Streit um geistlichen Holocaust-Leugner: Vatikan bleibt für Merkels Worte taub

Vertreter von Juden und Katholiken begrüßen Kanzlerin Merkels Kritik an Benedikt XVI. Doch der Vatikan äußert Unverständnis. Theologe Küng fordert, die Rehabilitierung der reaktionären Bischöfe aufzuheben.

Was die Protestantin sagt, ist fürs katholische Oberhaupt nicht unbedingt von Belang. Bild: dpa

FRANKFURT AM MAIN/ROM epd/dpa Die Kritik an Papst Benedikt XVI. in der Holocaust-Debatte reißt nicht ab. Vertreter der katholischen Kirche wie des Judentums in Deutschland forderten das Kirchenoberhaupt auf, die Rehabilitierung des britischen Holocaust-Leugners Bischof Richard Williamson zurückzunehmen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekam Rückendeckung für ihre ungewohnt offene Stellungnahme gegen das aus Deutschland stammende Kirchenoberhaupt.

Merkel hatte am Dienstag vom Papst eine Klarstellung gefordert, dass es im Zusammenhang mit dem Holocaust "keine Leugnung geben kann" und es "natürlich einen positiven Umgang mit dem Judentum insgesamt" geben müsse. Eine solche Klarstellung sei aus ihrer Sicht "noch nicht ausreichend erfolgt".

Das wiederum bestritt der Vatikan. Die Verurteilung von Aussagen, die den Holocaust leugnen, hätte nicht klarer sein können, so Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone. Der katholischen Zeitung Avvenire, sagte er: Benedikt und allen seinen Mitarbeitern liege auch künftig an guten Beziehungen zum Judentum. Die Piusruderschaft habe sich von Äußerungen ihres Mitbruders distanziert und den Papst "für diese unerfreuliche Episode um Verzeihung gebeten", erinnerte Bertone. Der Papst selbst habe sich am vergangenen Mittwoch klar dazu geäußert, "die Angelegenheit ist aus meiner Sicht beigelegt".

Der Zentralrat der Juden in Deutschland lobte Merkels Einmischung: "Hochachtung und Anerkennung für die Bundeskanzlerin, dass sie sich in dieser diffizilen Angelegenheit zu Wort meldet", sagte der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan Kramer der in Essen erscheinenden WAZ. Der Zentralrat strebe ein Gespräch mit dem Papst an. "Ich werde meinen Gremien vorschlagen, mit der Bischofskonferenz zusammen ein Gespräch mit dem Papst zu führen. Ich hoffe, dass dieses Signal gehört wird", sagte Kramer.

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Hans-Joachim Meyer, sagte der in Chemnitz erscheinenden Freien Presse, die jahrzehntelangen Bemühungen um eine Annäherung an die Juden hätten durch die Rehabilitierung Schaden genommen. Er hoffe, dass Entscheidungsvorgänge im Vatikan künftig "nach einer gründlichen Prüfung und in kollegialer Abstimmung getroffen werden".

Der Tübinger Theologe Hans Küng empfahl Benedikt XVI., die Rehabilitierung der insgesamt vier judenfeindlichen Bischöfe der ultrakonservativen Pius-Bruderschaft rückgängig zu machen. "Irrtümer müssen einfach berichtigt werden", sagte Küng im ZDF-"heute journal". Die vier Bischöfe leugneten nicht nur den Holocaust, sondern grundsätzliche Konzilsbeschlüsse zum Dialog mit anderen christlichen Kirchen und Religionen. Auch Küng begrüßte die Einmischung von Merkel. "Es ist sehr gut, wenn sich die Bundeskanzlerin in der Frage äußert", sagte er. Wenn ein deutscher Papst einen solchen katastrophalen Fehler mache, falle das auf die Deutschen zurück. Küng äußerte allerdings die Sorge, dass der Papst seinen Fehler nicht korrigieren werde.

Auch der Berliner Erzbischof Georg Kardinal Sterzinsky forderte Benedikt XVI. zur Korrektur seiner Entscheidung auf. "Das muss in Ordnung gebracht werden", sagte er der Bild. Den Holocaust zu leugnen, sei ungeheuerlich und eine große Belastung für die Beziehungen zum Judentum. "Die Exkommunikation von Williamson aufzuheben, ist ein Vorgang, den ich nicht für richtig halte", sagte der Kardinal. Das Mindeste sei jetzt eine Überprüfung dieser Entscheidung.

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