Streit um werbliche Posts bei Instagram: Alles Werbung? Ja, nein, vielleicht
Bei Instagram müssen viele Fotos mit einem Werbehinweis versehen werden. Das Model Fiona Erdmann geht gerichtlich dagegen an.
Was, das ist Werbung? Diese Frage stellt man sich aktuell immer häufiger, wenn man durch Instagram scrollt, ein Social-Media-Dienst, auf dem Fotos und kurze Videos geteilt werden. Denn immer mehr Posts werden von den Nutzerinnen und Nutzern als Werbung gekennzeichnet – ohne auf den ersten Blick ersichtlichen Grund. Wie ist es dazu gekommen?
Lange Zeit bewegten sich die populärsten Personen bei Instagram in einem sehr dunklen Graubereich. Diese InfluencerInnen trugen Klamotten, aßen Eis, tranken was, ließen sich dabei fotografieren – und am Ende war nicht klar, ob der Instagram-Nutzer das Foto einfach nur so gemacht hat und die Kleidung trägt, das Getränk trinkt oder das Eis isst, weil er oder sie es eben mag, oder weil es sich um einen Werbeauftrag mit Bezahlung handelte.
Mittlerweile ist das anders, denn zum einen wurde die Forderung nach Transparenz immer lauter. Zum anderen gehen Wettbewerbshüter wie der Verband Sozialer Wettbewerb massiv gegen die Intransparenz vor, indem er mehrere Hundert Influencer abmahnt, verklagt, von ihnen Bußgelder einfordert und sie Unterlassungserklärungen unterzeichnen lässt.
Instagram selbst hat darauf reagiert und eine Funktion eingerichtet, mit der Influencer einen Beitrag sehr leicht als bezahlte Werbung kennzeichnen können.
Finanzieller Verdienst nicht mehr entscheidend
Der Verband Sozialer Wettbewerb geht aber weiter: Er mahnt und klagt auch, wenn es sich bei einem Foto gar nicht um eine bezahlte Werbe-Partnerschaft handelt. Im Verständnis des Verbands reicht manchmal schon die Verlinkung zu einem anderen Instagram-Account aus, damit es als Werbung gekennzeichnet werden muss.
Ob finanzieller Verdienst hinter einem Foto steckt, scheint hier nicht mehr entscheidend zu sein. Und damit ist er nicht alleine: Entscheidender ist laut eines Urteils des Berliner Landgerichts vom Mai, ob ein Account tatsächlich nur privat oder geschäftlich betrieben wird.
Am Freitag stand deshalb nun erneut eine Influencerin vor Gericht: Fiona Erdmann, einst Kandidatin bei „Germany’s Next Topmodel“, sieht nicht ein, warum sie ein Foto als Werbung hätte kennzeichnen sollen, denn sie habe von niemandem Geld für dieses Fotos bekommen, sondern sogar selbst Geld dafür ausgegeben, um unter anderem den Fotografen zu bezahlen.
Aber: Weil sie den Instagram-Account des Fotografen dann auf dem Foto verlinkt hat, mache sie Werbung für diesen, so der Vorwurf des Verbands Sozialer Wettbewerb. Er fordert, dass dies als Werbung im Text unter dem Foto transparent gemacht werden müsse. Erdmann wirft dem Verband vor, hier eine Gesetzeslücke auszunutzen, weil es „kein 100% auf die sozialen Medien abgestimmtes Gesetz gibt“, wie sie bei – natürlich – Instagram schrieb.
Tags führen in die Irre
Sie hat die Hashtag-Kampagne #freedomoftagging gestartet. Sie will erreichen, dass Instagram-Posts, die nicht wegen eines Werbevertrags entstanden sind, auch nicht als solche gekennzeichnet werden müssen, auch wenn auf dem Foto andere Accounts markiert werden. Denn diese Kennzeichnung führe die Instagram-Nutzer nur in die Irre.
Damit hat sie nicht völlig Unrecht: Dass mittlerweile immer mehr Instagram-Posts als Werbung gekennzeichnet werden, führt aktuell nicht zu mehr Transparenz, sondern zu immer mehr Verwirrung. Privatpersonen treffen sich auf einen Kaffee, posten davon ein Foto auf der Plattform, verlinken auf dem Foto ihre gegenseitigen Instagram-Accounts und vielleicht auch das Café oder Restaurant – und markieren das dann als Werbung, weil sie Angst haben, sonst auch abgemahnt zu werden.
So wird allerdings nicht mehr Klarheit geschaffen, sondern es wird sogar im Gegenteil unübersichtlicher, was jetzt tatsächlich Werbung ist – und was nicht.
Ein Urteil im Fall Fiona Erdmann gab es am Freitag erst mal nicht, die Verhandlung geht im November weiter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Überraschende Wende in Syrien
Stunde null in Aleppo
Liberale in der „D-Day“-Krise
Marco Buschmann folgt Djir-Sarai als FDP-Generalsekretär
Trumps Wiederwahl
1933 lässt grüßen