nun festgeschriebene Form von Datenpaket-Kommunismus zu zelebrieren: Je weniger finanzielle Interessen und inhaltliche Kontrolle dem Fluss von Daten und Informationen über die Netze im Weg stehen, desto besser. Das gilt um so mehr, als dass es in den USA bei der Diskussion eben auch darum geht, dass Provider häufig Kabelanbieter sind – die ihr Geschäftsmodell durch Streaming-Angebote in Gefahr sehen.
Außerdem bewahrt Netzneutralität die Chancen von Innovationen: Ohne sie könnten sich Konkurrenten von datenintensiveren Diensten wie YouTube nicht etablieren – zu groß wäre der Druck, bei Providern, zusätzliche Durchleitungsgebühren abzudrücken, um sich gegen etablierte Player durchzusetzen.
Interessant an der aktuellen Entscheidung ist, wie groß das Interesse an dem Schwarzbrot-Thema Netzneutralität in den USA zuletzt war. So mischten sich in die Debatte von TV-Comedian John Oliver bis hin zu Präsident Barack Obama Stimmen jenseits der üblichen Netzfreiheitskämpfer ein, es gab Kampagnen, unterstützt von Diensten wie Reddit oder Etsy – mit dem Ergebnis, dass zuletzt über vier Millionen Menschen auf den Seiten des FCC diskutierten.
Sexy wie eine Kurvendiskussion
Das alles erstaunt, weil die Frage, wie Datenpakete durch weltweite Netze geleitet werden, vielen als ähnlich sexy gilt wie eine Kurvendiskussion. Und doch ist es in den USA gelungen, Netzneutralität zu einem digitalen Verbraucherthema zu machen. Einem, das Demokraten und Republikaner spaltet und hitzig diskutiert wird – und das nach Ansicht vieler Beobachter sogar im Wahlkampf 2017 eine Rolle spielen wird.
Hierzulande lockt das Thema die breite Öffentlichkeit nicht hinter dem Ofen hervor – auch wenn es auf EU-Ebene fast ebenso lange schon auf der Agenda steht wie in den USA.
Im Zuge von internationalen Datenströmen logisch und auch wünschenswert wäre es natürlich, wenn auch hierzulande ähnlich klare Regeln für Netzneutralität festgeschrieben würden. Auch, weil Europa im Bereich der digitalen Innovationen weit hinterherhinkt – und doch eigentlich so gerne vorne mitspielen würde. Und doch sind aktuelle Entwürfe für Regelungen auf EU-Ebene schwammig formuliert und eröffnen viele Möglichkeiten, um Netzneutralität zu verletzen. Deutschland, aber auch andere Länder Europas äußern immer wieder Sympathien für die Interessen von Providern, die gerne Spezialdienste anbieten möchten – und oft und gerne über ihre finanziellen Nöte angesichts von dringend notwendigem Netzausbau stöhnen.
Und so ist eine ähnlich klares Bekenntnis zu Netzneutralität wie in den USA derzeit noch ein Fernziel. Es sei denn, es gelingt, Netzneutralität so wie dort zu einem digitalen Verbraucherthema zu machen, das jeden bewegt, der einen Internetanschluss hat.
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