Streit im Hamburger BSW: Partei-Rebellen haben erst mal verloren
Landeswahlleiter streicht Liste der BSW-Rebellen. Offizielle Liste mit Žaklin Nastić darf antreten. Hausverbote bei Kandidaten-Kür seien unerheblich.
Die Sitzung im Saal der Handwerkskammer verlief sehr turbulent. Gleich zu Beginn trat der Jurist Bijan Tavassoli, der als Vertrauensmann für die dritte, erst am 19. Januar aufgestellte Liste gekommen war, an Rudolfs Tisch und nahm ein Exemplar der Beschlussvorlage mit an seinen Tisch. Sodann fotografierte er eine Seite. Rudolf ging zu ihm und forderte ihn ernergisch auf, das zu unterlassen. Die Stimmung im Saal war aufgebracht. „Herr Rudolf, Herr Rudolf, sollen wir die Polizei rufen?“, rief eine Journalistin.
Doch die Lage beruhigte sich wieder. Tavassolli begründete sein Handeln später damit, dass der Wahlleiter ihm am Abend zuvor nicht, wie üblich, vorab die Beschlussvorlage geschickt hatte. Über die Mängel, die Rudolf festgestellt hatte, sei er nicht informiert gewesen. Unter anderem fehlte eine Anlage mit den Namen der Aufgestellten und die Zahl der bei der Aufstellung anwesenden Mitglieder.
Und – das ist auch bei der anderen Rebellen-Liste entscheidend – es fehlte die Unterschrift vom richtigen BSW-Landesvorstand. Als solchen entschied Rudolf, nur jenen vom 11. Januar anzuerkennen. Er berief sich dabei auf einen Beschluss des Landgerichts Berlin-Mitte vom 17. Januar und einen Beschluss des BSW-Bundesschiedsgerichts vom 22. Januar.
Kein Durchkommen an der Parteitags-Tür
Rudolf wusste, dass beide Beschlüsse angefochten würden. Doch das stehe seiner Entscheidung nicht im Wege. „Der Landeswahlleiter ist nicht dazu berufen, über parteiinterne Konflikte zu entscheiden“, sagte er. Der Wahlausschuss führe lediglich ein „Schlüssigkeitsprüfung“ durch und suche nach „Anhaltspunkten“. Tavassoli warf ihm Befangenheit vor. Das gab Rudolf zu Protokoll, ebenso seine Replik, dass der junge Jurist „sich nicht zu benehmen“ wisse.
Über die offizielle Liste des vom Bundesvorstand anerkannten Hamburger BSW-Landesverbands mit Žaklin Nastić an der Spitze wurde erst zum Schluss abgestimmt. Hier wischte Rudolf mögliche Einwände vom Tisch. Dass etwa bei Nastićs Kür am 11. Januar zwei Gegenkandidaten Hausverbot hatten, spiele keine Rolle. Denn das BSW-Mitglied Dejan Lazić habe in der Sitzung keine schriftliche Zustimmung der von ihm vorgeschlagenen Kandidaten vorgelegt. Nur bei bereits im Saal Anwesenden gehe das „per Zuruf“.
Die Kritiker monieren auch die Reihenfolge der Abstimmung im Landeswahlausschuss. Dass ihre beiden BSW-Listen vom 8. und 20. Januar abgelehnt wurden, bevor die dritte vom 16. Januar zugelassen wurde, zeige, dass Wahlleiter Rudolf befangen sei. Zudem könnten sie nun keine Beschwerde mehr beim Bundeswahlleiter einlegen, da diese Liste für das BSW schon zugelassen ist. Das könne nur Rudolf selber, sagt Tavassoli. „Wir überlegen, deshalb vors Bundesverfassungsgericht zu gehen“.
Wie berichtet, handelte es sich um Bijan Tavassoli und Alexander Konstantinov. Beide durften nicht ins Gebäude. Tavassoli erklärte später dazu, er habe damals jene schriftliche Zustimmung zur Kandidatur an der Tür vorgezeigt, bevor er Hausverbot bekam. „Die wollten sie halt nicht annehmen.“ Dejan Lazić sagt dazu, Rudolf lege hier die Wahlordnung des BSW „unzulässig aus“.
Gegen die von Rudolf zitierte Entscheidung des Landgerichts Berlin legte der Anwalt der Kritiker Beschwerde ein. Lazić will auch gegen den Beschluss des BSW-Bundesschiedsgerichts vorgehen. So prüfe man, ob der Bundesvorstand Einfluss auf die Richter genommen habe.
Guérots Kandidatur ist vom Tisch
Es geht bei dem Konflikt im Grunde darum, ob Landesverbände und weitere untere Gliederungen nur „top down“ oder auch von der Basis gegründet werden können – sowie um die Frage, ob nur der BSW-Bundesvorstand entscheiden darf, wer Mitglied wird. In der Wissenschaft wird das ernstgenommen. Wie berichtet, nennt die Parteienrechtlerin Sophie Schönberger das BSW ein „autoritäres Projekt“, das seine Gründung in „überaus straffer von oben herab strukturierter“ Weise vorantreibe.
Keine Rede mehr ist von einer Kandidatur Ulrike Guérots in Hamburg. Die streitbare Politikwissenschaftlerin war im Wahlkreis Hamburg Nord von den Kritikern aufgestellt worden. Hier teilte der Bezirkswahlausschuss schon am Donnerstagabend mit, dass Guérot dort nicht zugelassen wird – mit derselben Begründung: Der Vorschlag komme vom falschen Vorstand.
Sehr zufrieden zeigte sich der stellvertretende Vorsitzende der Bundespartei Amid Rabieh. Der Wahlausschuss habe klargestellt, „dass der einzige rechtmäßige BSW-Landesverband der von uns am 21. Dezember gegründete ist“, sagte Rabieh. „Alles andere waren lediglich Störmanöver, die überproportional viel mediale Aufmerksamkeit fanden.“
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