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Streit um die VorratsdatenspeicherungBrüssel setzt eine Frist für Deutschland

Die EU-Kommission hat Deutschland eine Frist von einem Monat gegeben um ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung auf den Weg zu bringen. Ein „Quick-Freeze“-Gesetz reiche aber nicht aus.

Wer telefoniert wann mit wem? Die EU will's wissen – sehr bald. Bild: ap

BRÜSSEL dpa | Die EU-Kommission hat Deutschland ein Ultimatum für ein neues Gesetz zur Speicherung von Telefon- und Internetdaten bei der Terrorabwehr gesetzt. Die EU-Behörde werde die Bundesrepublik beim Europäischen Gerichtshof wegen Verletzung der EU-Verträge verklagen, wenn Berlin nicht innerhalb von vier Wochen die EU- Richtlinie von 2006 zur Vorratsdatenspeicherung umsetzt. Ein entsprechendes Mahnschreiben sei nach Berlin geschickt worden, sagte ein Sprecher der zuständigen EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström am Donnerstag in Brüssel.

„Wir sagen darin, dass der Verweis zum Gerichtshof der nächste Schritt wäre“, sagte der Sprecher. „Das Schreiben enthält die Warnung, dass Deutschland Geldstrafen auferlegt werden (könnten).“ In letzter Konsequenz kann das Gericht millionenschwere Strafen verhängen. Die Frist für die Umsetzung in nationales Recht war bereits 2007 ausgelaufen. „Deutschland hatte - ebenso wie andere Mitgliedstaaten - genug Zeit, um all diese Punkte umzusetzen“, betonte der Sprecher. Eine mögliche Strafsumme könne er nicht nennen.

Brüssel macht damit Druck auf die Regierungskoalition in Berlin, die seit 2010 um eine Neufassung des Gesetzes streitet. Am Vortag hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in den Dauerstreit eingeschaltet und auf eine Lösung gedrängt.

2010 hatte das Bundesverfassungsgericht die bis dahin geltende Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig erklärt. Für die Neuregelung ist Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zuständig. Ihr Vorschlag, Daten nur bei konkreten Anlässen zu speichern („Quick Freeze-Verfahren“), geht der Union und Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) aber nicht weit genug.

„Ein anderes System“

Auch die EU-Kommission lehnt dieses Verfahren ab, weil es hinter den Anforderungen der EU-Richtlinie zurückbleibe. „Um es ganz klar zu sagen: Quick-Freeze kann nicht als Umsetzung der EU-Richtlinie gewertet werden. Es ist ein anderes System, das nicht so effektiv ist wie die Vorgaben in der Richtlinie“, betonte der Kommissionssprecher.

Deshalb habe die Behörde nun diese letzte Warnung losgeschickt. Dies sei keine Ausnahme: „Wir machen das, wenn wir das Gefühl haben, dass Verhandlungen mit dem Mitgliedstaat noch laufen und dass der Mitgliedsstaat noch mehr unternimmt.“

Seit Sommer 2011 hat die EU-Kommission Deutschland in dieser Sache im Visier. Die Bundesregierung hatte im Dezember Stellung zu den Vorwürfen genommen, doch dieses Schreiben reichte Brüssel nicht. Der Sprecher bemängelte: „In dieser Antwort wurde nicht gesagt, wann und wie Deutschland die Richtlinie umsetzen wird.“

Deutschland ist nicht das erste Land, das in dieser Frage Ärger mit Brüssel bekommt. Gegen Schweden und Österreich hat die Behörde bereits Verfahren wegen Verletzung der EU-Verträge eingeleitet.

Nach Ansicht der EU-Behörde ist die Datenspeicherung ohne Anfangsverdacht ein wichtiges Instrument zum Schutz der Bürger - zum Beispiel vor Terroristen. Die EU-Richtlinie verpflichtet Telekom-Unternehmen seit 2006 dazu, die Daten von Telefongesprächen, Internetverbindungen und Mails der Bürger auf Vorrat speichern, damit Fahnder später Verbrechen aufklären können.

Dank Telefondaten seien zuletzt unter anderem ein Netz von Heroinschmugglern und ein Pädophilenring in der EU aufgedeckt worden, betont die zuständige EU-Kommissarin Malmström immer wieder. Die EU-Richtlinie wurde nach den Terroranschlägen von Madrid (2004) und London (2005) beschlossen. Inzwischen will die EU-Kommission die Richtlinie überarbeiten und zum Beispiel mehr Datenschutz einfügen – bis dahin müssen sich alle Staaten an die bisherigen Vorgaben halten.

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7 Kommentare

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  • H
    Hirni

    In Zukunft: darbende Rentner,Armengräber, Hungerlöhne, Wirtschaftskriege. Dazu gehört natürlich eine generelle Datenspeicherung der Bevölkerung. Wenn man schon nichts verändern will, dann muss man wenigstens die erfassen, die eventuell etwas verändern wollen.-"So geht es ja nicht, dass einige etwas verändern wollen, wozu wir Politiker ja zu dämlich sind"!?.

  • K
    kannes

    @Europäer

     

    Die Terroranschläge in Frankreich sagen eben

    gerade nicht aus, dass eine Vorratsdatenspeicherung

    auf Europaskala sinnvoll ist.

