Streit um das 49-Euro-Ticket: Finanzierungsfrage verschoben
Olaf Scholz und die Ministerpräsident:innen haben eine Einigung beim Deutschlandticket verkündet. Dabei haben sie kaum etwas geklärt.
H essens Regierungschef Boris Rhein gab sich zum Abschluss des Bund-Länder-Gipfels selbstzufrieden: „Beim Deutschlandticket haben wir Klarheit geschaffen.“ Tatsächlich ist kaum etwas klarer als vor dem Gipfel. Immerhin betonten Bundeskanzler Olaf Scholz und die Ministerpräsident:innen der Länder ihre Absicht, das Deutschlandticket 2024 fortführen zu wollen. Finanziert werden soll das Ticket im nächsten Jahr zunächst mit dem Rest des diesjährigen Budgets.
Das begrüßte auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing. Dabei war die Idee, das Restbudget mit ins nächste Jahr zu nehmen und das Ticket so zumindest für eine Weile zu sichern, schon bei der Verkehrsministerkonferenz Anfang Oktober Thema. Überhaupt ist im laufenden Jahr nur deshalb Geld übrig geblieben, weil Bund und Länder über den Start des 49-Euro-Tickets so lange gerungen haben, dass es erst ab Mai erhältlich war.
Für Wissing und Scholz war das günstig, denn sie wollen erst dann über weitere Bundesmittel reden, wenn das Restgeld aufgebraucht ist. Wenn überhaupt: Laut Beschluss des Bundeskanzlers und der Ministerpräsident:innen ist angedacht, eine mögliche Nachschusspflicht – also die Übernahme zusätzlich anfallender Kosten – für 2024 auszuschließen.
Die Verkehrsminister:innen der Länder sind daher zu Recht besorgt. Wie viel Zusatzkosten das Ticket 2024 voraussichtlich mit sich bringen wird, soll noch berechnet werden. Das Restbudget von 2023 wird jedenfalls kaum ausreichen, um sie zu decken. Das musste auch Scholz und den Landeschef:innen klar gewesen sein.
Zuvor hatten die Verkehrsminister:innen der Länder gesagt, die Hälfte der Zusatzkosten zu tragen. Das Geld für die andere Hälfte mit steigenden Preisen ab Mai 2024 einzutreiben, wie es der Beschluss des Gipfels andeutet, ist eine schlechte Idee. Für zahlreiche Kund:innen sind 49 Euro im Monat die Schmerzgrenze. Wenn das Deutschlandticket teurer wird, drohen Kündigungen – die Rechnung der Ministerpräsidentenkonferenz würde nicht aufgehen.
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