     

    Denn der Täter war ein Einzeltäter und dennoch

    bereits als Kämpfer in Afghanistan und oder Pakistan

    mehreren Geheimdiensten bekannt!!!!!

     

    Einen ExFeindkämpfer wieder in Frankreich

    ohne Bestrafung einfach wieder aufzunehmen,

    ist doch schon gehirnamputiert.

    Der Mann hätte oder hat auf Seiten der Al Quaida

    gegen französische Soldaten oder deren Verbündete

    aktiv gekämpft!!

    Er ist damit ein Verräter und hätte den Entzug

    der französischen Staatsbürgerschaft verdient!!!

    Stattdessen nehmen Sie ihn ohne jegliche

    Bestrafungsmaßnahmen wieder auf und füttern ihn durch.

    Sicherlich war das auch in Deutschland

    bei einigen Terrorzellen der Fall.

    Wo ist eigentlich der letzte Funken Vernunft

    und Konsequenz in Europa?

    Wenn jemand für eine ausländische Feindmacht kämpft

    und gegen das eigene Militär muß er als Feind

    behandelt werden. Während der Kriegshandlungen

    ist das automatisch klar. Aber nachher so zu tun,

    als ob nichts geschehen wäre, ist krank.

    Null Toleranz für Schläfer, kriegsmäßig ausgebildete Terroristen und Verräter. Die können gleich dort

    bleiben, wenn Sie dieser Gesinnung treu bleiben

    und sich der Strafe ihrer Heimat entziehen wollen.

    Ein Entzug der Staatsbürgerschaft wäre nahezu

    obligatorisch geboten!

    Wenigstens eine Beweispflicht zu Lasten der

    Ex-Kriegskämpfer auf Feindmachtseite, dass Sie

    nun ungefährlich seien, ist wohl das Mindeste.

    Generalüberwachung schützt nicht vor schlechter

    Politik und polizeilicher und juristischer Inkompetenz.

     

    Für Mitglieder, die einmal in Organisierter Kriminalität als Aktive verwickelt waren, sollte

    aber lebenslange Überwachung der Telefongespräche

    u.ä. gelten.

     

     

    Das Frankreich, USA, Deutschland, GB u.a.

    überhaupt solches Pack wiederaufnimmt, wiedereinbürgert und noch dazu straffrei sein läßt,

    ist die größte Schande des Westens.

    Spart Euch Eure dämliche Orwellsche Überwachung

    und seid einfach fair und konsequent und beschützt

    damit wesentlich effizienter Euer Volk!

     

    Die Wiederaufnahme erprobten Kriegsgegnern

    stellt für mich direkt ein staatliches, fahrlässiges

    Verbrechen und eine Bedrohung für die Demokratie.

    Gutmenschentum kann auch tödliche Konsequenzen haben!

  • G
    gustav

    Wir sind Europäer, aber können auch

    ohne Zentralüberwachung leben!

    Ich will nicht in einer kontinentalen

    Matrix(wie im Film "Matrix") gefangen sein!

    Die vorherrschende nationale Überwachung

    reicht vollends aus.

    Man sollte nicht vergessen, dass

    eine ausufernde Überwachung, die zentral

    auf europäischer Ebene gesteuert wird,

    jeden Bürger bedrohen kann!!!!!!!!!!!!!!!

    Und das Sie eine perfekte Vorbereitung

    für Zwangsmaßnahmen, Diktatur und Erniedrigung

    darstellt.

    Ob kommunistische Heuchelarschkriecher,

    liberales Lobbyistenbonzentum,

    sozialdemokratische Wendehälse,

    es kann Euch nicht schnell genug gehen

    den Bürgern Deutschlands die Rechte abzusprechen,

    oder!!?

    Schafft endlich die EU ab!

     

    Wir sind Deutsche und müssen unter anderem

    mit allen anderen Europaern und allen

    anderen Staaten verantwortungsbewußt umgehen,

    uns aber niemanden ausliefern!!!

    Wo ist eigentlich Eure Würde?!

    Eine zentrale europäische Fremdbestimmung

    und Überwachung lehne ich ab!!!!!!

  • WR
    Weiße Rose

    Gerade für einen überzeugten Europäer ist es nicht nachvollziehbar, wie die EU-Kommission Millionen ihrer Bürger über die Vorratsspeicherung zu potenziellen Terroristen, Pädophilen oder Drogenhändlern macht!

  • R
    r.kant

    @EuroTanic

     

    Was soll dieser rechtspopulistische Beitrag? Noch nicht mitbekommen? Brüssel steht über den Nationalstaaten!

  • E
    EuroTanic

    Die Vorratsdatenspeicherung ist verfassungswiedrig, damit illegal. Ich möchte nicht von Bürokraten in Brüssel gegängelt werden die am laufenden Meter gegen Gesetze und Sitte und Moral verstossen. Ich brauche kein EUtopia.

  • E
    Europäer

    Ich hoffe Deutschland wird nicht weiterhin so nationalistisch denken. Gerade die feigen Terroranschläge jetzt in Frankreich zeigen das eine Vorratsdatenspeicherung hilfreich ist. Wir sind ein Europa, da kann es nicht angehen das einzelne Länder auscheren und sich so vehement gegen Europa stellen!